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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

stellung der Umwelt. Die sogenannte ‚bewusste Intelligenz’ hingegen entsteht innerhalb dieses Prozesses. Mead<br />

schreibt (PP: 37f)<br />

„[…] Bewusstsein ist bei<strong>des</strong>, die Differenz, die in der Umwelt aufgrund ihrer Beziehung zum Organismus<br />

bei seinen organischen Prozessen der Anpassung entsteht und die Differenz im Organismus aufgrund der in<br />

der Umwelt entstandenen Veränderungen. Ersteres bezeichnen wir als Sinn (meaning), zweites als das Bilden<br />

von Ideen bzw. Begriffen/Vorstellungen (ideation)“.<br />

Mead geht auf die verschiedenen Phasen der Handlung immer wieder aus verschiedenen Perspektiven ein und<br />

untersucht hierbei die Rolle und Funktion <strong>des</strong> Selbst. Im nächsten Abschnitt soll die Aufmerksamkeit auf die<br />

beiden Aspekte <strong>des</strong> Selbst, auf das ‚I’ und ‚Me’ als Phasen im Handlungsprozess gelenkt werden. Hierbei ist vor<br />

allem das ‚Me’ für das Verständnis <strong>des</strong> Selbstkonzepts wichtig.<br />

3.3.3 ZUM ‚ME’, DEM ‚SELBST ALS OBJEKT’ UND ZUM ‚I‘, DEM ‚SELBST ALS SUBJEKT‘<br />

Wie unter Pkt. 3.2.2 beschrieben, ergeben die Gesellschaft oder die gesellschaftlichen Gruppen, denen der<br />

Mensch angehört, vermittels <strong>des</strong> ‚generalisierten Anderen’ die Einheit seines Selbst (MSS: 154; GIG 196). Bezogen<br />

auf das menschliche Handeln unterscheidet Mead (MSS: 166; GIG: 209) ganz allgemein zwischen subjektiven<br />

und reflektierenden Erfahrungen. Beide zeichnen sich zunächst einmal dadurch aus, dass nur der Einzelne<br />

selbst Zugang zu ihnen hat. In dem Moment aber, wo die Ergebnisse unserer Reflexion anderen mündlich oder<br />

schriftlich mitgeteilt werden, sind sie öffentlich. In eine ähnliche Richtung weisen unsere Gedächtnisbilder oder<br />

unsere Vorstellungskraft. Diese Objekte werden gewöhnlich mit dem Bewusstsein und dem Denken in Verbindung<br />

gebracht. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie während bestimmter Phasen im Handlungsprozess nur dem<br />

Einzelnen zugänglich sind. Die Struktur <strong>des</strong> Selbst entsteht im sozialen Handeln und das Selbst unterscheidet<br />

sich von subjektiven Erfahrungen (MSS: 166f; GIG: 209). Wie bis hier deutlich geworden sein sollte, tritt die<br />

Funktionsweise <strong>des</strong> Selbst beim kooperativen Handeln deutlich zu Tage. Hierbei ist der Mensch in seiner Auseinandersetzung<br />

mit Anderen eine Reizquelle für seine Interaktionspartner. In einer privaten oder beruflichen<br />

Pflegesituation, muss der Pflegende sein Handeln, um erfolgreich zu sein, auf andere Menschen ausrichten. Dabei<br />

muss er auch seinen eigenen Handlungsweisen Aufmerksamkeit schenken, da diese den zu Pflegenden und<br />

die anderen Beteiligten zu Reaktionen herausfordern können und damit zu Bedingungen für die Fortsetzung seines<br />

eigenen Handelns werden. Für die Bewältigung solcher Situationen ist ‚Selbstbewusstsein’ funktional erforderlich<br />

(s. Joas 1992 b: 34). Dieses Bewusstsein von sich Selbst, d.h. Selbstbewusstsein, unterscheidet sich laut<br />

Mead (MSS: 169; GIG: 209) vom Bewusstsein 77 , z.B. dem Bewusstsein von etwas wie bspw. der Erfahrung <strong>des</strong><br />

Schmerzes 78 . Das Selbstbewusstsein hingegen bezieht sich auf das Erkennen <strong>des</strong> Selbst als Objekt, was mittels<br />

Rollenübernahme geschieht. Selbstbewusstes Handeln bedeutet, dass wir in Bezug auf uns selbst so handeln, wie<br />

wir in Bezug auf andere handeln und reagieren würden.<br />

Was nun das Handeln betrifft, bezeichnen die beiden Aspekte <strong>des</strong> Selbst, das ‚I’ und das ‚Me‘, funktionale Unterschiede<br />

(s. Aboulafia 1993: 151). So können wir den als ‚I’ bezeichneten Teil unseres Selbst niemals beim<br />

Handeln beobachten, sondern nur das ‚Me’ (s. MSS: 174; GIG: 217). Das ‚I’ ist die Quelle für unser Bewusstsein<br />

von einem ‚Me’ (s. Aboulafia 1993: 151). Wie Baldwin (2002: 116) betont, kippt das Handeln <strong>des</strong> ‚I’ fortwährend<br />

in die Vergangenheit um. Hier können wir es aus der Erinnerung <strong>des</strong> vorherigen Moments wiederum<br />

als Teil <strong>des</strong> ‚Me’ beobachten. In der Erinnerung ist das ‚I’ als ‚Me’ ständig in der Erfahrung präsent. Folglich<br />

77<br />

Laut Mead ist der Begriff ‚Bewusstsein’ (s. SW: 271, GA I 303f) mehrdeutig (s. auch Fussnote 23 in diesem Kapitel). Er<br />

verweist auf Bewusstheit (awareness) und auf Bewusstsein von etwas (consciousness of something). Weiter diskutiert er immer<br />

wieder unterschiedliche Bewusstseinszustände wie automatische Reaktion bzw. reflexhaftes Verhalten, die unbewusste<br />

Einstellung auf einen Anderen, das Erleben einer unmittelbaren Situation (s MSS: 194f; GIG: 238)<br />

78<br />

Mead (MSS 169f; GIG: 212f) beschreibt Techniken, die ein Mensch im Umgang mit Schmerz nutzen kann, wie z.B. das<br />

Einnehmen einer objektiven Haltung, indem er sich außerhalb der Situation stellt, sie einschätzt und beurteilt. Diese Technik,<br />

sich selbst von der Erfahrung zu distanzieren, kann so weit getrieben werden, dass eine bestimmte Erfahrung wie Schmerz<br />

oder eine emotionale Erfahrung, nicht mehr vorhanden ist und nur in ganz bestimmten Situationen und Bedingungen wieder<br />

im Selbstbewusstsein auftaucht.<br />

116

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