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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

von Davies vorgeschlagenen Weise als kulturellen Code zu verwenden, d.h. als Ressource, als Beziehung und als<br />

Handeln, womit erneut eine Brücke zum pragmatistischen Verständnis von Handeln geschlagen werden kann.<br />

Im Folgenden soll das Meadsche Handlungsverständnis mit Blick auf das pflegerische Handeln anhand zweier<br />

weiterer Handlungsformen, <strong>des</strong> kreativen und <strong>des</strong> habituellen oder gewohnheitsmäßigen Handelns betrachtet<br />

werden. Beide sind für die Pflege von Bedeutung.<br />

3.4.2 KREATIVES HANDELN: EXPERIMENTELLES UND PROBLEMLÖSENDES HANDELN<br />

Die Menschen erschließen sich die Welt, indem sie handeln. Kreatives Handeln ist experimentelles und problemlösen<strong>des</strong><br />

Handeln (Joas 1992a: 194f). Kreativität wird von den Pragmatisten im Handeln <strong>des</strong> Menschen in seiner<br />

natürlichen und sozialen Umwelt verankert. Mead untersucht das menschliche Handeln in unterschiedlichen Situationen<br />

und an unterschiedlichen Phänomenen, im Spiel, in der Arbeit, in der Kunst (s. Pkt. 3.2.2). Hierbei<br />

kommt dem Körper <strong>des</strong> Menschen sowie der Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme zentrale Bedeutung zu. Für Mead<br />

wie Dewey 95 stellte<br />

„das Experiment den anschaulichsten Fall einer Überwindung von Handlungsproblemen durch die Erfindung<br />

neuer Handlungsmöglichkeiten dar. Für sie hatte die Fähigkeit <strong>zur</strong> Erfindung oder Kreativität den kontrollierten<br />

Umgang mit der Handlungsform <strong>des</strong> Spiels, einem ‚Durchspielen’ alternativer Handlungsvollzüge,<br />

<strong>zur</strong> Voraussetzung“ (Joas 1992b: 295).<br />

Meads (PA: 89) Verständnis von Kreativität als Bestandteil <strong>des</strong> menschlichen Handelns ist für die Pflege von<br />

außerordentlichem Reiz. Die zentrale Bedeutung seiner Kreativitätsidee kann an der Struktur <strong>des</strong> Selbst abgelesen<br />

werden, d.h. am ‚I’, das als Quelle nicht-antizipierter Spontaneitäten gedacht wird. Diese überraschen den<br />

Handelnden ebenso wie seine Partner (s. Joas 1992a: 202). Ganz allgemein setzt Kreativität dort ein, wo Menschen<br />

in ihrem alltäglichen Handeln auf Probleme stoßen. In solchen Fällen ist der normale Handlungsfluss unterbrochen<br />

und der Mensch ist aufgefordert, sich der Situation zu stellen und nach Lösungswegen zu suchen,<br />

damit die begonnene Handlung fortgesetzt werden kann. Hierbei geht es um den alltäglichen Umgang mit unerwartet<br />

Widerfahrendem. Im Alltag kommt es wie in pflegerischen Situationen immer wieder vor, dass sich Ziele<br />

als unerreichbar erweisen oder erreichbare Ziele von anderen Handelnden in Zweifel gezogen werden. In solchen<br />

Problemkonstellationen muss der Fortgang <strong>des</strong> unterbrochenen Handlungsflusses neu bestimmt werden. Hierbei<br />

bietet sich dem Handelnden nicht nur eine Möglichkeit. Vielmehr beinhalten problematische Situationen einen<br />

ganzen Horizont von Möglichkeiten, die in der Krise <strong>des</strong> Handelns neu erschlossen werden müssen (s. Joas<br />

1992a: 196).<br />

Erste Vorstellungen 96 , wie problematische Handlungssituationen gemeistert werden können, entwickelt Mead in<br />

seinem 1899 veröffentlichen Aufsatz ‚The Working Hypothesis in Social Reform’. Ausgangspunkt seiner Überlegungen<br />

zu Arbeitshypothesen ist die Arbeit eines experimentell arbeitenden Wissenschaftlers im Labor und<br />

seine hierbei eingenommene Arbeitshaltung Diese Arbeitsweise und die mit ihr verbundene Arbeitshaltung kann<br />

auch auf den Umgang mit Problemen im täglichen Leben (s. hierzu auch Corbin /Strauss 2008: 3) sowie auf das<br />

reflektierende Denken übertragen werden (s. z.B. PA, GAII). Nach Meads Verständnis <strong>des</strong> menschlichen Handelns,<br />

einem hochgradig unbestimmten und im Wesentlichen zumeist nicht im Vorhinein determinierten, sondern<br />

kontingenten Handeln (s. Joas/Knöbl 2004: 200), müssen wir bei der Bewältigung sozialer Probleme immer<br />

mit dem Unerwarteten rechnen (Mead 1899: 369; GA II: 366). Die Haltung, mit der man sich diesen Problemen<br />

nähern sollte, kann nicht darin bestehen, jede zukünftige Bedingung, von der die gesellschaftliche Entwicklung<br />

abhängt, prognostizieren zu wollen, um dann entsprechend sein Verhalten zu steuern. Bei einer solcher Heran-<br />

95<br />

Auch Dewey hat sich intensiv mit dem Spiel und der Kunst auseinandergesetzt (s. bspw. Dewey 1922/2007; 1988, 1995).<br />

96<br />

Die hier entwickelten Ideen waren offensichtlich handlungsleitend in seiner weiteren wissenschaftlichen sowie in seiner<br />

sozialreformerischen Arbeit in Chicago (s. SW, Deegan 1987, /2001a, b, Carreira da Silva 2007, 2008).<br />

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