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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

ren und Gruppen erst geschehen kann, wenn Pflegekräfte Andere anerkennen, respektieren und ihre Fähigkeiten<br />

und Stärken wertschätzen sowie diese in die Planung und Umsetzung einer gewünschten Veränderung einbeziehen.<br />

Eine weitere Strategie war, dass der Andere nicht nur auf der Basis seines Bedarfs an Gesundheitsdienstleistungen,<br />

der Nutzung derselben oder <strong>des</strong> Niveaus seiner Vulnerablität definiert, sondern als jemand verstanden<br />

wurde, von dem und mit dem Gesundheitsberufe etwas lernen können.<br />

Ausschließende und einschließende Prozesse <strong>des</strong> Othering existieren in der Beziehung Selbst-Andere nebeneinander.<br />

Deshalb ist die Frage zu klären, welche dieser Prozesse in sozialen Beziehungen die dominierenden und<br />

welche die unterlegenen sind. Mit Blick auf die Pflege plädiert Canales (2000: 28f) dafür, sich für den Einsatz<br />

einschließender Praktiken <strong>des</strong> Othering einzusetzen. Dieser Aspekt soll an anderer Stelle noch einmal aufgegriffen<br />

werden.<br />

Die Kategorie ‚Geschlecht’ ist vielfach Ausgangspunkt und Gegenstand der beschriebenen Othering-Prozesse.<br />

Um die damit verbundenen ausschließenden Prozesse überwinden zu können, nutze ich diese im Weiteren als<br />

analytische Kategorie in Anlehnung an Celia Davies (1995a) 94 , die den Fokus auf das Geschlecht, den Genus,<br />

und weniger auf Frauen und Männer als real existierende Menschen lenkt. Davies versuchte, Männlichkeit und<br />

Weiblichkeit als ‚cultural co<strong>des</strong>’ zu verstehen,<br />

„als Repräsentation von Geschlecht, wobei das Geschlecht in einem kulturellen Sinn schon unsere frühesten<br />

Erfahrungen durchzieht und so unser Gefühl von Identität formt. Das Geschlecht [...] formt die Art und<br />

Weise, wie wir uns auf andere beziehen und strukturiert soziale Institutionen – nicht nur jene in Bezug auf<br />

Familie, Sexualität und Reproduktion, sondern auch jene, die scheinbar geschlechtsneutral sind und im öffentlichen<br />

Bereich der Arbeit und der Politik wirksam werden. [...]“ (Davies 1995a: 21).<br />

In dieser Bestimmung von Geschlecht als ‚kulturellem Code’, verweist die analytische Kategorie Geschlecht<br />

gleichzeitig auf eine Ressource, eine Beziehung sowie auf ein Handeln (s. Davies 2000b: 345f). Auf das Geschlecht<br />

als kulturellen Code beziehen wir uns häufig unwissentlich in unserem täglichen Handeln in den unterschiedlichsten<br />

sozialen Beziehungen und an unterschiedlichen Orten (s. Stone). Mit Blick auf das pflegerische<br />

Handeln ist es wichtig, die Kategorie Geschlecht auf die verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen und Institutionen<br />

zu beziehen, um deren Wirkung<br />

• bei der Herstellung von Identität<br />

• bei der Repräsentation<br />

• bei der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen<br />

• in Bezug auf die Funktionsweise bzw. Logik von Organisation und damit auf der Ebene organisatorischen<br />

Handelns<br />

• in den Tiefenstrukturen von Institutionen<br />

nachvollziehen und verstehen zu können (s. Davies 1995: 36, 2000b: 345), und um herauszuarbeiten, welchen<br />

Einfluss diese Kategorie auf die Herausbildung und Weiterentwicklung notwendiger pflegerischer Handlungskompetenzen<br />

hat. Erste Ansätze in diese Richtung hat Canales (2004) unternommen. Am Beispiel amerikanischer<br />

Indianerfrauen untersuchte sie deren Fähigkeiten, sich selbst zu pflegen oder für sich selbst zu sorgen, und<br />

welchen Einfluss diese Fähigkeit auf Entscheidungen bezüglich ihrer Gesundheitsversorgung hat. Anknüpfend<br />

an das Meadsche Bild der ‚Gebärmutter’ sind beide Geschlechter und die Gesellschaft als ganze dafür verantwortlich,<br />

dass der nachkommenden Generation die Möglichkeiten gegeben wird, ihre Potenzialiäten im Sinne<br />

<strong>des</strong> gesellschaftlichen Ganzen zu entwickeln. In diesem Sinne ist es wichtig, die Kategorie ‚Geschlecht’ in der<br />

94<br />

Davies hat anhand ihrer Auseinandersetzung mit der Pflege als Profession deutlich gemacht hat, dass die Art, wie diese<br />

Kategorie bei der Analyse der Pflegearbeit zum Einsatz kommt, Einfluss auf die jeweiligen Erkenntnisse hat. Es bedurfte einer<br />

entschiedenen Richtungsänderung ihres Denkens und ihrer Herangehensweise, um über Bekanntes hinaus zu gelangen. In<br />

Anlehnung an Joan Acker geht Davies davon aus, dass alle sozialen Beziehungen vergeschlechtlicht (gendered) sind. Sie<br />

knüpft damit an zentrale Erkenntnisse der feministischen Theorie und Forschung an.<br />

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