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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

teilung sehr unterschiedliche Formen annehmen 8 (Freidson 1994: 58). Für die berufliche/professionelle Pflege<br />

sind die von Freidson (2001: 46ff) beschriebenen drei ‚idealtypischen’ Logiken der Arbeitsteilung relevant,<br />

• die Arbeitsteilung nach dem freien Markt 9<br />

• die bürokratische Arbeitsteilung<br />

• die berufs- bzw. professionsgesteuerte und kontrollierte Arbeitsteilung, kurz Professionalismus 10 .<br />

Ein anderer Aspekt der Arbeitsteilung besteht darin, dass sie viele Arten von Austausch beinhaltet. In vielen Berufen<br />

erfolgt ein solcher Austausch auf wenigstens zwei Ebenen:<br />

1. „zwischen einem Menschen und jenen anderen, mit denen er/sie in seinen/ihrem Beruf interagiert wie<br />

etwa zwischen pflegender Person und den zu pflegenden Menschen<br />

2. zwischen einer Berufsgruppe und der Gesellschaft, in der der Beruf ausgeübt wird, wobei gewissen Berufen<br />

charakteristische Merkmale wie eine Lizenz und ein Mandat zugrunde liegen“ (s. Hughes 1993:<br />

287).<br />

Die Lizenz 11 in Form einer Erlaubnis, eines Befähigungszeugnisses oder eines Gewerbescheins besagt, dass die<br />

Angehörigen eines Berufes über bestimmte Fähigkeiten verfügen. Mit der Lizenz erhalten sie die rechtliche Erlaubnis,<br />

ihrem Beruf oder ihrer Profession nach-zugehen. An die Lizenz werden in der Regel gesellschaftliche<br />

Erwartungen geknüpft. Im Austausch für die erteilte Erlaubnis, sich Gesundheits- und Krankenpflegerin zu nennen,<br />

erwartet der Staat, dass die Gesundheits- und Krankenpflegerin entsprechende Dienstleistungen erbringt.<br />

Mit der Lizenz wird eine Beziehung zwischen Staat und Gesundheits- und Krankenpflegerin hergestellt, die auf<br />

der Basis von Rechten und Erwartungen erfolgt. Diese können für beide Seiten implizit und explizit sein. Kritisch<br />

ist, dass in Deutschland nach Inkrafttreten <strong>des</strong> novellierten Krankenpflegegesetzes (KrPflG) vom 16. Juli<br />

2003 am 01.01.2004 weiterhin nur die Berufsbezeichnung geschützt ist. Tätigkeitsvorbehalte auf berufsrechtlicher<br />

Ebene fehlen nach wie vor 12 (s. Igl 1998, 2008, Bollinger 2005: 15). Ungeachtet <strong>des</strong>sen entwickeln die Mitglieder<br />

eines Berufs nach Hughes (1993: 287f) ein Gespür für das, was ihr Mandat ist. Professionen nehmen für<br />

sich in der Regel ein umfassen<strong>des</strong> rechtliches, moralisches und intellektuelles Mandat in Anspruch. Über dieses<br />

Mandat gestalten sie ihre Beziehungen zu anderen Berufen und definieren, was nach ihrer Meinung zu ihrem<br />

Arbeitsbereich gehört und was nicht. Davina Allen (2004: 273) fasst unter den Begriff ‚Mandat’ die Kultur und<br />

die Ideale eines Berufs bzw. einer Profession und verweist auf das zwischen Lizenz und Mandat bestehende<br />

Spannungsverhältnis. Hughes sieht das Wesen und die Reichweite von Lizenz und Mandat, die Beziehung zwischen<br />

beiden sowie die Umstände und Konflikte, die zu ihrer Ausdehnung oder Schrumpfung führen, als äußerst<br />

wichtige Bereiche einer Untersuchung von Berufen an. Lizenz und Mandat müssen<br />

„als primäre Manifestation einer moralischen Arbeitsteilung (betrachtet werden), d.h. derjenigen Prozesse<br />

mittels derer die verschiedenen moralischen Funktionen/Aufgaben zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft,<br />

sei es als Einzelne oder Gruppen von Individuen verteilt werden. Diese moralischen Aufgaben unterscheiden<br />

sich voneinander sowohl in der Art wie im Ausmaß. Einige Menschen suchen und erhalten eine<br />

besondere Verantwortung bezüglich der Definition von Werten und dem Festlegen und Durchsetzen von<br />

8<br />

Ganz allgemein geht Arbeitsteilung mit Spezialisierung einher, die Koordination erfordert, da die verschiedenen Teilarbeitsprozesse<br />

wieder zusammengeführt werden müssen. Dieser Aspekt wird gerne übersehen. Dass diese ‚Koordinations- und<br />

Integrationsarbeit’ für das Gesamtergebnis der zu leistenden Arbeit erforderlich ist, schimmert in Arbeiten durch, die sich mit<br />

der Thematik ‚interdisziplinäre Zusammenarbeit’ näher befassen (z.B. Thylefors et al 2005; Long et al. 2006, Sander 2009).<br />

Weiter ist sie ein wichtiger Aspekt <strong>des</strong> Case Managements.<br />

9<br />

Die von Freidson (2001) beschriebene, am freien Markt orientierte Logik der Arbeitsteilung bezieht er in erster Linie auf<br />

ungelernte und angelernte Arbeiten.<br />

10<br />

In jüngster Zeit wird die berufs- bzw. professionsbezogene Arbeitsteilung auch als angemessene Form der Arbeitsorganisation<br />

für Wissensberufe behauptet. Ulrich Heisig (2005: 28) vertritt die These, dass die marktförmige und bürokratische Arbeitsteilung<br />

die spezifische Produktivität der Wissensarbeit zerstören bzw. zumin<strong>des</strong>t erheblich vermindern kann.<br />

11<br />

Der Begriff der Lizenz kann sehr eng gefasst werden und nur die rechtliche Seite umfassen. Er kann aber auch wesentlich<br />

weiter gefasst werden und Verhaltens- und Denkweisen oder den gesamte Lebensstil umfassen (s. Hughes 1993: 287). Hier<br />

lässt sich eine Querverbindung zu Bourdieus (1979) Konzept <strong>des</strong> Habitus herstellen.<br />

12<br />

Das Fehlen von Tätigkeitsvorbehalten auf berufsrechtlicher Ebene führt nach Bollinger (2005: 15) <strong>zur</strong> Substituierbarkeit<br />

der Pflegeberufe untereinander (s. hierzu auch Kälble 2005: 38). Die Folgen dieser Situation werden gerne ausgeblendet. Die<br />

Qualifikation und Qualität der geleisteten Pflege von verschiedenen Kategorien von Pflegekräften ist in jüngster Zeit Gegenstand<br />

von Untersuchungen (s. z.B. Aiken et al. 2003, Thungjaroenkul/ Cummings/Embleton 2007, Unruh 2008, Kalisch et al.<br />

2009)<br />

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