09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kapitel 3<br />

Honneth (1992: 129ff) bietet Meads Konzeption <strong>des</strong> ‚generalisierten Anderen’ die Möglickeit zu einem tieferen<br />

Verständnis von wechselseitiger Anerkennung. Insbesondere mit der Betonung <strong>des</strong> kreativen Potenzials <strong>des</strong> ‚I’<br />

erfährt dieses Anerkennungsverhältnis eine thematische Erweiterung, insofern der Bewegung der Anerkennung<br />

nachträglich die psychische Kraft unterlegt wird, die ihre innere Dynamik erklärbar macht (s. Honneth 1992:<br />

130). Das im ‚I’ liegende Veränderungspotenzial <strong>des</strong> Menschen bringt nicht nur im Einzelnen, sondern auch in<br />

der Gesellschaft Veränderungen hervor. Beide beeinflussen sich gegenseitig. Dieses erläutert Mead anhand der<br />

vom Einzelnen geforderten Anpassungsleistungen an die ihn umgebende Umwelt. Diese schafft sich der Mensch<br />

durch die von ihm gewählten Mittel und Zwecke. Diese Bestimmung ist ebenso real wie die Wirkung der Umwelt<br />

auf den Menschen. Es handelt sich um einen fortlaufenden, sich wechselseitig beeinflussenden Prozess. Die<br />

verschiedenen Erfahrungen können laut Honneth (1992: 137) zum einen dazu führen, dass der Mensch durch die<br />

Ausweitung der ihm zustehenden Rechte an persönlicher Autonomie gewinnt, so dass das Ausmaß der individuellen<br />

Freiheitsräume zunimmt. Zum anderen können Erfahrungen im Bereich der rechtlichen Anerkennungsverhältnisse<br />

dazu führen, dass existierende Rechte auf einen größeren Kreis von Menschen übertragen werden. Für<br />

die Pflege ist ganz allgemein die Unterscheidung zwischen der ‚Anerkennung als Rechtsperson’ und der ‚sozialen<br />

Wertschätzung der Eigenschaften und Fähigkeiten eines Menschen’ interessant. Bei letzterer geht es „um die<br />

graduelle Bewertung konkreter Eigenschaften und Fähigkeiten“. Diese setzt ein „evaluatives Bezugssystem voraus,<br />

das über den Wert solcher Persönlichkeitszüge auf einer Skala von Mehr oder Weniger, von Besser oder<br />

Schlechter informiert“. Ein solches System könnte die gesellschaftlich zu leistende Arbeit liefern, da Mead nach<br />

Honneth (1992: 142) die Selbstverwirklichung an die Erfahrung sozial nützlicher Arbeit bindet. Damit ein<br />

Mensch sich in einer vollständigen Weise selber achten kann, muss er in der Lage sein, im Rahmen der objektiv<br />

vorgegebenen Funktionsverteilung den positiven Beitrag zu identifizieren, den er für die Reproduktion <strong>des</strong> Gemeinwesens<br />

erbringt. Die verschiedenen Rechte liefern die Basis für die Erfahrung sozialer Wertschätzung und<br />

damit für die Selbstachtung. In Anlehnung an Mead sind<br />

„als die psychischen Begleiterscheinungen der sozialen Zuerkennung von Rechten eine Steigerung <strong>des</strong><br />

Vermögens anzusetzen, sich auf sich selber als eine moralisch <strong>zur</strong>echnungsfähige Person zu beziehen; […]<br />

das erwachsene Subjekt (gewinnt) durch die Erfahrung rechtlicher Anerkennung die Möglichkeit, sein Handeln<br />

als eine von allen anderen geachtete Äußerung der eigenen Autonomie begreifen zu können“ (Honneth<br />

1992: 191f).<br />

Unter Selbstachtung im Sinne der Möglichkeit, sich positiv auf sich selbst beziehen zu können, versteht Honneth,<br />

„dass ein Subjekt sich in der Erfahrung rechtlicher Anerkennung als eine Person zu betrachten vermag, die<br />

mit allen anderen Mitgliedern seines Gemeinwesens die Eigenschaften teilt, die <strong>zur</strong> Teilnahme an einer diskursiven<br />

Willensbildung befähigen.“<br />

Bei der dritten Form der Anerkennung, die bei Hegel mit dem Begriff der Ehre (Honneth 1992: 40f) bzw. ‚Sittlichkeit’<br />

umschrieben wird oder die auch mit ‚sozialer Wertschätzung’ charakterisiert werden kann, stehen die<br />

konkreten Eigenschaften und Fähigkeiten, die den Menschen als einen besonderen im Verhältnis zu anderen auszeichnen<br />

im Mittelpunkt. Diese Anerkennungsform verlangt „ein soziales Medium, das Eigenschaftsdifferenzen<br />

zwischen menschlichen Subjekten auf allgemeine, intersubjektiv verbindliche Weise zum Ausdruck bringen<br />

können muss“ (Honneth 1992: 197). Auf gesellschaftlicher Ebene leistet diese Vermittlungsaufgabe nach Honneth<br />

„ein symbolisch artikulierter, stets offener und poröser Orientierungsrahmen, in dem diejenigen ethischen<br />

Werte und Ziele formuliert sind, deren Insgesamt das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft ausmacht.<br />

[…] Das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft gibt die Kriterien vor, an denen sich die<br />

Wertschätzung von Personen orientiert, weil deren Fähigkeiten und Leistungen intersubjektiv danach beurteilt<br />

werden, in welchem Maße sie an der Umsetzung der kulturell definierten Werte mitwirken können; insofern<br />

ist diese Form der wechselseitigen Anerkennung auch an die Voraussetzung eines sozialen Lebenszusammenhangs<br />

gebunden, <strong>des</strong>sen Mitglieder durch die Orientierung an gemeinsamen Zielvorstellungen eine<br />

Wertgemeinschaft bilden“ (Honneth 1992: 197f).<br />

148

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!