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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

gilt, nicht wie am ‚Fließband’ organisiert werden. Will sie die <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Mittel kreativ ausschöpfen,<br />

muss sie bei den selbstbezogen pflegerischen Fähigkeiten <strong>des</strong> einzelnen Menschen ansetzen und diese im<br />

Kontext <strong>des</strong> lebensgeschichtlich Gewordenen und der dabei gemachten positiven wie negativen Erfahrungen<br />

deuten.<br />

An dieser Stelle seien Meads Vorstellungen von Demokratie und Gesellschaft erneut angeführt. Sie gehen prinzipiell<br />

von der Anerkennung der Verschiedenheit der einzelnen Menschen aus. Erst diese Verschiedenheit ermöglicht<br />

Interaktion. Gesellschaft bedeutet für ihn ‚unity in diversity’ (SW: 359). Diesen Gedanken weitet Mead<br />

auch auf die internationale Gemeinschaft der verschiedenen Völker aus. Er unterstellt die Möglichkeit eines sich<br />

immer weiter ausdifferenzierenden Selbst. Dies ist mit Blick auf die Entwicklung eines kollektiven professionellen<br />

Selbst in Bezug auf die Pflege von Bedeutung. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist die Ausbildung eines<br />

‚gemeinschaftlichen Selbst’ (community self). Dieses beginnt sich in der Kindheit auszubilden und schafft die<br />

Basis für weitere Entwicklungen bis hin zu einem international aufgeschlossenen Selbst. Dieses ist an die Fähigkeit<br />

<strong>zur</strong> Übernahme der Perspektiven anderer gesellschaftlicher Gruppen gebunden, die sich hinsichtlich ihrer<br />

historischen Lage und der ihrer Gruppe von der <strong>des</strong> ‚gemeinschaftlichen Selbst’ unterscheiden. Es geht um die<br />

Ausbildung der Fähigkeit, Unterschiede anzuerkennen, aber auch Gemeinsames wahrzunehmen 131 . Um zu einem<br />

derart weltoffenen Selbst zu gelangen, ist ein anderes Bewusstsein gefragt. Damit dieses erreicht werden kann,<br />

müssen laut Deegan (2008: 224) strukturelle Barrieren auf der ökonomischen, kulturellen und politischen Ebene<br />

aufgebrochen werden. Dieses verlangt jedoch die radikale Rekonstruktion wichtiger sozialer Institutionen, um<br />

infolge von Herrschaft und Unterordnung beschädigte Selbste rekonstruktieren zu können. Voraussetzung für<br />

eine tolerante und kooperative Gesellschaft ist die soziale Anerkennung und Akzeptanz <strong>des</strong> Anderen.<br />

3.5 Zusammenfassung: erste Ergebnisse<br />

In diesem Kapitel wurden vor allem die Ideen Meads in Bezug auf das menschliche Handeln zusammengetragen.<br />

Bei der Rekonstruktion <strong>des</strong> Meadschen Werks, welches ergänzt wurde um die Einsichten Deweys, Strauss’ et al.<br />

sowie um die Vorstellungen eines feministischen Pragmatismus und die von Honneth, wurde das Augenmerk<br />

insbesondere auf mögliche Anschlussstellen für eine Reformulierung <strong>des</strong> RLT-Modells im Sinne einer pragmatistisch-interaktionischen<br />

Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns gerichtet. Ausgangspunkt waren die Konzepte <strong>des</strong> Selbst,<br />

<strong>des</strong> Selbstkonzepts und <strong>des</strong> Körperbilds. Wie die Rekonstruktion gezeigt hat, handelt es sich hier um evolutionäre,<br />

prozessuale, dynamische, jedoch nicht um ‚festgestellte’ (fixe oder starre) Konzepte. Wird die Struktur <strong>des</strong><br />

Selbst in Rechnung gestellt, verweisen das Selbstkonzept sowie das Körperbild eines Menschen als Aspekte <strong>des</strong><br />

‚Me’ auf eine Phase beim menschlichen Handeln. Ganz allgemein können an dieser Stelle folgende für das<br />

menschliche wie für das pflegerische Handeln wichtige Aspekte festgehalten werden:<br />

• die vier Handlungsphasen<br />

• die Rolle <strong>des</strong> Selbst und der Objekte (Körper, physische Objekte)<br />

• unmittelbares Handeln, Versuch-und-Irrtum-Handeln sowie reflexives (bewusstes) Handeln<br />

• das Handlungsumfeld und die Handlungssituation<br />

• das Denken beim Handeln, die Bedeutung von Vorstellungen und Ideen<br />

• der handelnde Mensch und die beim Handeln ablaufenden physiologischen Prozesse<br />

• die Gefühle/Gefühls- und Bewusstseinszustände in Form von Wünschen, Anstrengungen/Interessen und<br />

Befriedigung.<br />

Das Selbstkonzept und das Körperbild als Aspekte <strong>des</strong> ‚Me‘ können auf einer allgemeinen Ebene als Referenzpunkte<br />

<strong>des</strong> menschlichen Handelns betrachtet werden, mittels derer die eigene Leistungs- und Handlungsfähigkeit<br />

im Vergleich zu Anderen beurteilt werden kann. Diese schlägt sich nieder in menschlichen Handlungsgewohnheiten,<br />

seien sie körperlicher Art wie Gehen und Sich-Waschen oder seien es geistige, psychische oder so-<br />

131<br />

Diese Gedanken können auch auf Medizin und Pflege übertragen werden. Auch hier geht es darum, anzuerkennen, dass es<br />

sich um verschiedene Dinge handeln, deren Gemeinsames darin besteht, dass beide in Bezug auf einen Menschen handeln<br />

und dabei ein gemeinsames Ziel anstreben, das allgemein ausgedrückt ‚Gesundheit’ heißt.<br />

150

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