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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Mead (GA II 57; PA: 68) geht von einer gegebenen unbestrittenen Welt aus oder, wie er sagt, von ‚a world that<br />

is there’. In dieser Welt findet das menschliche Handeln statt und in diesem zeigt sich wiederum die ganze<br />

menschliche Intelligenz, die nicht nur in geistiger oder gedanklicher Form zum Ausdruck gebracht wird. Nach<br />

Mead weisen weder erworbene und angeeignete menschliche Gewohnheiten ein Verhalten aus, das die damit<br />

verbundenen geistigen Operationen offenlegt, noch findet ein Großteil <strong>des</strong> unmittelbaren Schlussfolgerns im Bereich,<br />

<strong>des</strong> Denkens statt. Baldwin (2002: 85) liefert das Beispiel eines Menschen, der auf der Straße von einem<br />

anderen nach dem Weg gefragt wird. Eine natürliche Reaktion bestehe darin, mit der Hand die Richtung anzuzeigen.<br />

Dieses Vorgehen ist normalerweise unproblematisch. Stellt sich jedoch heraus, dass der Fragende blind<br />

ist, dann ist diese Art der Richtungsbeschreibung nicht situationsangemessen und muss durch eine andere ersetzt<br />

werden.<br />

Mead und Dewey betonen, dass menschliches Handeln auf Gewohnheiten, persönlichen, sozialen und institutionalisierten<br />

110 beruht. In Anlehnung an Dewey betont Garrison (2002: 12S) drei wichtige Aspekte von Gewohnheiten:<br />

1. „Gewohnheiten sind soziale Funktionen.<br />

2. Gewohnheiten sind eine zweite Natur, die unter normalen Umständen genau so mächtig und zwingend<br />

sein kann wie die erste.<br />

3. Gewohnheiten erfordern die Kooperation mit der Umwelt“.<br />

Was den ersten Aspekt betrifft, können Gewohnheiten nach Dewey (1922/2007: 14f) mit physiologischen Funktionen<br />

wie dem Atmen verglichen werden. Allerdings handelt es sich um sozial erworbene Funktionen, die dem<br />

Menschen ermöglichen, seine Umwelt zu nutzen und diese beim Handeln mit einzubeziehen. Gewohnheiten stellen<br />

eine Form von ‚Kunstfertigkeit’ dar, insofern sie<br />

„Fertigkeiten der sensorischen und motorischen Organe erfordern, Geschicklichkeit und objektive Materialien.<br />

Sie assimilieren objektive Energien, und sie treten in die Herrschaft der Umwelt ein. Sie erfordern<br />

Ordnung, Disziplin und offensichtliche Techniken. Sie haben einen Beginn, eine Mitte und ein Ende. Jede<br />

Phase markiert einen Fortschritt durch den Umgang mit Materialien und Werkzeugen beim Fortschreiten<br />

der Verarbeitung der Materialien für den aktiven Gebrauch (Dewey 1922/2007: 15).“<br />

Gewohnheiten haben eine lebendige Funktion. Sie sind Mittel zum Zweck, d.h. <strong>zur</strong> Lebenserhaltung. Sie bilden<br />

sich im Rahmen der Sozialisation und in der aktiven Auseinandersetzung <strong>des</strong> Menschen mit seiner Umwelt aus.<br />

Sie sind im Handlungsfluss verankert und ermöglichen nach Mead eine gewisse ‚Handlungsökonomie’ (s. SW:<br />

127; GA I: 215, Dewey 1993: 73). Erst eine Störung <strong>des</strong> Handlungsflusses lässt den Menschen innehalten. Dies<br />

bedeutet, dass unsere<br />

„Gefühle und Ideen, die der ‚Stoff’ von Gedanken und Zielen sind, gleichermaßen durch Gewohnheiten<br />

(beeinflusst werden), die in Handlungen manifest werden, die wiederum die Quelle von Gefühlen und Bedeutungen<br />

sind“ (Dewey 1922/2007: 31).<br />

In unseren Gewohnheiten und Gepflogenheiten, d.h. in der Art und Weise wie wir uns bewegen, wie wir sprechen,<br />

wie wir unterschiedliche Aufgaben angehen, oder wie wir denken, verdichten sich nach Mitchell (2000:<br />

147) sozusagen die gesamten Transaktionen eines Menschen und seiner Umwelt. Wird dies auf das Konzept der<br />

‚Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens’ bezogen, dann liegt auf der Hand, dass die mit den einzelnen Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens<br />

verbundenen Gewohnheiten nicht nur beim einzelnen Menschen, sondern auch zwischen den Menschen eine außerordentliche<br />

Spannbreite und Vielfalt aufweisen können. Nach Dewey sind Gewohnheiten mit der Wirkungsweise<br />

eines Filters vergleichbar, der<br />

„ […] alles Material, das unsere Wahrnehmung und unser Denken erreicht [filtert]. Dieser Filter ist jedoch<br />

nicht chemisch rein. Er ist eine Gegenkraft, die neue Qualitäten hinzufügt und das, was aufgenommen wird,<br />

neu arrangiert. Unsere Ideen wiederum sind von Erfahrungen abhängig, ebenso wie unsere Gefühle/Empfindungen.<br />

Und die Erfahrungen, von denen beide abhängig sind, sind die Funktionsweise von Ge-<br />

110<br />

Wie Baldwin (1992: 259) feststellt, war sich Mead bewusst, dass Gewohnheiten oftmals adaptiver Art sind und dass diese<br />

Form <strong>des</strong> intelligenten Handelns nicht auf der Basis <strong>des</strong> bewussten Denkens beruht.<br />

136

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