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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Stone (1981: 395) geht es in sozialen Interaktionen nicht nur um Kommunikation. In sozialen Interaktionen oder<br />

Transaktionen können min<strong>des</strong>tens zwei Prozesse beobachtet werden: einer der Erscheinung und einer <strong>des</strong> Diskurses.<br />

Ersterer spielt bei der Etablierung bzw. Herstellung von Identitäten eine wichtige Rolle. Mittels seiner<br />

Identität wird der Mensch sozial verankert, d.h. er wird an einem sozialen Ort, an dem Platz wahrgenommen,<br />

den er in einer Beziehung zu einem anderen Menschen in einer Situation einnimmt. Bezogen auf die beim institutionellen<br />

Handeln in sozial-strukturierten Beziehungen (s. Pkt. 3.2.3.2) eingenommene Position (der <strong>des</strong> Pflegenden<br />

oder der <strong>des</strong> zu Pflegenden), weiß der Mensch mit deren Benennung, wer er selbst in seinen Handlungen<br />

ist. Es kommen somit zwei aufeinander bezogene Prozesse zum Tragen, der Prozess der Verortung der eigenen<br />

Person in Beziehung zu anderen Personen in einer bestimmten Situation und der Prozess <strong>des</strong> sich Abgrenzens<br />

von anderen Menschen (s. auch Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 304).<br />

Wie alle anderen Objekte werden Identitäten sozial verliehen, erhalten und transformiert. Sich mit jemandem zu<br />

identifizieren, erfordert - unabhängig von der Art - die Identifikation von jemandem (s Stone 1981: 396). Dieses<br />

wird durch das Erscheinungsbild oder das Äußere eines Menschen erleichtert, was häufig ‚geräuschlos (silent)’<br />

und nonverbal geschieht. So wird insbesondere das Geschlecht <strong>des</strong> Gegenübers ‚stillschweigend’ <strong>zur</strong> Kenntnis<br />

genommen. Bei der sozialen Zuweisung von Identitäten sind Erscheinung und Diskurs zwei verschiedene Dimensionen<br />

der sozialen Transaktion, wobei der erste Prozess der grundlegende zu sein scheint. Er schafft die<br />

Bühne für den Diskurs. Der Prozess der Erscheinung eröffnet, erhält und begrenzt die Möglichkeiten <strong>des</strong> Diskurses,<br />

indem er die Möglichkeiten eines sinnvollen Gesprächs eröffnet und garantiert (Stone 1981: 397). Identitäten<br />

sind Bedeutungen, die ein Mensch seinem Selbst beimisst. Sie sind relational, sozial und sie sind in einem<br />

Kontext von Interaktionen platziert. Weiter sind sie eine Quelle von Motivation. Wenn jemand nach Stone<br />

(1981: 399, s. auch Charon 2001: 87) eine Identität hat, ist er sozial situiert. Er nimmt in Form eines sozialen<br />

Objekts eine Rolle an, die durch seine Teilnahme in sozialen Beziehungen Bestätigung erhält, d.h. z.B. als Ehefrau,<br />

Geliebter, als Gesundheits- und KrankenpflegerIn, als PatientIn, als MedizinerIn usw. Wenn Menschen auf<br />

die Frage antworten, wer bin ich, dann identifizieren sie sich in Gruppen oder sozialen Kategorien. Wie eingangs<br />

(Pkt. 3.2.2) erwähnt, kann zwischen unterschiedlichen Arten von Identitäten differenziert werden, z.B. zwischen<br />

sozialer und personaler Identität. Mit Blick auf die ‚identity politic’ drehen sich die Diskussionen in diesem Zusammenhang<br />

um Gender, Ethnizität und soziale Klasse bzw. Nation 89 (s. Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 224). Geschlecht,<br />

Alter und Rasse/Ethnie sind universale Identitäten, die jeden Menschen unabhängig von seinem Zutun<br />

als einem speziellen Menschentyp zugehörig ausweisen (s. Field 1978: 250). Einige der zuvor genannten Identitäten<br />

sind grundlegender Art, während andere geändert werden können. Neben diesen grundlegenden Identitäten<br />

verweist Charon (2001: 87) in Anlehnung an Stone auf zwei weitere Arten von Identitäten, und zwar auf allgemeine<br />

Identitäten (Priester, Vater) und unabhängige Identitäten wie bspw. Teilzeitbeschäftigte. Der Unterschied<br />

zwischen diesen Formen von Identitäten besteht in ihrer Veränderbarkeit, die von schwer bis leicht veränderbar<br />

variiert. Was die Zuweisung und aktive Herstellung von Identitäten betrifft, spielen im Zusammenhang mit der<br />

Pflege zunächst grundlegende Identitäten eine herausragende Rolle neben jenen, die in sozialen Beziehungen<br />

wechselseitig zugewiesen und hergestellt werden. In diesem Zusammenhang ist die von Stone (1981: 399) vorgenommene<br />

Differenzierung sozialer Beziehungen mit Blick auf die Zuweisung von Identitäten interessant. Er<br />

unterscheidet zwischen menschlichen, interpersonalen und strukturellen Beziehungen sowie sozialen Beziehungen<br />

in Massen. Menschliche Beziehungen sind auf die Platzierung und Ankündigung der grundlegenden Identitäten<br />

angewiesen. Um in eine interpersonale Beziehung einzutreten, ist der Austausch von Namen notwendig,<br />

wohingegen strukturelle Beziehungen auf den Austausch von Funktionsbezeichnungen (Titel, Position) angewiesen<br />

sind. Letztere Form von Beziehung ist eher diskontinuierlich und von wechselnder Art. Bei der Beziehung<br />

89<br />

Gilroy (zitiert in Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 224) hebt drei Identitätsformen hevor, um die sich die Diskurse drehen: Identityas-subjectivity,<br />

identity-as-sameness, identity-as-solidarity. Nach Lin<strong>des</strong>mith et al. (1999: 225) verankern diese drei Formen<br />

von Identität die Diskussion über das Selbst und seine Identäten in einem multikulturellen, politischen und historischen Kontext.<br />

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