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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

ständige Bereich und die zwischen Medizin und Pflege bestehenden Schnittstellen bzw. der Überlappungsbereich.<br />

Aus diesem Grund ist es wichtig, beim Kampf um Zuständigkeit neben dem doppelten Mandat, das von der historischen<br />

Arbeitsteilung zwischen Medizin und Pflege ausging, zu berücksichtigen, dass Krankheit und Pflege<br />

seinerzeit nicht als gleichwertige Phänomene begriffen wurden. Statt<strong>des</strong>sen wurde die Pflege mit dem weiblichen<br />

Geschlecht verknüpft und erschöpfte sich darin. Jenseits der Geschlechterordnung wird die Krankheit als<br />

Ausgangspunkt <strong>zur</strong> Begründung der zwischen Medizin und Pflege bestehenden Abhängigkeit genommen, wobei<br />

die Medizin für sich das Krankheits-Monopol in Anspruch nimmt. Die historische ‚Kopplung der Pflege an<br />

Krankheit’ einerseits und die ‚Kopplung der Pflege an das weibliche Geschlecht’ andererseits führen auf vielen<br />

Ebenen zu einem totalen Ausblenden der (eigentlichen) Pflege als einer grundlegenden Voraussetzung von Gesundheit.<br />

Konnte dieser Sachverhalt bei akuten Erkrankungen noch verdrängt werden, ist dies angesichts der<br />

heute vorherrschenden chronischen Erkrankungen und einer damit einhergehenden temporären oder dauerhaften<br />

Pflegebedürftigkeit kaum noch möglich (s. hierzu auch Behrens 2009). Indem die Pflege unkritisch als ‚natürliche,<br />

selbstverständliche und jederzeit verfügbare Ressource’ vorausgesetzt wird, wird verkannt, dass die Fähigkeit<br />

<strong>zur</strong> Pflege eine soziale und kulturelle Errungenschaft ist. Die nach wie vor bestehende, auf dem doppelten<br />

Mandat basierende Berufs-/Professionskonstruktion deckt diesen Zusammenhang zu. Um aus diesem Teufelskreis<br />

herauszukommen, muss die Pflege sich selbstkritisch fragen, um welchen Zuständigkeitsbereich es ihr im<br />

Kern geht. Die beschriebenen Formen der Zuständigkeit lassen mehrere Möglichkeiten zu.<br />

In den USA finden sich in der ersten Hälfte <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts erste Konturen eines Wissenssystems sowie<br />

erste Anzeichen eines Versuchs, einen eigenständigen Zuständigkeitsbereich zu etablieren (s. Kap. 1). Der Praxisbereich<br />

war hier primär das Zuhause <strong>des</strong> Patienten. Es zeichnete sich ab, dass pflegerische Phänomene und<br />

pflegerisches Handeln nicht nur im Kontext von Krankheit, sondern im Kontext von Lebensprozessen und Handlungsfähigkeit<br />

gedeutet werden müssen. Dies hatte Einfluss auf die Behauptung eines eigenen Zuständigkeitsbereichs.<br />

Der damit eingeleitete Paradigmenwandel gewinnt mit dem pflegetheoretischen Ansatz von Peplau erste<br />

Konturen (s. Teil II). Die praktischen Folgen eines durch pflegetheoretische Ansätze transformierten Wissenssystems<br />

bei der Durchsetzung <strong>des</strong> Zuständigkeitsbereichs der Pflege waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar.<br />

Die im Professionskonzept enthaltende Idee, dass eine Profession für die Gesellschaft Dienstleistungen<br />

erbringt, wird in diesen Ansätzen aktiv aufgegriffen. Die theoretische Erkenntnis, dass die Pflege eine personenbezogene<br />

Dienstleistung ist, bildet eine Brücke zwischen altem und neuem Zustand. Eine erste radikale Wendung<br />

dieses Gedankens besteht darin, dass die Pflege ihren bisherigen Status, Dienstleistende primär für den<br />

Arzt anstelle für den Patienten zu sein, auf konzeptioneller und praktischer Ebene in Frage stellt. Standen bisher<br />

vor allem das Wissenssystem und der Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich im Mittelpunkt, geht es im Weiteren<br />

um die nähere Bestimmung der von den Professionen zu erbringenden Dienstleistungen.<br />

4.3 PFLEGE ALS PERSONENBEZOGENE WISSENSBASIERTE DIENSTLEISTUNG<br />

Ein entscheiden<strong>des</strong> Merkmal der pflegerischen Arbeit besteht darin, dass sie ‘people work’ bzw. eine personenbezogene<br />

Dienstleistung ist (s. Strauss et al. 1985, Hughes 1993). Für die inhaltliche Bestimmung der pflegerischen<br />

Arbeit und für die Bestimmung der Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient ist die von Berger/Offe<br />

vorgenommene Annäherung an den Dienstleistungsbegriff aufschlussreich. Sie gehen bei ihren Überlegungen<br />

vom gesamtgesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozess aus, den sie aus zwei Teilfunktionen heraus<br />

verstehen:<br />

1. „aus der gesellschaftlichen Erfüllung der physischen Überlebensbedingungen durch entsprechende gewinnende<br />

und herstellende Arbeiten, und<br />

2. aus den Tätigkeiten, die der Erhaltung bzw. den Modifikationen der Formen dienen, unter denen die<br />

erstgenannte Funktion erfüllt wird (Berger/Offe 1980:44).<br />

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