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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Hinter der Art, wie wir mit unserem Körper umgehen, ihn pflegen, ausstatten, verschönern, wie wir unsere körperlichen<br />

Fertigkeiten und unsere Ausdauer trainieren, wie wir auf unsere körperliche, psychische und geistige<br />

Leistungsfähigkeit einwirken, verbergen sich Gewohnheiten, die mit Werten besetzt sind und die für die Aufrechterhaltung<br />

<strong>des</strong> Selbst, <strong>des</strong> Selbstkonzepts und Körperbilds wesentlich sind 120 .<br />

Für das pflegerische Handeln verändert das Aufkommen von Krankheit und/oder Pflegebedürftigkeit die Bedingungen<br />

dieses Handelns. In den Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens kommen sowohl die physischen als auch die mentalen<br />

Fähigkeiten und Reaktionen <strong>des</strong> Menschen zum Tragen. Wie bereits erwähnt, läuft ein nicht geringer Anteil dieses<br />

Handelns mit nahezu gewohnheitsmäßiger Mechanik ab, geschieht quasi wie von selbst. Solche ‚Routinehandlungen’,<br />

wie etwa die tägliche Körperpflege oder die Nahrungsaufnahme als Form eines auf sich selbst bezogenen<br />

pflegerischen Handelns werden als selbstverständlich genommen. Sie stellen, anders gesagt, erfolgreiche<br />

Gewohnheiten 121 dar. Hierin liegt auch der Grund, warum die Beschäftigung damit so unwichtig erscheint.<br />

Sie geraten erst in problematischen Situationen ins Bewusstsein, also dann, wenn sie sich im täglichen Handeln<br />

nicht mehr bewähren. Handlungsroutinen und die darin verkörperten Handlungsmuster verweisen zum einen auf<br />

frühere erfolgreiche Antworten auf problematische Handlungssituationen, zum anderen auf gewisse Vorlieben<br />

eines Menschen (Strauss 1993: 195). Bei der Pflege lassen sich Gewohnheiten auch als Zeichen deuten, die genutzt<br />

werden können, um Bedeutungen und Beziehungen herzustellen, was für ein koordiniertes Handeln wichtig<br />

ist. Erst die Beschäftigung mit Gewohnheiten schafft die Möglichkeit, an die pflegerischen Handlungskompetenzen<br />

eines Menschen anzuknüpfen (s. Garrison 2002, auch Pkt. 3.2.2.2).<br />

Wie unter Pkt. 3.3.2 dargestellt, verläuft menschliches Handeln prozesshaft, d.h. in Phasen. In den verschiedenen<br />

Phasen eines Handlungsverlaufs können je nach Situation und Gegebenheit mehr mentale oder mehr physische<br />

Prozesse im Vordergrund stehen. Corbin/ Strauss (1988/1993: 48) zeigen auf, dass der Mensch <strong>zur</strong> Durchführung<br />

einer Handlung auf seinen Körper angewiesen ist und zwar auf einen Körper, der ihm ermöglicht, die mentalen<br />

und physischen Prozesse harmonisch auf die Vollendung <strong>des</strong> Handlungsakts aus<strong>zur</strong>ichten. Bei den sogenannten<br />

‚erfolgreichen Routinen’ ist dies der Fall, wohingegen beim Handeln in neuen Situationen oder bei ungewohnten<br />

Aufgaben die einzelnen Prozesse erst aufeinander abgestimmt werden müssen. Dies erfordert dann<br />

die mehr oder weniger volle Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Handelnden. Die Durchführung einer Handlung kann einfach<br />

oder komplex sein. Sie kann die Einbeziehung einer oder mehrerer Personen erfordern. Sie kann von kurzer oder<br />

langer Dauer sein und sie kann ein mehr oder weniger bestimmtes Ziel verfolgen. Bestimmte Aspekte können<br />

dem Handelnden oder den Beteiligten bewusst oder nicht bewusst sein. Nach Corbin/Strauss (1988/1993: 57/49)<br />

können im Zusammenhang mit einer Handlung (Leistungsfähigkeit/Performance) verschiedene Dimensionen<br />

unterschieden werden:<br />

1. Handeln für sich selbst<br />

2. Handeln für andere<br />

3. Handeln vor anderen<br />

4. Handeln mit anderen<br />

5. Handeln durch andere<br />

6. das äußere Erscheinungsbild der Handlung<br />

7. und das Erscheinungsbild <strong>des</strong> Handelnden.<br />

Diese Dimensionen werden beim Handeln, also bei der Ausübung der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens, auf unterschiedlichste<br />

Art und Weise kombiniert. Erweist sich das Handeln als erfolgreich, wirkt es sich positiv auf das Selbst,<br />

das Selbstkonzept und das Körperbild aus. Ist dies nicht der Fall, werden diese in Frage gestellt und ggf. einer<br />

120<br />

In diese Richtung weisen auch die Bemühungen von Patienten, wenn sie bspw. nach einer Operation an ihre gewohnten<br />

Aktivitäten anknüpfen wollen. Hierbei tasten sie sich in der Regel langsam an ihr gewohntes Leistungsniveau wieder heran.<br />

Es kann aber auch sein, dass sie lernen müssen, dass dies nicht mehr in der gewohnten Weise erreichbar sein wird.<br />

121<br />

Diese Gewohnheiten werden im normalen Handlungsfluss an veränderte Rahmenbedingungen angepasst. Anpassung wird<br />

hier in einem aktiven Sinn verstanden und von einer passiven Anpassung unterschieden. Hierbei kann es sich um geringfügige<br />

Anpassungen handeln, die den Fortgang der Handlung sicherstellen.<br />

142

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