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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

pflichtung bzw. Berufung <strong>zur</strong> geistigen Mütterlichkeit den Pflegekräften die Möglichkeit geben, sich an den Beruf<br />

bzw. an das Kollektiv der jeweiligen Schwesternschaft zu binden.<br />

Abb. 4.3: Vom doppelten zum einfachen Eheparadigma<br />

Dieses Arrangement der pflegerischen Arbeit war solange unproblematisch wie die Pflege als ein ‚besonderer<br />

Beruf‘ total durchorganisiert war, d.h. solange es kein privates Leben neben dem Beruf gab. In diesem Arrangement<br />

wird die Heilspflege vom jeweiligen Mutterhaus geprägt, wohingegen die unter die Heilpflege fallenden<br />

Aufgaben von der Medizin bestimmt werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese Berufskonzeptionen<br />

sämtlich so gefasst waren, dass sie keine Konkurrenz für den Mann darstellten. Sie reichten von der Idee<br />

der Pflege als Lebensberuf auf kirchlich-religiöser Basis (religiöser Berufung) bis zum lebenslänglichen Erwerbsberuf<br />

(säkulare Berufung im Sinne der geistigen Mütterlichkeit und eines säkularen Zölibats (s. von Oertzen<br />

2000, Kreutzer 2005) bzw. als zeitweiliger weiblicher Erwerbsberuf <strong>zur</strong> Vorbereitung auf den eigentlichen<br />

Beruf als Mutter, Ehe- und Hausfrau (s. ausführlich Mischo-Kelling 1995b). Das Wissen im Bereich der religiösen<br />

wie der säkularen Heilspflege wird mündlich und mittels Einübung in der Praxis vermittelt und in unterschiedlicher<br />

Form kontrolliert 23 . Das Wissen im Bereich der Heilpflege war in wohl dosierter und abgespeckter<br />

Form in Büchern kodifiziert und wurde entsprechend <strong>des</strong> Wissenstan<strong>des</strong> kontinuierlich revidiert (s. Mischo-<br />

Kelling 1995b, Schweikardt 2008). Die Lebensform, die daran gekoppelten langen Arbeitszeiten (inkl. <strong>des</strong><br />

Wohnens auf den Stationen bzw. nahe bei den Stationen (s. Kreutzer 2006: 204, Meiwes 2008: 55) und nicht zuletzt<br />

die bauliche Struktur der Krankenstationen, d.h. die Krankensäle, sorgten für die Kontinuität. Brüchig wird<br />

dieses Arbeitsarrangement und die damit verbundene Arbeitsorganisation in dem Moment, wo die historisch gewachsenen<br />

Organisationsstrukturen der beruflichen Pflege in Form der Mutterhausorganisation nicht mehr greifen.<br />

Das, was bislang in der einen wie in der anderen Variante als Einheit erlebt und erfahren worden war, unterlag<br />

im westlichen Teil Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg, verstärkt ab den 1960er Jahren, Anfang der<br />

1970er Jahre aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und den Entwicklungen in der Medizin Erosionsprozessen.<br />

(s. Pinding 1972, Leitner-Botschafter et al. 1973, Volkholz 1973, Kreutzer 2005, 2010). Dies führte dazu,<br />

dass der so genannte ‚eigenständige Bereich’ der Pflege nicht zuletzt aufgrund der geschlechterdifferenzierenden<br />

Berufs- wie Professionskonstruktion ständig Gefahr lief, nur als ‚Anhängsel’ wahrgenommen und somit zu einer<br />

‚Restkategorie’ zu werden (s. Davies 1995a). Die unreflektierte Kopplung von Pflege an das weibliche Geschlecht,<br />

anders gesagt, die Behauptung einer Identität zwischen Pflege und weiblichem Geschlecht negiert aber<br />

die in Kap. 3 herausgearbeitete anthropologische Notwendigkeit der Pflege für das menschliche Überleben.<br />

Denn das, was konkret unter Arztassistenz verstanden wird, hängt nur noch von der durch die geschlechterdiffe-<br />

23 Beispielhaft soll hier die Dissertation von Silke Köser (2006) erwähnt werden, die sich mit der Herausbildung kollektiver<br />

Identitäten am Beispiel der Kaiserswerther Diakonissen beschäftigt hat und verschiedene Wege der Identitätsbildung aufzeigt.<br />

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