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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

keitsbereichs hängt nach Abbott nicht zuletzt von der Macht und dem Prestige <strong>des</strong> akademischen Wissens ab.<br />

Hierbei geht es weniger um den praktischen Nutzen, als um den symbolischen Charakter <strong>des</strong> Wissens. Es legitimiert<br />

die Arbeit der Professionellen, indem es deren Grundlagen klärt und wichtige kulturelle Werte aufspürt<br />

(Abbott 1988: 54). Ganz allgemein dient das akademische Wissenssystem einer Profession drei Aufgaben: der<br />

Legitimation, der Forschung und der Lehre. Alle drei sind für die Behauptung <strong>des</strong> professionellen Zuständigkeitsbereichs<br />

gleichermaßen wichtig.<br />

Für die Herausbildung eines professionellen Selbst und Selbstkonzepts ist somit nicht nur die Konstituierung <strong>des</strong><br />

Wissenssystems und <strong>des</strong>sen Prestige von Bedeutung, sondern insbesondere die Durchsetzung <strong>des</strong> Autoritäts- und<br />

Zuständigkeitsbereichs am ‚Arbeitsplatz‘. Dies geschieht vermittels der o.g. kulturellen Arbeit, die in den drei<br />

Handlungsweisen verkörpert ist. Zur Bearbeitung der in der Praxis anzutreffenden Probleme benötigt die Pflege<br />

als Profession eine gewisse Systematik, mittels derer sie Ereignisse, Verhaltensweisen, Gegenstände und Ideen<br />

betrachten kann. Diese müssen klassifiziert werden, um miteinander verglichen und aufeinander bezogen werden<br />

zu können und um ggf. Voraussagen treffen zu können. Das heißt, die Pflege muss eine technische Sprache entwickeln,<br />

damit eine Verständigung unter KollegInnen möglich ist, damit sie sprachfähig ist (s. Hughes 1993:<br />

289). Weiter bedarf es <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung <strong>des</strong> Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs einer Profession einer<br />

Balance zwischen dem in der Praxis auf einen individuellen Patienten angewandten Wissen und dem abstrakten<br />

Wissen, wie es sich etwa in Theorien oder Klassifikationssystemen niederschlägt. Diese Balance wird einmal<br />

mittels der von den Professionellen zu leistenden kulturellen Arbeit, zum anderen dadurch hergestellt, dass das<br />

abstrakte Wissen kontinuierlich erweitert wird. Letzteres unterscheidet sich von anderen Wissensformen, insofern<br />

es nach wissenschaftlichen Regeln erzeugt wird, von vorläufigem Charakter sowie abstrakt, verallgemeinerbar<br />

und somit auf unterschiedliche Situationen bzw. Probleme anwendbar ist. Das vorhandene Wissen kann aufgrund<br />

neuer Erkenntnisse ersetzt, modifiziert bzw. erweitert werden (s. MacDonald 1995). Hier kommt die Vorstellung<br />

Meads von der ‚working hypothese’ (s. Kap. 3.4.2) zum Tragen. Das Bewährungsfeld der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse ist die Praxis. Aufgrund der Vorläufigkeit <strong>des</strong> abstrakten Wissens zeichnet sich professionelle<br />

Arbeit durch einen Grad an Unbestimmtheit aus (s. Abbott 1988, Rabe-Kleberg 1993, 1996). In diesem Zusammenhang<br />

ist von Bedeutung, dass erst die autonome Kontrolle der Probleme, für die eine Profession zuständig<br />

ist, die Entwicklung einer systematisierten Wissens- und Kompetenzbasis sowie systematisierte Formen der<br />

Problembearbeitung ermöglicht (s. auch Heidenreich o.J.: 11).<br />

Das professionsspezifische Wissenssystem einschließlich die erwähnten Wissensformen müssen die Pflegekräfte<br />

demnach in den verschiedenen Praxisfeldern der Pflege, d.h. in der konkreten Arbeit, <strong>zur</strong> Geltung bringen und<br />

gegenüber anderen Professionen behaupten. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis zeigt sich darin, wie die<br />

Pflegekräfte ihr Wissen und die in Kap. 1 erwähnten verschiedenen Wissensformen vermittels ihrer Kompetenzen<br />

53 einschließlich der von ihnen eingesetzten Verfahrensweisen und Technologien in ihrer Arbeit nutzen, wenn<br />

sie auf die in den Zuständigkeitsbereich der Pflege fallenden Phänomene bei der Pflege von Patienten (inkl. ihrer<br />

Bezugspersonen) eingehen. Ihr Wissen, die daraus abgeleiteten Kompetenzen werden handlungsrelevant, wenn<br />

sie mit den Patienten die erforderliche Pflege einschätzen, planen, die hierfür angemessenen Verfahrensweisen<br />

und einzusetzenden Maßnahmen/Technologien auswählen, umsetzen und bewerten. Für Chinn/Kramer bietet die<br />

Nutzung der verschiedenen Wissensformen die Chance, die Bereiche der Wissensentwicklung und die der Anwendung,<br />

d.h. der Praxis, stärker miteinander zu verbinden. Dieses ermöglicht ein reflektiertes Handeln. Sie betonen,<br />

dass das formell artikulierte Pflegewissen einen Bezugspunkt für die professionelle wie disziplinäre Identität<br />

darstellt:<br />

ihrer Ideen u.a. auf Erkenntnisse <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus <strong>zur</strong>ück. Oevermann auf Pierce und Mead, Schütze vor<br />

allem auf Strauss.<br />

53 Hierbei geht es ganz allgemein um fachlich-technische Kompetenzen, Methodenkompetenzen, inter- und intrapersonelle<br />

Kompetenzen und immer mehr auch um Führungskompetenzen.<br />

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