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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

nen, weil man im Anderen nur die eigenen Probleme sieht, bzw. der Andere für einen die Chance darstellt, etwas<br />

Gutes zu tun.<br />

Das pragmatistische Experimentieren, bei Mead ausgedrückt in der ‚Arbeitshypothese’ und bei Dewey im Experiment,<br />

ist transaktiv (s. Seigfried 1996: 57). Es ändert die Untersuchenden und das untersuchte Objekt. In diesem<br />

Sinne wurden die von den Pragmatisten angestoßenen sozialen Reformen nicht einfach bedürftigen passiven<br />

Menschen übergestülpt. Ihre leitende Idee war im Gegenteil, dass soziale Reformen aus den eigenen Erfahrungen<br />

betroffener Menschen entstehen und geleitet sein sollten von kritischer Reflexion, Projektion und Inkraftsetzen<br />

sowie Revidieren von Vorschlägen, Ideen, Theorien basierend auf aktuellen Resultaten. Ein unverwechselbares<br />

Merkmal <strong>des</strong> pragmatistischen Feminismus besteht in der kontinuierlichen Verknüpfung von Kooperation<br />

und Experiementieren. Als Beispiel werden von Seigfried (1996: 61f) Clapp et al. zitiert, wonach Änderungen<br />

im Leben und beim Lernen nicht durch das Vorenthalten von Informationen erzeugt werden können oder durch<br />

das Sammeln von statistischen Daten. Das gehe nur durch das Schaffen mit, durch und für die Menschen. Die<br />

pragmatistisch inspirierten Frauen nutzten den hier vertretenen Ansatz <strong>des</strong> Problemlösens, indem sie ihr Wissen<br />

den ärmsten und schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft <strong>zur</strong> Verfügung stellten, ohne dabei in die Falle einer<br />

bevormundenden Haltung zu laufen (s. Seigfried 1996: 199). D.h. sie revidierten ihre Vorschläge <strong>zur</strong> Verbesserung<br />

der Lage der Menschen, für die sie und mit denen sie arbeiteten, wenn sie feststellten, dass sie keine Verbesserungen<br />

brachten. Seigfried behauptet, dass die von den Frauen eingesetzte experimentelle Methode wörtlich<br />

gesprochen eine Methode <strong>des</strong> Lernens aus Fehlern war. So war die von Addams beschriebene Methode nicht<br />

einfach nur ein Stückwerk bestehend aus Versuch und Irrtum. Sie war vielmehr der Ausdruck eines pragmatischen<br />

feministischen Bezugsrahmens, infomiert von ihrer bewussten Intention, ‚vergangene Erfahrungen zu erhalten<br />

und zu nutzen’. Intellellektuelle Einsicht wurde mit der moralischen Wahrnehmung <strong>des</strong>sen kombiniert,<br />

was immer notwendig ist, um neue Methoden zu entdecken vermittels derer menschlichen Erfordernissen entsprochen<br />

werden kann, um „unabhängig davon, wie anstrengend dieses ist, die innere Zustimmung aller Betroffenen<br />

und insbesondere derjenigen zu finden, auf die die Maßnahmen in der gegenwärtigen Situation so rau<br />

lasten“, und zwar anstelle von Top-down Strategien und um die Wahrheit durch das Handeln einem letzten Test<br />

auszusetzen (Seigfried 1996: 200).<br />

Nach McKenna (2002) setzten sich Addams und Gilman für eine soziale, auf reziproke Beziehungen abstellende<br />

Ethik anstelle einer individualistischen Ethik ein. Ihre Vorstellungen wurden von Dewey aufgegriffen und finden<br />

ihren Niederschlag in der Idee eines integrierten Selbst, d.h., eines dynamischen und in Beziehung zu und mit<br />

anderen Menschen stehenden Selbst. McKenna erachtet ein solches Selbst als hilfreich für eine Transformation<br />

einer auf Regeln und Prinzipien basierenden Ethik hin zu einer Ethik, die ihren Fokus auf die Entwicklung eines<br />

Gefühls für das eigene Selbst als ein dynamisches und in Beziehungen stehen<strong>des</strong> Wesen lenkt. Dieses Selbst hat<br />

jedoch gewisse Grenzen, insofern Dewey die Dauerhaftigkeit der sozialen Macht unterschätzt hat, die in unseren<br />

Gewohnheiten in Bezug auf Rasse, Klasse und Geschlecht fest verwurzelt ist. Die in Beziehungen zum Tragen<br />

kommende Herrschaft und Unterordnung kann das Selbst eines Menschen beschädigen, weshalb es erforderlich<br />

ist, die Art und Weise, wie wir miteinander in Beziehung treten, zu überprüfen. Das von Dewey angestrebte integrierte<br />

Selbst erfordert nach McKenna (2002: 156) eine radikale Umstellung der Formen unseres Miteinanderin-Beziehung-Tretens.<br />

Diese wiederum impliziert ein Überwinden von vergeschlechlichten und nicht integrierten<br />

Selbsten und eine damit einhergehende Überwindung von Dichotomien wie männlich/weiblich, was einer Neuerfindung<br />

gleichkommt. In diese Richtung weist auch Seigfried (1996: 210), wonach es Frauen nur durch eine Dezentrierung<br />

<strong>des</strong> Vergeschlechtlichens der Care-Ethik möglich sein wird, das Korsett einer patriarchalen Gesellschaft<br />

abzustreifen und neue Werte zu behaupten. Mit Blick auf eine Care-Ethik plädiert sie für eine Pluralität<br />

der Stimmen und schlägt vor, die Entwicklungskontexte zu untersuchen, die zu einer Betonung von Pflege/Care<br />

und jene, die zu einer Betonung abstrakter Prinzipien führen, sodann wie die eine oder andere Orientierung ge-<br />

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