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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Vorwort<br />

auf die angestrebte Theorieentwicklung werden in den nachfolgenden Kapiteln historische, wissenschafts- und<br />

pflegetheoretische, professionstheoretische sowie praxisrelevante Fragen berührt. Hierbei wird das Phänomen<br />

Pflege aus wechselnden Perspektiven beleuchtet, aus einer theoretischen ebenso wie aus einer auf die Praxis<br />

bezogenen. Wie bereits angedeutet, ist die in dieser Arbeit entwickelte Theorie das Ergebnis einer Rekonstruktion<br />

verschiedener theoretischer Ansätze und deren Neukombination in Bezug auf die pflegerische Praxis. Da<br />

Pflege/Pflegen als Handeln immer menschliche Praxis ist, wird der Praxisbegriff umfassend und inklusiv verstanden.<br />

Auch wenn der Schwerpunkt auf dem Pflegehandeln professioneller Pflegekräfte liegt, können der<br />

Praxisbegriff und das Pflegehandeln nicht auf dieses beschränkt werden. Um sich der Pflegepraxis und den Konsequenzen,<br />

die ein gedankliches Begriffssystem der Pflege (Wissenssystem) mit sich bringt, zu nähern, werden<br />

theoretische Diskussionsstränge zu den Begriffen Arbeit, Beruf, Profession und personenbezogene Dienstleistungen<br />

aufgegriffen. Es liegt auf der Hand, dass die Beantwortung der Frage, was Pflege/Pflegen im Kern ist<br />

oder sein sollte, je nachdem anders ausfällt, ob die Pflege als Laienarbeit, als Berufung, als (unbezahlte) Liebesarbeit,<br />

als Instrument der Kirchen, als Hilfe <strong>des</strong> Arztes, als Erwerbsarbeit (in Form eines ungelernten oder erlernten)<br />

Berufs oder als Profession verstanden wird. In der vorliegenden Arbeit wird daher aus einer pragmatistischen<br />

Perspektive eine Antwort auf die Frage gegeben, was die Pflege als aktives Tun/Handeln im Kern eigentlich<br />

ist. Diese Frage beschäftigt die Pflegewissenschaft seit ihren Anfängen, und die gefundenen Antworten sind<br />

bei der Bestimmung <strong>des</strong> Zuständigkeitsbereichs (jurisdiction) der professionellen Pflege (Abbott 1988) von<br />

größter Bedeutung. Sie können zu einem eng umschriebenen oder einem weit gefassten Zuständigkeitsbereich<br />

führen, sie können Entwicklungen inspirieren oder sie ersticken.<br />

Da die professionelle Pflege wie die Pflege/das Pflegen vor allem mit weiblicher Tätigkeit assoziiert wird,<br />

kommt der Kategorie ‚Geschlecht’ als Strukturkategorie und heuristischem Erkenntnismittel eine bedeutsame<br />

Rolle zu. Im Gegensatz zu herkömmlichen Vorstellungen betrifft die Pflege <strong>des</strong> eigenen Körpers und Selbst wie<br />

die Pflege Anderer Männer und Frauen gleichermaßen. Beide müssen im Interesse <strong>des</strong> eigenen Überlebens die<br />

Kompetenz <strong>zur</strong> eigenen Pflege erwerben. Darüber hinaus müssen sie im Interesse <strong>des</strong> Überlebens der Gattung<br />

Fähigkeiten <strong>zur</strong> Pflege anderer Menschen (Kinder, Behinderte, Kranke, Alte) ausbilden. Diese Arbeiten wurden<br />

und werden im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in unterschiedlichen Ausmaßen auf die Geschlechter<br />

verteilt, und zwar danach, wie das Verhältnis der Geschlechter in bestimmten historischen Konstellationen<br />

gesellschaftlich organisiert ist11 . Joan Acker (1990: 146f) hat mehrere Prozesse ausgemacht, in denen das Geschlecht<br />

von prägender Bedeutung ist wie<br />

1. „den Prozess der Konstruktion der gesellschaftlichen Arbeitsteilung<br />

2. den Prozess der Konstruktion von Symbolen und Images, die diese Arbeitsteilung erklären, zum Ausdruck<br />

bringen, verstärken oder sich ihr entgegenstellen<br />

3. die Interaktion zwischen Männern und Frauen, Frauen und Frauen, Männern und Männern, einschließlich<br />

aller denkbaren Formen von Dominanz und Unterordnung<br />

4. Prozesse, die die Herausbildung vergeschlechtlichter Bestandteile der individuellen Identität hervorbringen<br />

5. den grundlegenden, immer vorhandenen (fortlaufenden) Prozess der Herstellung und Konzeptualisierung<br />

sozialer Strukturen, in die das Geschlecht verwoben ist“.<br />

All diese Prozesse sind für die Pflege von Bedeutung. In eine ähnliche Richtung zielt der Vorschlag von Celia<br />

Davies (2000b: 345f), wonach sich für das Verständnis der Pflege als Profession mit Blick auf die Kategorie<br />

Geschlecht drei Herangehensweisen anbieten. Erstens sollte diese Kategorie nicht mehr als Merkmal (Attribut)<br />

einer Person, sondern als kulturelle Ressource gesehen werden, die auf verschiedenen Ebenen zum Tragen<br />

kommt - bei der Konstruktion/Herstellung von Identität ebenso wie bei der Repräsentation und bei der Gestaltung<br />

zwischenmenschlicher Beziehungen sowie in der Logik und Tiefenstruktur (deep structure) von Institutio-<br />

11 In Bezug auf die berufliche/professionelle Pflege wirkt sich dieser Umstand etwa darauf aus, welches Wissen in der pflegerischen<br />

Praxis zum Tragen kommt und wie der Handlungsspielraum der Pflegekräfte in den jeweiligen Praxisfeldern definiert<br />

wird.<br />

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