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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

sehr früh das Distanzfeld mittels der Haltungen <strong>des</strong> manipulativen Kontakts erfahren, was Mead am Beispiel eines<br />

Hammers veranschaulicht. Er sagt, dass wir bevor wir einen Hammer in die Hand nehmen, diesen schon mit<br />

der Haltung bzw. dem Wissen erfassen, was wir mit ihm tun können bzw. wollen, etwa einen Nagel einschlagen.<br />

Was wir mit dem Hammer tun wollen, bestimmt unsere Handlungslinie und somit unser Verhalten. Dieser Prozess<br />

entsteht im zentralen Nervensystem, indem dieses die Reaktion auf das Distanzobjekt kontrolliert und damit<br />

teleologisch den Charakter der Handlung bestimmt (s. PA: 24). Wir sehen physische Dinge, d.h. die initiierten<br />

manipulativen Antworten im Distanzstimulus, der uns zum Handeln anregt. Die wachgerufene zukünftige Handlung<br />

hat, solange sie nicht ausgeführt wird und sich in der Realität bewährt, hypothetischen Charakter. Die experimentelle<br />

Methode ist im einfachsten Prozess der Wahrnehmung eines physischen Dings enthalten. In diesem<br />

Sinne liegt die Zukunft immer in der Handlung. Auch die Vergangenheit ist als Möglichkeit und Vertrautheit mit<br />

dem Ergebnis vergangener Reaktionen in der Handlung enthalten. Das physische Objekt unterscheidet sich vom<br />

Stimulus dadurch, dass es auf eine hypothetische, zukunftsbezogene Durchführung eines initiierten Prozesses<br />

verweist. Dieses Objekt wird mittels Kontakterfahrungen getestet. Die das Individuum umgebende Welt besteht<br />

aus einem Satz solcher Hypothesen, indem sie aus physischen Objekten besteht. Die Sicherheit, die aufgrund ihrer<br />

Möglichkeiten und der Vertrautheit mit ihnen entsteht, konstituiert sie als Objekte, die vorhanden sind. Hierbei<br />

handelt es sich um eine vorläufige Sicherheit, die jederzeit erschüttert werden kann (s. PA: 25).<br />

Menschliche Handlungsweisen können auf höchst unterschiedliche Weise dargestellt werden. Mit Blick auf die<br />

Pflege soll eine weitere beschrieben werden, diesmal in Bezug auf das Essen. Ausgangspunkt der Betrachtung<br />

der hiermit verbundenen Handlungen ist das Hungergefühl, die Empfindung der Anstrengungen beim Greifen<br />

nach etwas, das uns anzieht, unsere Vorstellung, der Geruch oder Geschmack und die Freude über das Essen,<br />

wenn es schließlich gegessen wird. Bei diesen Handlungen haben wir es mit Phasen zu tun, die zusammen mit<br />

der durch Sinnesprozesse hervorgerufene Erregung <strong>des</strong> Zentralnervensystems als Bewusstseinszustände dargestellt<br />

werden können. Die Phasen sind jeweils das Ende der verschiedenen Teile einer Gesamthandlung. Sie sind<br />

Bedarf/Bedürfnis (want), Interesse, Befriedigung. Sie verkörpern alle Werte. Bezogen auf die Handlungen sind<br />

sie keine gleichgültigen Mittel. Sie erscheinen in der Erfahrung, mehr oder weniger verkörpert in Dingen. Wir<br />

lokalisieren das Hungergefühl im Magen, der sich bemerkbar macht. Beim Hungergefühl haben wir es anders als<br />

beim Körper oder anderen physischen Objekten nicht mit einem wahrnehmbaren Ding zu tun, <strong>des</strong>sen Existenz<br />

wir mit unseren Händen spüren können. Die Realität <strong>des</strong> Hungergefühls kann fortbestehen, während sein Wert<br />

verschwindet. Aus der Perspektive der Handlung <strong>des</strong> Essens sind Bedarf/Bedürfnis, Interesse, Befriedigung<br />

Objekte mit Werten, die <strong>zur</strong> vollziehenden Phase der Handlung gehören. In Gestalt dieser Werte können wir die<br />

Handlung analysieren. Der Bedarf bzw. das Bedürfnis, ausgedrückt im Hunger, das Interesse, das den Mitteln<br />

der Sicherstellung von Nahrung anhaftet und die Befriedigung durch die Nahrung selbst sind drei Phasen der<br />

Handlung <strong>des</strong> Essens. Bedarf/Bedürfnis, Interesse und Befriedigung schließen den gesamten Prozess in sich ein<br />

und verkörpern diesen jeweils in einer bestimmten Phase. In dieser Hinsicht sind sie nicht zusammengesetzte<br />

Teile der Handlung, obwohl die verschiedenen Phasen Teile <strong>des</strong> Ganzen als Prozess sind. In der Erfahrung wie<br />

im Leben als Entität, erscheint das Ganze in seinen Teilen (PA: 452ff).<br />

Mead betont in seinen Arbeiten immer wieder die Einheit <strong>des</strong> Handelns. Die beschriebenen Phasen <strong>des</strong> Handlungsprozesses<br />

müssen als Ganzes gesehen werden. Wie eingangs erwähnt, unterscheidet Mead verschiedene<br />

Formen <strong>des</strong> Handelns. Das Selbst taucht erst beim reflektierenden Handeln, d.h. beim Denken im Bewusstsein<br />

<strong>des</strong> handelnden Menschen auf. Erkenntnis und Denken als Teil <strong>des</strong> kognitiven Prozesses sind nach Mead (PP:<br />

37f) rekonstruktiv. Die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rekonstruktion ist für das menschliche Handeln wesentlich. Sie ist mit<br />

Veränderung verbunden, die Mead immer im Kontext <strong>des</strong> fortwährenden Lebensprozesses im Sinne der Selbsterhaltung<br />

sieht. Intelligenz stellt hierbei nur einen Aspekt der Veränderung dar. Ihre Eigentümlichkeit besteht in<br />

einer wechselseitigen Anpassung sowie in einer Anpassung innerhalb <strong>des</strong> Organismus und in einer Wiederher-<br />

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