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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

men werden. Beide Mandate basieren auf der geschlechterdifferenzierenden Arbeitsteilung. Das beschriebene<br />

subordinate-superdominate Muster bildete nicht nur die Basis der Beziehung zwischen Medizin und Pflege, sondern<br />

es war auch das Rollenmodell für die Beziehung zwischen Krankenhausadministration und Pflege. Im Zuge<br />

der damit einhergehenden Maskulinisierung der Krankenhausverwaltung kam es zu einem grundlegenden Wandel<br />

der sozialen Identität der Rolle der Superintendentinnen in der Pflege. In dieser Funktion konnten bis weit in<br />

die 20er Jahre <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts mehrere Rollen wie Krankenhausleitung, Leitung <strong>des</strong> Pflegedienstes, Schulleitung,<br />

Pflegekraft und Frau gleichzeitig vereinigt sein. Die von führenden Männern der American Hospital<br />

Association (AHA) betriebene Professionalisierung auf der einen Seite und die von führenden Pflegekräften verfolgte<br />

Professionalisierung der Pflege auf der anderen Seite führte zu einer Rollendifferenzierung und einer damit<br />

einhergehenden Trennung von Verwaltungsaufgaben und pflegerischen Funktionen (s. Arndt 2009, Erickson<br />

1980).<br />

Das zwischen Pflege und Medizin bestehende subordinate-superdominate Muster hat sich auch in Europa in unterschiedlichen<br />

Varianten ausgebildet. Bollinger (2005: 27) vertritt die These, wonach in Deutschland die sich<br />

im 19. Jahrhundert allmählich etablierende berufliche Pflege und die wissenschaftliche Medizin als entwicklungsgeschichtliche<br />

Übergangsphänomene der Moderne zu interpretieren sind. Dabei verkörpert die Medizin, die<br />

sich fürs ‚Ganze’ zuständig fühlt, ein männlich-bürgerliches und ständisch-elitäres Projekt. Demgegenüber entsteht<br />

die moderne Pflege historisch als ein Dienst. ‚Profession und Dienst’ stellen in hohem Maß geschlechtskonnotierte<br />

und exklusiv gestaltete Entwürfe von Arbeitsvermögen dar. Beide Arbeitsformen zeichnen sich<br />

dadurch aus, dass sie zugleich auch eine Lebensform beschreiben. Arbeit, Leben und Beruf bzw. Profession<br />

verschmelzen miteinander. Sie sind total. Beide Formen verhalten sich in der Arbeitsteilung wie in der Geschlechtsverteilung<br />

komplementär zueinander (s. Bollinger 2005: 27). Diese Beschreibung trifft den Sachverhalt<br />

hinsichtlich der daraus resultierenden, heute noch spürbaren Folgen nur zum Teil. Sie verkennt, dass sich die berufliche<br />

Pflege in Deutschland im 19. Jahrhundert zunächst als Heilspflege und im weiteren Verlauf auch als<br />

Heilpflege etablierte 20 (s. Mischo-Kelling 1995b). Heils- und Heilpflege folgen beide einem Arbeitsarrangement,<br />

das in Anlehnung an Holtgrewe (1997: 99) als ‚Eheparadigma’ bezeichnet werden kann. Es ist dem ‚subordinate-superdominate’<br />

Muster ähnlich. Innerhalb dieses Paradigmas, dargestellt in Abbildung 4.1, nehmen Frauen<br />

die Assistenzarbeit für den jeweiligen beruflichen Partner wahr.<br />

Abb. 4.1. Eheparadigma in der Pflege<br />

In Deutschland haben wir es in der Pflege, historisch gesehen, zeitweise mit einem ‚doppelten Eheparadigma’ zu<br />

tun, die zwei verschiedene, miteinander konkurrierende soziale Welten repräsentieren. Zum einen leistet die<br />

20 In den USA wie in Großbritannien spielte das Thema der Heilspflege bei der Etablierung der beruflichen Pflege eine eher<br />

untergeordnete Rolle. Hier stellt Deutschland einen bis heute bestehenden Sonderfall dar.<br />

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