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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Ausbildung <strong>des</strong> auf sich selbst wie <strong>des</strong> auf andere Menschen bezogenen pflegerischen Handelns an die Fähigkeit<br />

<strong>zur</strong> Rollenübernahme gebunden. Diese Fähigkeit muss sich jeder Mensch aneignen, damit er sein eigenes Leben<br />

aufrechterhalten kann. Wie jede andere menschliche Fähigkeit wird die Fähigkeit <strong>zur</strong> eigenen Pflege und <strong>zur</strong><br />

Pflege anderer Menschen im Rahmen der Sozialisation erworben und weiterentwickelt. Sie muss als eine von<br />

anderen Handlungsfähigkeiten (etwa Gehen, Lesen) verschiedene wahrgenommen und anerkannt werden. Hinsichtlich<br />

der Orte der Pflege müssen die Familie, das häusliche Umfeld, der Freun<strong>des</strong>kreis und das soziale Netzwerk<br />

in den Blick genommen werden, <strong>des</strong> Weiteren alle Institutionen, in denen die Pflege außerfamiliär organisiert<br />

ist. An dieser Stelle werden die im Meadschen Werk zu findenden Hinweise <strong>zur</strong> ‚elterlichen Pflege’ und der<br />

damit korrespondierenden ‚mitfühlenden Haltung’, der ‚sympathetic attitude’, bzw. einer ‚attitude of care’, zusammenfassend<br />

aufgegriffen.<br />

Wie unter Pkt. 3.2.1 dargestellt, werden in der Familie wichtige Erfahrungen für die Herausbildung <strong>des</strong> Selbst<br />

gemacht. In diesem Zusammenhang ist aufschlussreich, dass Mead grundsätzlich von der ‚parental-form’ spricht.<br />

Damit weist er über viele Entwicklungs<strong>theorie</strong>n hinaus, in denen die Mutter als die wichtigste Bezugsperson <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong> für die ersten Jahre genannt wird. Die Problematik, die sich für die Frauen aus einer einseitigen Zuweisung<br />

der Pflege und Erziehung der Kinder ergibt, ist von den StudentInnen Meads theoretisch und empirisch<br />

aufgegriffen und unter den Stichpunkten ‚family claims’ und ‚social claims’ bearbeitet worden. Das familiäre<br />

Umfeld und die Haltungen, die dem neugeborenen, sich entwickelnden Kind von Seiten seiner Eltern entgegengebracht<br />

werden, bilden nicht nur die Basis für die Herausbildung eines emotionalen Bewusstseins, sondern auch<br />

für die Herausbildung sozialer Objekte. Letztere sind mit angenehmen und weniger angenehmen Emotionen verbunden.<br />

Das Kind lernt nach und nach, die Gesten und Haltungen der es umgebenden und pflegenden Menschen<br />

zu lesen und mit gemachten Erfahrungen in Beziehung zu setzen. Die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten<br />

sieht Mead im Zusammenhang mit der Entwicklung <strong>des</strong> zentralen Nervensystems. Geht es anfänglich um die Artikulation<br />

von menschlichen Bedürfnissen wie Hunger, Unwohlsein etc., steht im nächsten Entwicklungsschritt<br />

die Koordination körperlicher Bewegungen im Mittelpunkt. Mit dem Erlernen der Sprache werden weitere Dinge<br />

möglich. Hier setzt die Ausdifferenzierung der individuellen Fähigkeiten ein, sowie das schrittweise Erkennen,<br />

dass es Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen gibt. Bei der Aneignung von zunächst nur auf sich selbst<br />

bezogenen Kompetenzen <strong>zur</strong> eigenen Pflege spielt die Herausbildung eines Körperbilds sowie von Vorstellungen<br />

darüber eine zentrale Rolle, was der Mensch an körperlichen, aber auch geistigen Fähigkeiten erwerben<br />

muss, um sein Leben und die damit verbundenen Prozesse aufrechtzuerhalten. Sie ist eng verknüpft mit einer<br />

Vielzahl von unterschiedlichen Tätigkeiten, die unter das Gesamtkonzept der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens fallen und<br />

deren Art und Weise der Ausführung von den sozialen Umständen abhängen. Hierbei handelt es sich um einen<br />

aktiven Aneignungsprozess im Verlauf <strong>des</strong> menschlichen Lebens, bei dem das Zusammenspiel von Sprache,<br />

menschlichem Vorstellungsvermögen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten ebenso entscheidend ist wie<br />

die Anerkennung der damit verbundenen Leistungen. Es liegt auf der Hand, dass pflegerische Kompetenzen in<br />

einem Umfeld <strong>des</strong> wechselseitigen Vertrauens, <strong>des</strong> gegenseitigen Anerkennens, der emotionalen Verbundenheit<br />

und Verpflichtung (commitment) sich eher ausbilden und kultivieren lassen als in einem <strong>des</strong>interessierten, gefühlskalten<br />

und weniger vertrauenswürdigen Umfeld.<br />

Bei der vorherrschenden gesellschaftlichen ‚Gewohnheit’, das Vorhandensein pflegerischer Fähigkeiten stillschweigend<br />

als gegeben und als jederzeit verfügbar vorauszusetzen, wird der Umstand, dass die damit verbundene<br />

Arbeit der gesellschaftlichen Anerkennung bedarf all zu leicht ausgeblendet. An dieser Stelle möchte ich<br />

die drei Anerkennungsformen ‚Liebe, Recht und Wertschätzung’ aufgreifen, die Axel Honneth (1992) zuerst in<br />

seinem Buch ‚Kampf um Anerkennung’ erarbeitet und in anderen Arbeiten weiter ausgearbeitet hat. Diese auf<br />

Hegels Vorstellungen basierenden Formen der Anerkennung sind nach Honneth für eine ‚ungestörte Selbstbeziehung’<br />

wichtig. Ihnen entsprechen drei Formen der Missachtung, deren Erfahrung jeweils als Handlungsmotiv<br />

in die Entstehung sozialer Konflikte einfließen kann. In den Schriften Meads finden sich ähnlich wie bei Hegel<br />

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