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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

„sind das Ergebnis langer Übungen, welche oft mit kulturellen Werten belegt oder von Ideologie und<br />

technischem Wissen bestimmt sind“ (Strauss 1988: 93).<br />

Werden die Ideen der Pragmatisten ernst genommen, dann enthält – wie oben erwähnt -, jede Handlung neben<br />

routinisierten Aspekten immer auch neue Aspekte. Denn jede Handlungssituation erfordert eine gewisse Anpassung,<br />

und sei es eine geringe. Die routinisierten Handlungsaspekte kann man sich nach Strauss (1993: 194) auch<br />

als Ressourcen vorstellen,<br />

„als eine Ansammlung von Ressourcen, die wörtlich gesprochen in die Handlung eingebaut sind“.<br />

Da sich in den Gewohnheiten eines Menschen seine Art ebenso wie sein Wissen von der Welt darstellt und diese<br />

seine Leistungs- und Handlungsfähigkeit verkörpern, gilt es diese Ressourcen, mit Blick auf die pflegerische<br />

Handlungsfähigkeit eines Menschen im wahrsten Sinne <strong>des</strong> Wortes zu entdecken! Sich neue Gewohnheiten anzueignen<br />

ist etwas Positives, weil es neue Möglichkeiten eröffnet. Es beinhaltet eine Befähigung und eine Erweiterung<br />

der Leistungsfähigkeit 115 . Wichtig sind hierbei, wie Strauss betont, die Bedingungen <strong>des</strong> Handelns. Sie<br />

sind Eckdaten <strong>des</strong>sen, was möglich ist. Sie bestimmen in gewisser Weise die Spezifität <strong>des</strong> Handelns. Sie können<br />

im Handelnden selber liegen (z.B. körperlicher Zustand, sein Vorstellungsvermögen), aber auch durch äußere<br />

Faktoren bestimmt sein, etwa ob die Pflege in der gewohnten oder in einer fremden Umgebung erfolgt. Diese<br />

verschiedenen Bedingungen können in einer Handlungssituation die Balance zwischen Routine und Nichtroutine<br />

ändern. Der Mensch hat laut Mead (SW: 129) in einer Situation unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. Es<br />

besteht die Möglichkeit der Auswahl von Gewohnheiten. Wie er/sie auf eine bestimmte Situation reagiert, hängt<br />

von der selektiven Fähigkeit <strong>des</strong> Vorstellungsvermögens eines Menschen ab, von der Vertrautheit mit einer Situation,<br />

von der eigenen Geschicklichkeit und Beweglichkeit im geistigen, psychischen und physischen Sinn (s.<br />

auch Dewey 1993: 73). Die Bedeutung, die sozialen und kulturellen Faktoren bei der Ausbildung und Veränderung<br />

von Gewohnheiten zukommt, ist insbesondere in Bezug auf Gender nicht zu unterschätzen. Vergeschlechtlichtes<br />

Verhalten oder Vorstellungen davon münden in unsere Gewohnheiten, insbesondere die körperlichen, mit<br />

ein (s. Sullivan 2001: 92f). Hiervon ist auch das pflegerische Handeln 116 betroffen.<br />

Pflegerisches Handeln ist auf das Selbst <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen wie auch auf den Körper gerichtet. Unter<br />

Pkt. 3.3.1.2 ist auf die Bedeutung <strong>des</strong> Körpers für das menschliche Handeln schon eingegangen worden. Hier<br />

soll dieser Faden wieder aufgenommen werden. Zeitgenössische und historische Untersuchungen zum Körper<br />

und zu krankheitsbedingten Veränderungen <strong>des</strong> Körperbilds 117 zeigen, dass dem gesellschaftlichen Stellenwert,<br />

der dem Körper beigemessen wird, eine zentrale Rolle zukommt. Diese Wertschätzung vermittelt sich in den Beziehungen<br />

der Menschen zueinander und wirkt sich auf das unmittelbare Handeln und somit auf die einzelnen<br />

Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens mehr oder weniger stark aus. Das bedeutet, dass die Haltung, die ein Mensch zu den einzelnen<br />

Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens einnimmt, neben der kognitiven auch eine emotionale Seite hat, die sich in bestimmten<br />

Handlungsmustern niederschlägt 118 . Die Sicherheit, mit der ein Mensch die in den Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens<br />

wiederkehrenden Gewohnheiten oder Handlungen im Sinne spezifischer Handlungsmuster ausführt, unterliegt,<br />

wie oben angedeutet, Bedingungen – in diesem Fall gewissen Schwankungen (nach Tagesform, Tageszeit,<br />

Rhythmus) und ist an die jeweilige Situation gebunden. Dieses kann zu einer Abweichung von der gewohnten<br />

115<br />

Sullivan (2001: 92) bringt das Beispiel <strong>des</strong> Autofahrens und die Fähigkeit, in ‚Stöckelschuhen’ zu gehen. Sie will darauf<br />

hinaus, dass Gewohnheiten Veränderungen unterliegen, d.h. sie können transformiert werden.<br />

116<br />

Bei der Diskussion der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens, unter die auch die Aktivität ‚seine Geschlechtlichkeit leben’ zählt, ist mir<br />

in einem Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren in den unterschiedlichsten Gruppenzusammenhängen immer wieder aufgefallen,<br />

dass diese Aktivität spontan nicht thematisiert wird.<br />

117<br />

Zu ersterem siehe bspw. Featherstone/Hepworth/Turner 1991, Kamper/Wulf 1982, Martin/ Gutman/Hutton 1988, O’Neill<br />

1990, Gugutzer 2002, Stockmeyer 2004, zum zweiten Punkt siehe Deeny/McCrea 1991, Kesselring 1990, Morse/Johnson<br />

1991, Newell 1991, 2000, Price 1990, Sacks 1989, Salter 1997, Uschok 2008<br />

118<br />

Mitchell (2000: 149) erwähnt das Toilettentraining <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>. Hierbei eignen sich Kinder eine bestimmte Abneigung gegenüber<br />

ihren Ausscheidungen an, sie assoziieren sie mit Dreck, Gestank etc.. Weiter lernen sie intellektuell, was Ausscheiden<br />

bedeutet und über welche Fähigkeiten sie dabei verfügen müssen, was alles dazu gehört und was nicht. Die damit verbundenen<br />

Aktivitäten sind kulturell geformt und werden entsprechend kultiviert.<br />

140

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