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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

Sie unterscheiden ‚herstellende‘ und ‚formbeschützende‘ Teilfunktionen. Beide Teilfunktionen stehen in einem<br />

wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, d.h. in einer funktionalen Reziprozität. Bei Dienstleistungen<br />

können grob ‚personen-‘ und ‚gemeinschaftsbezogene’ Dienste (Pflege, Sozialarbeit, Polizei etc.) sowie<br />

‚sach-‘ bzw. ‚produktionsbezogene’ Dienstleistungsberufe unterschieden werden (s. Badura/Gross 1976: 66f).<br />

Voges (2002: 242) differenziert zwischen unterschiedlichen Dienstarten als produktionsbegleitende, rahmensetzende<br />

und konsumierbare Dienste. Nach Bauer (2001: 21f) stehen drei Aspekte im Mittelpunkt der diversen<br />

Dienstleistungsdefinitionen nach denen entweder das Leistungsgeschehen im Sinne der dienstleistenden Tätigkeiten<br />

(Performance) betont wird oder das Produkt der Dienstleistung im Sinne <strong>des</strong> Ergebnisses und der Wirkung<br />

der erbrachten Dienstleistung oder die generelle Bereitschaft und Fähigkeit eines Anbieters <strong>zur</strong> Erbringung<br />

von Dienstleistungen, d.h. seine Potenzialität. Barbara Thiessen (2004: 34) macht auf die verschiedenen, im<br />

Dienstleistungsbegriff enthaltenen Bedeutungen aufmerksam. Ihren Ausführungen zufolge stecken in dem Wort<br />

‚Dienst’ zwei Bedeutungen, die für die Pflege höchst folgenreich sind. Die eine weist auf eine ‚dienende Gesinnung’.<br />

Sie ist als innere Haltung zu deuten, während die andere Bedeutung, die <strong>des</strong> ‚Knecht-Seins’, als äußeres<br />

(Arbeits-) Verhältnis interpretierbar ist. Beide Bedeutungen werden in der sozialgeschichtlichen Entwicklung<br />

geschlechtlich aufgeladen. Der erste Aspekt wird mit dem Aufkommen der Moderne in den Bereich <strong>des</strong> Privaten<br />

verwiesen, während der zweite Aspekt <strong>zur</strong> Grundlage <strong>des</strong> nationalen Wohlfahrtsstaats wird. Die Folgen der damit<br />

verbundenen Trennung zeigen sich bei der professionellen Gestaltung von Dienstleistungen und an den vielen<br />

Widersprüchen <strong>des</strong> Tertiarisierungsprozesses. Der Teilbegriff ‚Leistung’ beinhaltet ebenfalls mehrere etymologische<br />

Bedeutungen. Thiessen (2004: 34ff) hebt den aktiven Aspekt im Sinne ‚einer Spur nachgehen’ hervor<br />

und zeigt die enge Beziehung <strong>des</strong> Begriffs zu etwas Sachbezogenem und Messbarem auf. Sie arbeitet sprachgeschichtlich<br />

drei Dimensionen <strong>des</strong> Dienstleistungsbegriffs heraus: die einer Gesinnung/Haltung, die der Struktur<br />

einer Arbeitsbeziehung und die im Begriff der Leistung enthaltende Dimension der Handlungsebene. Diese Ebene<br />

wird in der heutigen Verhandlung <strong>des</strong> Professionsbegriff unter dem Stichwort ‚performance’ (Leistung) aufgegriffen<br />

(s. Mieg 2003).<br />

Wird die quantitative Bedeutung personenbezogener Dienstleistungen in den Blick genommen, dann hat nach<br />

der ‚Drei-Sektoren-Theorie’ der seit längerem zu beobachtende Strukturwandel der Erwerbsarbeit zu erheblichen<br />

Verschiebungen zwischen den drei Wirtschaftssektoren, dem primären, sekundären und tertiären Bereich geführt.<br />

Im Jahr 2006 gab es in Deutschland 43,2 Mill. Erwerbstätige, wovon 4,2 Mill. (9,8%) ohne Arbeit waren.<br />

Im tertiären Bereich 59 waren 2006 72,3% der Erwerbstätigen beschäftigt. Im Jahr 1991 waren es nur 59,5 %.<br />

Dies bedeutete einen Zuwachs von 12,8 % in einem Zeitraum von 15 Jahren (s. Datenreport 2008: 111, 115). Die<br />

personenbezogenen und konsumorientierten Dienstleistungen sind aufgrund ihres Wachstumspotenzials von besonderer<br />

Bedeutung 60 In Bezug auf die berufliche/professionelle Pflege ist hervorzuheben, dass der Wandel von<br />

der Industrie- <strong>zur</strong> Dienstleistungsgesellschaft in den westlichen Industriegesellschaften unterschiedlich verlaufen<br />

ist. Die Entwicklung in Deutschland zeichnet sich gegenüber anderen Ländern (USA, Schweden) durch eine<br />

‚traditionelle Lösung’ aus, die sich nach Krüger (1999: 5) auf eine um die vorige Jahrhundertwende etablierte<br />

Geschlechtertradition stützt. Das kulturelle Erbe der bun<strong>des</strong>deutschen Dienstleistungsgesellschaft ist nicht das<br />

der Berufsfachlichkeit einer Industriegesellschaft, sondern es ist Folge einer Tradition, in der die Qualitätssicherung<br />

von Dienstleistungen durch die Geschlechterfrage determiniert wurde. Dies wird durch das Beispiel der<br />

Sonderstellung der Krankenpflegeausbildung anschaulich belegt. Eine gravierende Folge dieser Entwicklung besteht<br />

darin, dass das in der Berufsausbildung erworbene Qualifikationsprofil gesetzlich nicht geschützt ist. Ein<br />

anderes Problem ist, dass bei einer Geschlecht und Beruflichkeit gegeneinander ausspielenden Politik nicht<br />

Fachlichkeit, sondern ‚Verfügbarkeit’ dominiert (Krüger 1999: 11). Die damit einhergehende Vorstellung der<br />

59 2006 waren von den erwerbstätigen Personen 2.2 % gegenüber 3,9% im Jahr 1991 im primären Sektor tätig. Im sekundären<br />

Sektor arbeiteten 2006 25,5 % gegenüber 36,6 % im Jahr 1991 (s. Datenreport 2008, Kap. 5: 115).<br />

60 S. Mischo-Kelling 1997, , Voges 2002, Meifort 2002, Thiessen 2004, Jurczyk/Oechsle 2008.<br />

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