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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Rollenübernahme. Die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme ist für sie unabdingbar, um die umgebende Welt aus der<br />

Perspektive Anderer überhaupt verstehen und um miteinander interagieren zu können. Sie kritisiert, dass Othering<br />

vielfach nur als ausschließender Prozess untersucht worden ist, wohingegen das Potenzial einschließender<br />

Prozesse eher zu kurz kommt. Ein Verständnis dieser Prozesse sei aber in Hinblick auf das Empowerment wichtig.<br />

Nach Canales (2000: 19) finden die ausschließenden und einschließenden Othering-Prozesse in Kontexten<br />

von Macht und in Machtbeziehungen statt. Sie fasst Prozesse <strong>des</strong> ausschließenden Othering begrifflich so, dass<br />

hierbei Macht innerhalb von Beziehungen zum Zwecke von Herrschaft und Unterordnung benutzt wird mit den<br />

entsprechenden Folgen für die beherrschten und dominierten Gruppen. Sie nennt u.a. Entfremdung, Marginalisierung,<br />

geringe Chancen und weist auf negative Folgen solcher Auschlusspraktiken im Bereich der Gesundheitsversorgung<br />

hin. Diese können negative Konsequenzen für die betroffenen Menschen in Hinblick auf ihre<br />

Entwicklung, ihre Selbstwertschätzung und in Bezug auf die Förderung und Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit<br />

haben (s. auch Johnson et al. 2004, Canales 1997). Prozesse <strong>des</strong> Einschließens versteht sie als Versuch, Macht<br />

innerhalb von Beziehungen <strong>zur</strong> Transformation und <strong>zur</strong> Bildung von Koalitionen zu nutzen. Die damit verbundenen<br />

Folgen einschließender Erfahrungen können <strong>zur</strong> Hebung <strong>des</strong> Bewusstseins, zu einem Gemeinschaftsgefühl,<br />

<strong>zur</strong> geteilten Macht und der Erfahrug <strong>des</strong> Einbezogenseins führen (s. Canales 2000: 20). Beide Prozesse<br />

sind miteinander verwoben. Es handelt sich nicht um dichotome Prozesse. Bezogen auf die berufliche Pflege<br />

kommt Canales (2000: 23) zu dem Ergebnis, dass Prozesse <strong>des</strong> ausschließenden Othering zum Tragen kommen,<br />

wenn bei Pflegekräften die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme in Bezug auf die Anderen, die von ihnen gepflegt<br />

werden, versagt bzw. misslingt - unabhängig davon, ob es sich um KollegInnen, PatientInnen oder andere Menschen<br />

handelt. Eine ‚misslungene Rollenübernahme’ kann sein:<br />

1. „eine unangemessene Rollenübernahme wie eine Missinterpretation der Handlungen eines anderen<br />

2. eine verfinsterte/bedeckte (eclipsed) Rollenübernahme, bei der nur das gehört wird, was einem selbst<br />

vertraut ist oder was mit dem eigenen Denken konsistent ist<br />

3. ein Widerstand in Bezug auf Rollenübernahme, indem nicht versucht wird, auf eine andere als die eigene<br />

Stimme zu hören“ (ebenda).<br />

Eine Folge einer misslungenen Rollenübernahme besteht etwa darin, dass Pflegekräfte ihr Handeln an Stereotypen<br />

und Mythen orientieren und nicht an einem Verständnis der Perspektive <strong>des</strong> Anderen.<br />

Einschließende Prozesse <strong>des</strong> Othering unterscheiden sich von ausschließenden dadurch, wie Macht in sozialen<br />

Beziehungen eingesetzt wird. Canales (2000: 25) geht davon aus, dass transformative, d.h. umgestaltende<br />

menschliche Beziehungen nicht ohne den Gebrauch der menschlichen Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme entstehen<br />

können. Ihr zufolge können Pflegekräfte ihr Handeln erst dann am Anderen orientieren, wenn sie in der Lage<br />

sind, die Rolle <strong>des</strong> Anderen zu übernehmen. Um die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme und Prozesse <strong>des</strong> einschließenden<br />

Othering noch plastischer zu machen, greift sie den Begriff <strong>des</strong> ‚world-traveling’ von Luones auf. Dieser<br />

Begriff beschreibt auf anschauliche Weise die Notwendigkeit, dass ich, wenn ich in eine andere Welt reise, mich<br />

mit dieser identifizieren muss, um zu verstehen, was es heißt, wie diese zu sein. Das Kennenlernen der Welt <strong>des</strong><br />

Anderen ist erforderlich, um zu vertraulichem Wissen über den/die Anderen zu gelangen und um ihn/sie wertschätzen<br />

zu können. Prozesse <strong>des</strong> einschließenden Othering sind abhängig von Strategien der begrifflichen Neufassung<br />

von Bedeutungen und unseres Verständnisses von etwas. Dies betrifft vor allem fixe oder absolute Kategorien,<br />

die das Selbst in Abhängigkeit von dem/der Anderen definieren. Nach Canales muss Differenz/Verschiedenheit<br />

als Instrument der Kreativität für die Erkundung, die Kritik und die Ermächtigung neu gefasst<br />

werden. Sie beschreibt, welche Strategien <strong>des</strong> einschließenden Othering die von ihr untersuchte Gruppe <strong>des</strong><br />

Lehrkörpers lateinamerikanischer Herkunft in der Lehre einsetzte. Sie waren darauf ausgerichtet, die Fähigkeit<br />

zu Rollenübernahme zu verbessern, indem die StudentInnen die Möglichkeit erhielten, die Anderen aus ihrer<br />

Perspektive verstehen zu lernen. Hierbei ging es nicht um die Vermittlung spezifischer Pflegemaßnahmen, sondern<br />

darum, Verbindungen zum Leben der Anderen herzustellen und an ihrem Leben teilzunehmen und mit<br />

ihnen zu arbeiten. Eine andere Strategie in der Lehre war es aufzuzeigen, dass Empowerment gegenüber Ande-<br />

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