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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

nären Teams zu Spannungen führen 124 . In einem solchen Fall ist es für einen Beruf bzw. eine Profession leichter,<br />

sich der Möglichkeit der Selbsttäuschung hinzugeben, die laut Mitchell (2000: 151)<br />

„aus dem Umstand (entsteht), dass die menschliche Motivation sich in erster Linie durch die Teilnahme eines<br />

Menschen an verschiedenen sozialen Rollen formt, und dass die Gewohnheiten <strong>des</strong> Denkens und Fühlens<br />

durch soziale Transaktionen geformt werden, die nicht immer gut miteinander harmonieren. Wenn man<br />

zögert oder im Zweifel ist, wie man seine eigene Motivation charakterisieren soll, neigen Menschen häufig<br />

dazu, den Weg <strong>des</strong> geringsten psychischen Widerstands zu gehen, d.h. sie wählen die Interpretation, die mit<br />

ihrem idealisierten Selbstbild oder ihrer Identität am besten übereinstimmt. Kulturen, die eine strikte Befolgung<br />

bestimmter Rollen unabhängig davon betonen, wie gut diese in die restliche soziale Welt passen,<br />

schaffen einen fruchtbaren Boden für Selbsttäuschungen, da diese die Menschen ermutigen, aktuelle Motive,<br />

die in bestehende Gewohnheiten und Praktiken eingebettet sind, zugunsten eines populären Ideals zu ignorieren“.<br />

Weiter bieten die ‚generalisierten Anderen’ <strong>des</strong> Alltagslebens dem Selbst der Menschen normalerweise eine Perspektive,<br />

die Wertverpflichtungen beinhaltet (Mitchell 2000: 152). „Doing is believing“ (s. Mitchell 2000: 154).<br />

In ihrer beruflichen Arbeit muss sich eine Pflegekraft mit den Gepflogenheiten <strong>des</strong> Teams und mit den dort akzeptierten<br />

‚verallgemeinerten Anderen’ auseinandersetzen. Sie muss diese ‚assimilieren‘. Hierbei wird Konformität<br />

in Bezug auf die Gruppenstandards etc. in der Regel belohnt, wohingegen eine kritische Haltung eher das<br />

Gegenteil bewirkt. Indem die Gruppendoktrin bestätigt wird, wird auch die Identität <strong>des</strong> jeweiligen Gruppenmitglieds<br />

in der Gruppengemeinschaft aktualisiert.<br />

Zusammenfassend gesagt, können Handlungsgewohnheiten Verhaltensweisen im wahrsten Sinne <strong>des</strong> Wortes<br />

konservieren bzw. fixieren, sie können aber auch die Handlungsmöglichkeiten <strong>des</strong> Einzelnen potenzieren. Auch<br />

wenn es laut Dewey (1922/2007: 20) nicht möglich ist, Gewohnheiten direkt (unmittelbar) zu verändern, besteht<br />

die Möglichkeit, diese indirekt durch die Modifizierung der Bedingungen zu verändern, d.h. durch eine intelligente<br />

Auswahl und durch das Abwägen der Objekte, die unsere Aufmerksamkeit binden und die Erfüllung von<br />

Wünschen beeinflussen. Der Gedanke, dass Gewohnheiten als Kunst im Sinne einer Fähigkeit verstanden werden<br />

können und insofern nach Strauss eine wichtige Ressource darstellen, bedeutet, dass Menschen lernen müssen,<br />

diesen Aspekt menschlichen Handelns zunächst einmal für sich zu erkennen, um ihn dann wertzuschätzen.<br />

Hier ist anzuerkennen, dass ‚Gewohnheiten’ gepflegt, kultiviert und gefördert werden müssen, damit sie die<br />

notwendige Fluidität und Geschmeidigkeit haben, sich in sich ändernden und wandelnden Situationen zu bewähren.<br />

Bezogen auf das Konzept der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens heißt dies, dass die damit verbundenen Gewohnheiten<br />

sich weder im Akkord oder Eilverfahren ausbilden, noch dadurch aufrechterhalten lassen bzw. modifiziert werden<br />

können, dass die Pflegekraft die Ausführung derselben für den zu Pflegenden vollständig übernimmt. Intelligente<br />

Gewohnheiten auszubilden, aufrechtzuerhalten bzw. zu modifizieren setzt die Teilnahme <strong>des</strong> Betroffenen<br />

voraus. Dies ist keine banale, sondern eine anspruchsvolle Aufgabe, die die Anerkennung <strong>des</strong> zu pflegenden<br />

Menschen, seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten einschließlich seiner Lebensumstände <strong>zur</strong> Voraussetzung hat.<br />

Auf diesen Aspekt soll im letzten Teil dieses Kapitels eingegangen werden. Hier geht es um die Anerkennung<br />

der Verschiedenheit und der Einzigartigkeit der handelnden Personen. Das Handeln geschieht in Beziehungen<br />

und in Bezug auf etwas, d.h. auf mehr oder weniger konkrete Handlungsziele.<br />

3.4.4 HANDELN IN BEZIEHUNGEN: ANERKENNUNG UND ERMÄCHTIGUNG ODER MISSACHTUNG<br />

UND ENTMÄCHTIGUNG<br />

Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, dass menschliches Handeln in Beziehungen und in Bezug auf etwas<br />

erfolgt. Es ist im Wesentlichen ein relationales Handeln, das in eine spezifische Situation sowie in einen bestimmten<br />

Kontext eingebettet ist. Im und durch das menschliche Handeln entsteht das Selbst, und es wird hierbei<br />

immer wieder neu rekonstruiert. Pflegerisches Handeln in seinen diversen Formen findet in unterschiedlichen<br />

Situationen, Kontexten und Beziehungskonstellationen statt. Wie gezeigt werden konnte, ist die Fähigkeit <strong>zur</strong><br />

124 Alle Veränderungsprozesse müssen sich mit diesem Thema auseinandersetzen, wenn sie erfolgreich sein wollen.<br />

144

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