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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

zwischen einer Pflegekraft und einem Patienten handelt es sich um eine strukturelle und interpersonale Beziehung.<br />

Beziehungen in einer sozialen Masse zeichnen sich durch ihre Anonymität aus. Die verschiedenen Beziehungsformen<br />

können wiederum die Basis für die Entwicklung einer spezifischen Beziehungsform bilden. Aus<br />

einer strukturellen Beziehung (Arbeitsbeziehung) kann eine interpersonelle Beziehung werden, d.h. eine Freundschaft.<br />

Der entscheidende Punkt zwischen beiden liegt darin, wie ein Mensch in diese Beziehungen eintritt (s.<br />

Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 303). Was pflegerische Zusammenhänge betrifft, kommen pflegerische Beziehungen<br />

aufgrund der Familienstruktur bzw. Lebenssituation zustande sowie aufgrund der in einer Familie/Lebensgemeinschaft<br />

etablierten Rollenzuweisung. Diese kann, muss aber nicht entlang traditioneller geschlechterdifferenzierender<br />

Rollenvorstellungen (z.B. die Frau ist für die Pflege kranker Familienangehörigen<br />

zuständig) erfolgen. Hier handelt es sich um Beziehungen, die strukturell geformt sind. Des Weiteren kommen<br />

Pflegebeziehungen aufgrund eines Bedarfs an Pflege oder eines krankheitsbedingten Kontakts mit Institutionen<br />

<strong>des</strong> Gesundheitswesens zustande.<br />

Das Eintreten in eine Beziehung, also das wechselseitige Verorten mithilfe von Identitäten, ist jedoch nur der<br />

Beginn bzw. schafft nur den Rahmen für dieselbe. Strauss (1974/1997: 59) verweist auf den Prozess <strong>des</strong> Interaktionsverlaufs<br />

und darauf, dass im Rahmen dieses Prozesses sich die Menschen bei ihrem Handeln nicht nur auf<br />

die aktuell anwesenden Personen beziehen können, sondern auf vielfältige Facetten ihres Selbst und ihrer jeweiligen<br />

Leistungen. Diesen Aspekt gilt es im Blick zu behalten, wie auch die damit verbundenen teils bewussten,<br />

teils weniger bewussten Reaktionen der Interaktionspartner im Verlauf ihres Miteinanderhandelns, die alle eine<br />

bestimmte Sicht auf sich selbst und in Bezug auf die jeweilige Identität bestärken oder in Frage stellen können.<br />

Die Anforderungen an die Interaktionspartner im Rahmen einer Interaktion beschreibt Strauss (1974/1997: 61f)<br />

folgendermaßen:<br />

„Jede Person hat die Aufgabe, bei dem anderen (1) seine allgemeine Absicht in der Situation, (2) seine Reaktionen<br />

auf sich selbst, (3) seine Reaktionen und Gefühle gegenüber mir, dem Empfänger und Beobachter<br />

seiner Handlung einzuschätzen. Diese drei Aufgaben sind miteinander verbunden, aber nicht notwendig<br />

identisch, noch bringen sie identische Beobachtungsfähigkeiten ins Spiel“.<br />

Die Möglichkeiten der Interaktionspartner, das ‚I’ und das ‚Me’ als Phasen <strong>des</strong> Handlungsprozesses in eine Interaktion<br />

einzubringen und dabei im Verlauf <strong>des</strong> Prozesses bestimmte Aspekte <strong>des</strong> Selbst, Selbstkonzept und der<br />

Identität zu betonen und andere weniger, sind vielfältig - ein Thema, das an dieser Stelle nicht im Mittelpunkt<br />

steht. Mit Blick auf das pflegerische Handeln als eine Form <strong>des</strong> sozialen Handelns sollen strukturierte Interaktionsprozesse<br />

erwähnt werden. Sie sind unabhängig davon, an welchem Ort die Interaktion stattfindet, für das<br />

pflegerische Handeln im beruflichen Kontext von Bedeutung.<br />

Bei der Beziehung zwischen Pflegekräften und PatientInnen haben wir es einerseits mit strukturierten Beziehungen<br />

zu tun und mit Blick auf die Statusdilemmata, die im Verlauf der Beziehung auftreten können, mit weniger<br />

strukturierten. Der Begriff ‚Statusdilemma’ verweist auf den Umstand, dass Menschen mit einem gegebenen Status<br />

wie dem einer Gesundheits- und KrankenpflegerIn weitere Attribute verbinden, wie z.B. dasjenige, dass die<br />

meisten KrankenpflegerInnen Frauen sind. Diese Attribute werden als sekundäre Qualifikationen bezeichnet, sie<br />

beeinflussen das Interaktionsgeschehen. Kommt es bspw. in einer Interaktionssituation dazu, dass eine mit einem<br />

Status verbundene Qualifikation fehlt, kann dies zu einer ‚Krise’ führen und Einfluss auf die Arbeitsbeziehung<br />

nehmen. Ein anderer Aspekt berührt Fragen von Macht und Einfluss. Mit Blick auf Handlungsverläufe betont<br />

Strauss (1997: 76f), dass es realistisch sei, davon auszugehen, dass der Modus der Interaktion sich zu jeder Zeit<br />

oder in jeder Phase der Interaktion ändert und nicht über die gesamte Dauer der gleiche bleibt. Weiter kann ein<br />

Mann/eine Frau, der/die als Vertreter/in in einer Institution arbeitet, während einer Interaktion oder Interaktionsphasen<br />

in verschiedenen institutionellen Eigenschaften handeln. Interaktionen können je nachdem, ob nur eine<br />

von vielen möglichen Statusbeziehungen dabei aktualisiert wird, als ‚monostrukturierte Interaktion’ oder, wenn<br />

zwei- und dreifache Statusgrundlagen (z.B. weibliche Krankenpflegerin und männlicher Krankenpfleger, wobei<br />

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