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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

ziale Gewohnheiten. In diesen Gewohnheiten kommen aufgrund von deren dynamischem Charakter die Ablagerungen<br />

der unterschiedlichen Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht, zum Ausdruck. Für<br />

das pflegerische Handeln in seinen unterschiedlichen Formen sind beide Konzepte wichtig, da sich der Mensch<br />

beim Handeln auf sie bezieht. Beide werden aufgrund <strong>des</strong> stattfindenden Handelns in unterschiedlichen Ausmaßen<br />

modifiziert. Allerdings kommen nicht die geballte Erfahrung eines Menschen in einer Handlungssituation<br />

zum Zuge, sondern nur diejenigen Aspekte, die in einer spezifischen Handlungssituation von Bedeutung sind.<br />

Was von Bedeutung ist, kann sich allerdings im Handlungsverlauf verändern. Einige Aspekte können deutlicher<br />

ins Zentrum rücken, während andere im Handlungsverlauf in den Hintergrund oder an den Rand gedrängt werden<br />

oder nur in bestimmten Momenten für den erfolgreichen Verlauf eine Rolle spielen. All dieses muss – da das<br />

Handeln in unterschiedlichen Formen erfolgt - nicht immer bewusst sein. Darüber hinaus findet das menschliche<br />

Handeln – außer im Traum - nicht losgelöst von jeglicher Realität statt, sondern in konkreten sozialen Situationen<br />

und in einem jeweils spezifischen Umfeld. Diese setzen die Rahmenbedingungen für das Handeln. Sie müssen<br />

beim Handeln berücksichtigt werden, ohne dass Situation und Umfeld das Handeln vollständig determinieren.<br />

Sie setzen gewisse Grenzen, aber nicht unüberwindbare oder nicht solche, die nicht weiter ausgedehnt werden<br />

könnten.<br />

Die menschliche Sprache, verbal und nonverbal, gibt dem menschlichen Handeln seine Spezifität. Sie ist auch<br />

die Basis, auf der sich die für das menschliche Handeln grundlegende Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme ausbilden<br />

kann. In der beruflichen/professionellen Pflege wird die Pflegekraft mit einer Spannbreite von menschlichen<br />

Verhaltensweisen konfrontiert. Werden diese in der Regel vor dem Hintergrund von Krankheit und Gesundheit<br />

gedeutet, reicht dies den gewonnenen Erkenntnissen zufolge nicht aus. Die Fähigkeit, sich selbst oder einen anderen<br />

Menschen zu pflegen, wird im Laufe <strong>des</strong> Lebens sozial vermittelt und angeeignet. Sie ist an die Fähigkeit<br />

<strong>zur</strong> Rollenübernahme gebunden und muss über das spontane Gefühl <strong>des</strong> ‚Helfenwollens’ hinaus weiter entwickelt<br />

werden. Die Verhaltensweisen, mit denen eine Pflegekraft oder eine pflegende Person sich auseinandersetzten<br />

muss, betreffen vor allem die Alltagsroutinen oder die Gewohnheiten eines Menschen und die mit diesen<br />

zusammenhängenden Handlungskompetenzen hinsichtlich der Sorge um den eigenen Körper und seine Pflege.<br />

Für die Pflege ist von Bedeutung, wie der Mensch mit Unterbrechungen <strong>des</strong> pflegerischen Handlungsflusses<br />

umgeht, und welche zusätzlichen Anstrengungen erforderlich sind, wenn der Grund für die Unterbrechung <strong>des</strong><br />

Handlungsflusses bspw. das Vorliegen von Krankheit ist. In einem solchen Fall kann es sein, dass der Mensch<br />

aufgrund seines gesundheitlichen Zustands die ‚Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens’ für kurze oder längere Zeit oder auch<br />

dauerhaft nicht mehr wie gewohnt fortsetzen kann. In diesem Fall liegt durch das Auftreten von Krankheit eine<br />

Veränderung der Handlungsbedingungen vor. Daher reicht es nicht aus, den Blick nur auf die Krankheit zu richten.<br />

Um den Handlungsgang fortzusetzen, muss die Aufmerksamkeit auf die pflegerische Handlungssituation<br />

und auf das dort erforderliche Handeln gelenkt werden. Dieses ist an die handelnden Personen, d.h. an den zu<br />

pflegenden Menschen, an die pflegende Person und an die spezifische soziale Situation zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt gebunden.<br />

Dass die Pflege sich bei oberflächlicher Betrachtung mit scheinbar banalen Dingen auseinandersetzt, führt gelegentlich<br />

zu der irrigen Vorstellung, dass die Tätigkeiten, die den Pflegekräften im Zusammenhang mit der Unterstützung<br />

der Patienten im Prozess der Wiederaneignung sozialer und lebensnotwendiger Fähigkeiten abverlangt<br />

werden, ebenfalls banaler Natur seien. Eine solche Vorstellung unterschätzt zum einen die Variabilität menschlichen<br />

Handelns und zum anderen die Rolle, die den Gewohnheiten im menschlichen Leben grundsätzlich zukommt.<br />

Eine abschätzige Betrachtung von Gewohnheiten verhindert zugleich, dass diese als Ressourcen für den<br />

Prozess der Wiederherstellung und Modifikation einer auf sich selbst und auf andere bezogenen pflegerischen<br />

Handlungsfähigkeit kreativ genutzt werden. Ebenso wird der Einfluss der Erhaltung einer relativen Autonomie<br />

in dieser Fähigkeit auf das Selbst, das Selbstkonzept und das Körperbild verkannt. Es liegt auf der Hand, dass es<br />

beim Prozess der Wiederherstellung von ‚Normalität’ oder anders formuliert, beim Neu-Anknüpfen an die bishe-<br />

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