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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

sellschaft reorganisieren kann. Der Mensch kann aber sein Handeln durch die Haltung, die er gegenüber der<br />

Gruppe einnimmt ebenso ändern, wie er Einfluss auf die Gruppe nehmen kann. Wichtig in diesem Zusammenhang<br />

ist unsere Fähigkeit zum Denken. Sie ist ein Spiel mit sprachlichen Symbolen. Hierdurch haben wir die<br />

Möglichkeit, Dinge bzw. Situationen zu verändern (MSS: 182). Bezogen auf die Pflege können etwa pflegetheoretische<br />

Ansätze den Pflegenden gedankliche Instrumente an die Hand geben, mit Hilfe derer sie pflegerische<br />

Situationen aus verschiedenen Perspektiven betrachten und die konkrete Pflege anders als gewohnt gestalten<br />

können<br />

Erst wenn wir uns unserer selbst bewusst sind, haben wir die Möglichkeit uns in einer Gesellschaft zu behaupten<br />

und uns für eine Sache zu engagieren. Hierzu ist es erforderlich, dass wir uns mittels der Verinnerlichung der in<br />

der Gesellschaft verkörperten Haltungen, Normen, und Regeln auf die Gesellschaft beziehen, auf sie reagieren<br />

und so Veränderungen herbeiführen (MSS: 192; GIG: 326). Allerdings sind uns diese Veränderungen nicht immer<br />

bewusst. Ein deutliches Beispiel für solche unbewussten Veränderungen ist der Gebrauch der Sprache oder<br />

die Übernahme von Modetrends. Eine andere Situation liegt vor, wenn wir in den verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Situationen uns der Rollen (z.B. Tochter, Gesundheits-und Krankenpflegerin, Freundin) oder institutionellen<br />

Funktionen, die wir beim Handeln in Bezug zu Anderen einnehmen, bewusst sind und diese Erkenntnis im<br />

weiteren Verlauf <strong>zur</strong> Behauptung unseres Selbst nutzen (MSS: 193; GIG: 237). In diesen Rollen/Funktionen<br />

wissen wir, was wir von den jeweils Anderen, d.h. der Mutter, dem zu Pflegenden, der Freundin erwarten können.<br />

In diesen Rollen/Funktionen sind wir zu einem ganz bestimmten Selbst geworden. (MSS: 193/4; GIG: 238).<br />

Wir können in diesen Zusammenhängen das Selbst aus verschiedenen Standpunkten betrachten: vom Standpunkt<br />

<strong>des</strong> ‚I’, etwa der Gesundheits- und Krankenpflegerin Lisa Müller, und von dem Standpunkt <strong>des</strong> ‚Me’. In diesem<br />

Fall repräsentiert das ‚Me’ die Gruppe der Haltung <strong>des</strong> generalisierten Anderen, d.h. <strong>des</strong> Teams, der Berufsgruppe<br />

oder der Gesellschaft. Es geht hier um das zwischen dem einzelnen Menschen und der Gesellschaft bestehende<br />

Spannungsverhältnis. In jedem kooperativen Prozess ruft der Einzelne eine Reaktion der anderen an diesem<br />

Prozess beteiligten Menschen hervor. Insoweit diese Reaktionen nun im Einzelnen hervorgerufen werden können,<br />

so dass er darauf reagieren kann, haben wir jene Inhalte, die das Selbst, den Anderen und das ‚I’ konstituieren.<br />

Wir können uns selbst nur insoweit realisieren, als wir den Anderen in seiner Beziehung zu uns anerkennen.<br />

Indem der Einzelne die Haltung <strong>des</strong> Anderen einnimmmt, ist er in der Lage sich als ein Selbst zu realisieren<br />

(MSS: 194; GIG: 237f). In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass sich der Mensch nicht in allen Situationen<br />

<strong>des</strong> menschlichen Handelns seiner selbst gewärtig ist. Tritt aber das Selbst in der Erfahrung auf, tritt es im Verhältnis<br />

zu jemandem auf (MSS: 195; GIG: 239). Um Selbstbewusstsein zu haben, muss man die Haltung der<br />

Anderen verinnerlicht haben, als Kontrolle der eigenen Handlungen. Was in der unmittelbaren Erfahrung <strong>des</strong> eigenen<br />

Selbst bei der Übernahme der Haltungen Anderer erscheint, nennen wir das ‚Me’ (MSS: 196; GIG: 240).<br />

Der bisher beschriebene Zusammenhang gilt für Frauen und Männer, da beide über den Prozess der Sozialisation<br />

historisch in der Gesellschaft verortet sind. Diese Gesellschaft wird wie sie selbst sozial hervorgebracht und aufrechterhalten.<br />

Eine optimale Entwicklung <strong>des</strong> Selbst (s. Seigfried 1996, Keith 1999, Aboulafia 1993, 2001) beinhaltet<br />

die zunehmende Fähigkeit, gößere und komplexere Gruppen von Anderen zu verstehen, von der Familie,<br />

über Kleingruppen bis hin zu Organisationen und internationalen Gruppen 81 . Mit Blick auf die gesellschaftliche<br />

Rolle der Frauen weist Deegan (1987: 4f) auf das Problem der sozialen Desorganisation hin. Dieses tritt immer<br />

dann auf, wenn zwischen Selbst und Gesellschaft hinsichtlich <strong>des</strong> Verhaltens und der Definition von Situationen<br />

keine Übereinstimmung besteht. Dies kann auf verschiedenen Ebenen Konflikte erzeugen. Eine solche Situation<br />

kann aber auch Innnovationen auslösen und Veränderungen bewirken. So bieten sich ändernde Definitionen<br />

bzgl. der Rolle der Frau Chancen zu Veränderungen und damit Möglichkeiten, vorherrschende soziale Konstruktionen<br />

<strong>des</strong> weiblichen Lebenszusammenhangs zu verändern (Deegan 1987: 5f). In diesem Zusammenhang ist<br />

81<br />

Mead (1927) sprach hier von ‚international-mindedness’ (internationaler Aufgeschlossenheit bzw. Gesinnung, s. auch GA<br />

II; 458ff, SW: 355ff).<br />

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