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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

jederzeitigen Substituierbarkeit von Personal spiegelt sich in dem Einsatz von Personen unterschiedlicher Qualifikation<br />

für die gleiche personenbezogene Dienstleistung wider.<br />

Ungeachtet <strong>des</strong>sen ist allen personenbezogenen Dienstleistungen gemeinsam, dass sie in der Regel nur in bestimmten<br />

Situationen nachgefragt werden. Anders als bspw. die Dienstleistung eines Friseurs/einer Friseurin, die<br />

in Anspruch genommen wird, wenn die Frisur erneuert werden soll, besteht die Besonderheit der pflegerischen<br />

Dienstleistung im Krankenhaus darin, dass sie nicht als einzelne, sondern in der Regel im Zusammenhang mit<br />

medizinischen Dienstleistungen nachgefragt wird. Zu den Krankenhausleistungen zählen laut § 2 (1) der Bun<strong>des</strong>pflegesatzverordnung<br />

(BPflV)<br />

”insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die<br />

für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung....” (Bun<strong>des</strong>pflegesatzverordnung<br />

vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750), zuletzt geändert durch Artikel 24 <strong>des</strong> Gesetzes<br />

vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554)")<br />

An dieser Aussage hat sich auch durch die neue Gesetzgebung und Krankenhausfinanzierung nichts geändert.<br />

Dem Arzt kommt aufgrund der ihm zugewiesenen Monopolstellung in Fragen von Krankheit und Gesundheit bei<br />

der Gestaltung <strong>des</strong> Dienstleistungsprozesses eine zentrale Rolle zu. Dies ist der im 19. Jahrhundert ausgebildeten<br />

geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zwischen Medizin und Pflege geschuldet und der damit verbundenen<br />

Kopplung von Pflege an Krankheit. Dies erschwert nicht nur die Wahrnehmung der berufsmäßig ausgeübten<br />

Pflege als eigenständiger, notwendiger Dienstleistung, sondern auch die Analyse <strong>des</strong> Dienstleistungsgeschehens<br />

und damit die Entdeckung von Innovations- und Produktivitätspotentialen. Letztere sind in den Merkmalen personenbezogener<br />

Dienstleistungen zu suchen, deren wichtigste nachfolgend beschrieben werden.<br />

4.3.1 DAS UNO-ACTU-PRINZIP<br />

Die berufliche/professionelle Pflege ist wie die Medizin immer auf Personen bezogen, die diese Leistungen unmittelbar<br />

und gleichzeitig konsumieren. Das uno-actu-Prinzip ist das hervorstechendste Merkmal jeder personenbezogener<br />

Dienstleistung. Es besagt, dass die Erbringung der Dienstleistung und der Verbrauch derselben<br />

sich orts- und zeitgleich vollziehen. Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit und weiteres Charakteristikum<br />

personenbezogener Dienstleistungen ist die Anwesenheit <strong>des</strong> Patienten, die ‚Kundenpräsenz’ (s. Badura/Gross<br />

1976: 67). Ohne sie würde das berufliche/professionelle Wissen nicht <strong>zur</strong> Geltung kommen bzw. könnte die<br />

Pflege das ihr von der Gesellschaft übertragene Mandat nicht erfüllen. Hieraus ergibt sich eine wechselseitige<br />

Abhängigkeit zwischen ‚Produzenten’ und ‚Konsumenten’ pflegerischer Dienstleistungen, aber auch eine wechselseitige<br />

Abhängigkeit der einzelnen Berufe voneinander. Alle sind aufgrund der Gleichzeitigkeit 61 produktiver<br />

und konsumtiver Akte an die leibliche Gegenwart der handelnden Personen (hier: Pflegekraft-Patient, Pflegekraft-Patient-Arzt,<br />

Arzt-Patient) gebunden. Alle beziehen sich in ihrem Handeln auf denselben Patienten. Das in<br />

jeder personenbezogenen Dienstleistungssituation wirkende Prinzip bringt es mit sich, dass der Prozess- und<br />

Verrichtungsaspekt der Dienstleistung bis zu einem gewissen Grad in ihrer Realisierung ‚verschwindet'. Die jeweilige<br />

Dienstleistung ist somit weder konsistent, noch beständig, noch lagerfähig, sondern flüchtig (s. z.B. Herder-Dorneich<br />

1994: 630ff). Aus diesem Grund müssen die Berufsgruppen/Professionen bei der eigenen Arbeit<br />

neben der eigenen ‚Arbeitsperspektive’ immer auch die der anderen mit berücksichtigen. Hierzu ist ein klares<br />

Verständnis vom eigenen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich und den zu bearbeitenden Problemen sowie ein<br />

Verständnis vom Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich der anderen Professionen wichtig. Dies ist die Voraussetzung,<br />

damit der erforderliche kontinuierliche Austausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen/Professionen<br />

funktionieren kann. Was die Pflege im engeren Sinn betrifft, kommt dem, was in der Dienstleistungsbeziehung<br />

passiert, für die Bewertung der Dienstleistung durch den zu pflegenden Menschen eine zentrale<br />

Bedeutung zu. Er bzw. sie erfährt unmittelbar an seinem/ihrem Körper und an seiner/ihrer ganzen Person, ob<br />

61<br />

Das räumliche und zeitliche Zusammenfallen von Produktion und Konsum bezeichne ich als Gleichzeitigkeitsprinzip<br />

(‚uno-actu-Prinzip’).<br />

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