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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 4<br />

RLT-Modells fruchtbar zu machen. Die von mir in dieser Arbeit verfolgte Absicht kann in Anlehnung an<br />

Chinn/Kramer (2008: 182) als eine ‚kreative und rigorose Strukturierung von Ideen‘ verstanden werden, um eine<br />

vorläufige, zielgerichtete und systematische Sicht auf ein Phänomen zu lenken. In den Worten von Meleis (2007:<br />

153) geht es um das Finden von Antworten in Bezug auf zentrale Fragen der Pflege. Es geht hier nicht um Theorie<br />

als Selbstzweck. Vielmehr geht es darum aufzuzeigen, wie theoretische Konzepte im Sinne von Arbeitshypothesen<br />

(Mead 1899) die Handlungsmöglichkeiten der professionellen Pflegekräfte in konkreten pflegerischen<br />

Situationen anleiten und erweitern können und so den Patienten bei der Aufrechterhaltung seiner Kompetenz <strong>zur</strong><br />

eigenen Pflege unterstützen bzw. ihn/sie hierzu befähigen (empower) zu können. Im Folgenden werden die Eckpunkte<br />

<strong>des</strong> Analyserahmens beschrieben.<br />

4.1 SOZIALE ORGANISATION VON ARBEIT UND PFLEGE<br />

Der Umstand, dass die Pflege eines Menschen sowohl durch ihn selbst als auch durch einen anderen Menschen<br />

erfolgen kann, verweist darauf, dass die Pflege von Menschen an unterschiedlichen Orten, in höchst unterschiedlichen<br />

Beziehungskonstellationen und Organisationsformen erbracht werden kann. Hierbei treffen Menschen<br />

aufeinander, die unterschiedlichen sozialen Welten (Strauss 1993) angehören, was die Möglichkeit von Konflikten<br />

in sich birgt. Die mit der Pflege zusammenhängenden Fragen werden von den Beteiligten interaktiv ausgehandelt.<br />

Zur Beschreibung dieses Sachverhalts greift Strauss auf den Begriff der Arena <strong>zur</strong>ück. Hier soll der<br />

Hinweis genügen, dass soziale Welten und Arenen zwei aufeinander bezogene Begriffe sind (s. Kap.3). Wenn<br />

die Arbeit ein zentrales Medium darstellt, durch das sich Menschen in einer Gesellschaft verorten, durch das sie<br />

etwas über sich selbst erfahren und ihr Selbst sowie Selbstkonzept in Beziehung zu anderen immer wieder neu<br />

konstituieren (s. Hughes 1993, Heinz 1995; Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999, Strauss 1993, 2001), dann müssen die Organisation<br />

der pflegerischen Arbeit und die Pflegearbeit selbst ins Zentrum der Betrachtung gerückt werden. Bei<br />

der handlungstheoretischen Reformulierung <strong>des</strong> RLT-Modells kommt in Anlehnung an Strauss (1993: 47ff) dem<br />

Thema ‚Arbeiten bzw. Handeln als Interaktion’ eine zentrale Rolle zu. Wie in Kap. 3 aufgezeigt, findet Pflege in<br />

und über Beziehungen statt. Wie die Beziehung zwischen dem zu pflegenden Menschen und der pflegenden Person<br />

gestaltet wird, hängt nicht nur von persönlichen Merkmalen, sondern auch von der Organisation der Arbeit,<br />

den strukturellen Rahmenbedingungen und den institutionellen Orten der Pflege ab. Arbeiten und Handeln verweisen<br />

insbesondere auf zwei ‚Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens’ <strong>des</strong> RLT-Modells: auf die AL ‚Arbeiten und sich in der<br />

Freizeit beschäftigen’ sowie auf die AL ‚Seine Geschlechtlichkeit leben’ (d.h. Mann oder Frau sein).<br />

Die Art und Weise, wie diese beiden Aktivitäten aufeinander bezogen sind, spiegelt sich in vielfältiger Weise in<br />

der menschlichen Arbeitsteilung wider. Eine besondere Bedeutung kommt der zwischen privatem und öffentlichem<br />

Bereich sowie der innerhalb der beiden Bereiche bestehenden Arbeitsteilung zu. Was den öffentlichen, den<br />

sogenannten Erwerbsbereich betrifft, werden hier unter dem Stichwort ‚Beruf’ verschiedene Tätigkeiten zusammengefasst.<br />

Laut Hughes (1993: 286) können die Logik der Arbeitsteilung und die Kombination von Tätigkeiten<br />

und Funktionen zu Berufen (im Sinne von Aufgaben- oder Tätigkeitsbündeln) und ihre Zuweisung an unterschiedliche<br />

Menschen nicht als gegeben angenommen werden. Sie müssen erst entdeckt werden. Das bedeutet,<br />

dass die Arbeitsteilung selbst als ein Prozess der sozialen Interaktion verstanden werden muss, in <strong>des</strong>sen Verlauf<br />

die beteiligten Personen fortwährend mit der Definition, dem Festlegen, Erhalten und Erneuern der von ihnen<br />

ausgeübten Arbeiten und der dabei einzugehenden Beziehungen befasst sind 7 . Weiter kann menschliche Arbeits-<br />

7 Bezogen auf das pflegerische Handeln ist von Interesse, welche Aspekte der Pflege an andere Menschen delegiert werden.<br />

Nach welchen Mustern erfolgt die Arbeitsteilung zwischen Pflegenden im öffentlichen und privaten Bereich, zwischen<br />

LaienpflegerInnen und ausgebildeten Pflegekräften? Ein anderer Aspekt ist die Arbeitsteilung zwischen Medizin und Pflege.<br />

Auch hier kann nicht von einer einmal gegebenen Arbeitsteilung ausgegangen werden. Im Gegenteil, das Beispiel ‚Pflege’<br />

zeigt, wie diese unter gesetzlichen, ökonomisch-politischen Gesichtspunkten ständig neu hergestellt wird. Die Verkürzung<br />

der Verweildauer sowie der Grundsatz ‚ambulant vor stationär’ haben dazu geführt, das ein nicht geringer Anteil der Pflegearbeit<br />

vom öffentlichen Sektor <strong>zur</strong>ück in den privaten Sektor verlagert worden ist (s. Dienel 2007: 283, Empfehlungen <strong>zur</strong><br />

Weiterentwicklung der Pflegeausbildungen, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., März 2009).<br />

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