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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

Mülleimer/Fahrtstuhl<strong>theorie</strong> in ihrer Wirkung nach ‚oben’ (Medizin) und nach ‚unten’ (Hilfskräfte) hinterfragt<br />

werden. Die in der angloamerikanischen Fachöffentlichkeit diskutierten Professionellen Praxismodelle als angemessene<br />

Organisationsformen der Arbeit von ‚knowledge workers’ in hochkomplexen Expertenorganisationen<br />

entsprechen Freidsons (2001: 56ff) dritter Logik der Arbeitsteilung, dem Professionalismus. Dies verweist auf<br />

eine berufs- bzw. professionsgesteuerte Arbeitsteilung 26 , in der die jeweiligen Berufsgruppen/Professionen selbst<br />

bestimmen, welche Arbeit geleistet und wie die Spezialisierung zwischen den einzelnen Berufsgruppen/Professionen<br />

gestaltet wird. Diese selbstgesteuerte und kontrollierte Arbeitsteilung ist ein wesentlicher Teil<br />

<strong>des</strong> Professionalismus (Freidson 2001: 55ff) und wird von denjenigen, die die Pflege als eine wissensbasierte<br />

Profession verstehen, angestrebt. Ob sie angesichts der subtilen Wirkungsweise der Mülleimer/Fahrstuhl<strong>theorie</strong><br />

erreicht werden kann, bleibt offen. In Deutschland befindet sich die berufliche Pflege irgendwo zwischen einem<br />

weiblich konnotierten Beruf und einer männlich konnotierten Profession, weshalb im Folgenden auf beide Organisationsformen<br />

erwerbsmäßiger Arbeit eingegangen wird.<br />

4.2 SOZIALE ORGANISATION DER ARBEIT IN FORM EINES BERUFS UND EINER PROFESSION<br />

Alle Definitionen von Berufen verweisen darauf, dass für die Ausübung eines Berufs der Erwerb gewisser<br />

Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich ist. Diese werden mittels einer entsprechenden Berufsausbildung<br />

erworben. Letztere wird als Grundvoraussetzung für den Erwerb eines spezifischen Arbeitsvermögens<br />

angesehen und ihre Ausgestaltung gilt als wesentlicher Schritt <strong>zur</strong> Etablierung eines beruflichen Teilarbeitsmarkts.<br />

Nach Beck/Brater/Daheim (1980: 98) entscheiden<br />

„Bildungsgänge damit auch indirekt über die mit den jeweiligen Berufsansprüchen verbundenen sozialen<br />

Ungleichheiten, über Status- und Einkommensanrechte, über die Stellung in der Kooperation, über Abhängigkeit<br />

und Autonomie usw.“<br />

Das dominanteste Prinzip der Berufsschneidung ist das der Vermarktbarkeit <strong>des</strong> Arbeitskräfteangebots. Die<br />

Schulbildung stellt für die einzuschlagende Berufsausbildung eine wichtige Weichenstellung dar, insofern der im<br />

Allgemeinbildenden Schulsystem erworbene Abschluss sozusagen die Eintrittskarte für den weiteren Lebensund<br />

Berufsweg ist. Was nun den Übergang von der Schule in den Beruf bzw. in die berufliche Ausbildung betrifft,<br />

müssen nach Krüger (1991: 140f) strukturell drei Übergangswege betrachtet werden: das duale System,<br />

das System ohne qualifizierenden Abschluss und das Schulberufssystem oder anders formuliert die vollzeitschulische<br />

Ausbildung für Berufe jenseits <strong>des</strong> dualen Systems. Hierbei handelt es sich um ein männliches und ein<br />

weibliches Übergangssystem. Das weibliche Übergangsystem ist der letzteren Berufsbildungsform zu<strong>zur</strong>echnen,<br />

der die Krankenpflegeausbildung angehört. Die in dieser Berufsausbildungsform versammelten Berufe sind nach<br />

bun<strong>des</strong>- oder länderspezifischen Sonderregelungen geregelt wie etwa die Ausbildung zum/r Gesundheits- und<br />

KrankenpflegerIn. Sie führt zu einem staatlich anerkannten Berufsausbildungsabschluss. Krüger (1991: 146) betont,<br />

dass die in dieser Berufsbildungsform erreichten Abschlüsse, die so genannten Schulberufe, einen eigenen<br />

Marktwert und eine eigene Ausbildungsstruktur haben. Die Pflegeausbildung nimmt im Berufsbildungssystem<br />

einen Sonderstatus ein, insofern sie sich außerhalb <strong>des</strong>selben befindet 27 . In diesem Zusammenhang ist wichtig,<br />

dass die Etablierung der Ausbildung in der Krankenpflege historisch zu einem Zeitpunkt erfolgte, als eine erbitterte<br />

Auseinandersetzung um männliche und weibliche Aufgabenfelder mit der für das deutsche Berufsbildungssystem<br />

entscheidenden Differenzierung zwischen existenzsichernden und natürlichen Berufen stattfand (Krüger<br />

1997b). Diese Differenzierung führte in der Folge zu einer Zweiteilung <strong>des</strong> Arbeitsmarktes in sog. Männer-<br />

26 Freidson (2001: 89) fasst unter diese Logik auch die verschiedenen Handwerke/Gewerbe. Professionen unterscheiden sich<br />

von diesen durch ihre universitäre Ausbildung. Eine Zwischenposition nehmen ‚technicians’ ein, worunter er auch die Pflege<br />

zählt. Einem Teil der hierunter fallenden Gruppen ist eine Verlagerung ihrer Ausbildung in den Hochschulbereich gelungen.<br />

27 Problematisch ist, dass das Berufsbildungssystem in seinem berufsqualifizierenden Teil eine Doppelstruktur beinhaltet, die<br />

den weiblichen um die Familie zentrierten Lebenslauf und den männlichen um den Beruf und die Erwerbskarriere zentrierten<br />

Lebenslauf nicht nur inhaltlich, sondern auch ökonomisch-zeitlich vorprogrammiert. Die besseren Vorqualifikationen der<br />

Mädchen aus dem Allgemeinbildungssystem gehen bereits in der geschlechtsspezifischen Struktur <strong>des</strong> Berufsbildungssystems<br />

selbst in weiten Teilen verloren (s. Krüger 1991: 151).<br />

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