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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

fördert oder entmutigt wird und welche Faktoren (inkl. Gender, aber nicht darauf begrenzt) Teil dieser verschiedenen<br />

Kontexte sind.<br />

Kreativität wird sowohl als eine kognitive wie demokratische Aktivität verstanden; in der sich die menschliche<br />

Fähigkeit <strong>des</strong> reflektierenden Denkens und Problemlösens verkörpert. Sie ist im menschlichen Handeln verankert<br />

und als solche weder auf KünstlerInnen, Genies oder ForscherInnen beschränkt 106 . Individuelle und soziale<br />

Kreativität sind zwei verschiedene Phasen <strong>des</strong> gleichen Prozesses, in dem originelle und innovative Lösungen<br />

individueller Fragen und der von Gruppen vorgestellt werden. In der Pflege ist nicht nur individuelle Kreativität<br />

gefordert, sondern, bezogen auf die Arbeitswelt, insbesondere auch eine kollektive Kreativität. Die berufliche/professionelle<br />

Pflege findet im Kontext intra- und interdisziplinärer Arbeit statt. Auch hier kann die Idee der<br />

‚Arbeitshypothesen’ Anwendung finden. Laut Forte (2002) konzeptualisieren interdisziplinäre Teams ihre Arbeit<br />

durch die Verwendung verschiedener theoretischer Orientierungen 107 . Die Frage ist, inwieweit es den Teammitgliedern<br />

gelingt, Mittel <strong>zur</strong> Übersetzung ihrer theoretischen Orientierungen in eine gemeinsam geteilte Sprache<br />

zu finden. Mead & Addams gingen nach Forte (2002: 323) von einer dritten Haltung (neutrale Sprache als Brücke<br />

zwischen den verschiedenen Sprachen) in Bezug auf die sozialen Differenzen aus, mit denen sie in Chicago<br />

konfrontiert waren. Er ist der Auffassung, dass die von Mead & Addams geleistete innovative Arbeit an einer<br />

grenzenüberschreitenden Übersetzung auch auf heutige Teamarbeit bezogen werden kann. Auf diesen Aspekt<br />

soll im dritten Teil dieser Arbeit eingegangen werden. Nachdem in diesem Abschnitt kreative Handlungsweisen<br />

im Mittelpunkt standen, geht es im nächsten um das gewohnheitsmäßige Handeln in seinen unterschiedlichen<br />

Ausprägungen.<br />

3.4.3 HANDLUNGSROUTINEN: SELBST, SELBSTKONZEPT UND KÖRPERBILD BEIM HANDELN<br />

Handlungsroutinen 108 oder anders formuliert Gewohnheiten sind nicht ohne den Körper denkbar (s. auch Pkt.<br />

3.2.1.2). Das Handlungsschema der Pragmatisten in seinen unterschiedlichen Ausprägungen geht davon aus,<br />

dass das fortlaufende Handeln im Wesentlichen in Routinen verkörpert ist. Es lässt sich auf einem Kontinuum<br />

von hoch modifizierbar bis hoch unmodifizierbar ansiedeln. Welche Form das tatsächliche Handeln hat, ist nach<br />

Baldwin (2002: 66) eine empirische Frage. So unterscheidet Mead zwischen unmittelbarem Handeln, Versuchund-Irrtum-Handeln<br />

und reflexivem Handeln (s. auch Pkt. 3.3.1 + 3.3.2). Gewohnheitsmäßiges und reflexives<br />

Handeln stellen für Mead unterschiedliche, gleichwohl aufeinander bezogene und miteinander vereinbare Prozesse<br />

menschlichen Handelns dar (s. Baldwin 1992: 259). Was wir heute eher als ‚Routinehandeln’ bezeichnen,<br />

wurde laut Strauss 109 (1991a: 23) von den nachfolgenden, an diese Tradition anknüpfenden Generationen zunehmend<br />

vernachlässigt. Mead und Dewey haben sich mit dieser Form <strong>des</strong> Handelns auseinandergesetzt und<br />

sind dabei der Frage nachgegangen, wie eine Integration von Routine und Neuem im Handeln erreicht werden<br />

kann. Ihre Arbeiten und die Weiterentwicklung dieser Gedanken durch Strauss liefern wichtige Anhaltspunkte<br />

für die handlungstheoretische Reformulierung <strong>des</strong> RLT-Modells, da den menschlichen Gewohnheiten eine herausragende<br />

Rolle im Konzept der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens zukommt. In diesem Abschnitt soll der Funktion von<br />

Gewohnheiten im menschlichen Handeln sowie in den verschiedenen Formen pflegerischen Handelns nachgegangen<br />

werden. Hierbei werden die Begriffe ‚Routinen’ und ‚Gewohnheiten’ synonym benutzt.<br />

106<br />

Auf die Bedeutung <strong>des</strong> Spiels für das menschliche Handeln habe ich bereits unter Pkt. 3.2.2.2 hingewiesen. Gesellschaftliche<br />

Kreativität verweist u.a. auf die Anpassungsfähigkeit der Gesellschaft und ihrer Mitglieder an sich ändernde Situationen<br />

und Umstände. Die von einer Gesellschaft verfolgten Werte, die im gesamtgesellschaftlichen ‚Me‘ repräsentiert sind, können<br />

in Extremsituationen dazu führen, dass der Mensch bereit ist, sich für diese aufzuopfern (s. MSS: 214; GIG: 258).<br />

107<br />

Forte zitiert hier Siporin, wonach eine theoretische Orientierung für den Praktiker eine Struktur bestehend aus explizten<br />

Theorien, Konzepten, Prinzipien, Prozeduren und Prozessen <strong>des</strong> Inkraftsetzens eines Wissensbereichs ist.<br />

108<br />

Der Begriff Routine meint u.a. Übung, Gewandtheit, Gewohnheit, regelmäßig stattfindend.<br />

109<br />

Eine Ausnahme bilden laut Strauss (1991a) die Arbeiten Goffmans. Strauss (1993) selbst hat sich in seinen letzten Lebensjahren<br />

mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt. Shannon Sullivan (2001) hat sich mit diesem Thema aus feministischer<br />

Sicht befasst und sich dabei vor allem auf Dewey gestützt.<br />

135

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