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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Während in der unmittelbaren Erfahrung eine unbegrenzte Anzahl von Objekten in der Natur erscheinen, treten<br />

neue Objekte in der reflektierenden Erfahrung nur durch die Interaktion von Mensch und Umwelt über die Vermittlung<br />

<strong>des</strong> Selbst als Objekt auf.<br />

Mead (PA: 375f) beschreibt eine weitere für den Reflexionsprozess wichtige Phase. Dies ist die Einheit <strong>des</strong> analysierten<br />

oder mannigfaltigen Felds der Umwelt und jener Reaktionen, die die verzögerte Handlung aus der Organisation<br />

der früheren Handlungen freigesetzt hat. Das Umfeld, in dem sich der handelnde bzw. reflektierende<br />

Mensch bewegt und innerhalb <strong>des</strong>sen schließlich die Handlung (die Neuorganisation <strong>des</strong> morgendlichen Waschens)<br />

vollzogen wird, enthält auch die Bedingungen für die Lösung in Bezug auf das zu bewältigende Problem.<br />

Die Einheit der Umwelt besteht in der Organisation der Bedingungen für die Lösung <strong>des</strong> im Raum stehenden<br />

Problems. Diese Einheit erscheint in der Erfahrung durch das Selbst und im Selbst als Objekt. Der Mensch<br />

und seine Umwelt bedingen sich gegenseitig, d.h. die Einheit entsteht im Handeln durch das Selbst.<br />

Bezogen auf Denkprozesse unterscheidet Mead zwei Arten von Objekten: Vorstellungen (imagery) und Ideen.<br />

Die Vorstellungen eines Menschen vom morgendlichen Waschen sind ebenso wie die Ideen, die er damit verbindet,<br />

an ihn gebunden. Nach Mead (PA: 377) unterscheiden sich die Inhalte beider Objektarten substanziell<br />

nicht von anderen Objekten der Erfahrung. Die Inhalte von Vorstellungen finden sich in den Objekten der unmittelbaren<br />

Erfahrung, wohingegen die Inhalte der Ideen in den wahrgenommenen Objekten als ihr Wesen aufscheinen.<br />

Sie unterscheiden sich von anderen Objekten durch ihre Zugänglichkeit. Sie gehören wie andere körperliche<br />

Phänomene, z.B. Schmerz, zum jeweiligen Menschen. Im Handlungsprozess, d.h. für die Phase der<br />

Wahrnehmung und der Manipulation, sind beide Objektarten von Bedeutung, insofern sie diese strukturieren.<br />

Bezogen auf das Beispiel <strong>des</strong> Waschens lenken im ersten Fall unsere Vorstellungen vom Waschen unser Tun,<br />

ohne das wir darüber nachdenken, wir tun es einfach. Im zweiten Fall, wo die Idee <strong>des</strong> Waschens besteht, ist das<br />

Waschen als solches aber noch nicht realisiert. Der Mensch, der diese Idee hat, gestaltet beim Denken daran, das<br />

Handlungsfeld <strong>des</strong> Waschens (z.B. heiße Badewanne, Kerzenlicht, Zusatz, angenehme Musik etc.). So gesehen<br />

ist die Idee, die ein Mensch in einer spezifischen Situation mit dem Waschen verbindet an diesen gebunden. Dies<br />

ist wichtig für die Pflege, da pflegerisches Handeln auf Dinge bezogen ist, die an die Person <strong>des</strong> einzelnen Menschen<br />

gebunden sind. Auch wenn Vorgänge wie das Körperwaschen, die Methodik, verallgemeinerbar sind, ist<br />

die Bedeutung, die dem Waschen <strong>des</strong> eigenen Körpers beigemesen wird etwas sehr Persönliches.<br />

Die letzte Phase ist die <strong>des</strong> Handlungsvollzugs. Der Vollzug setzt Kontakterfahrungen mit dem wahrgenommenen<br />

Objekt voraus, <strong>des</strong>sen wahrnehmbare Wirklichkeit so begründet wird und die sich zwischen die beginnende<br />

Handlung und deren Vollendung schiebt. Wir sehen zum Beispiel mit Blick auf das morgendliche Waschen die<br />

Dusche, sie regt uns an, uns zu duschen. Was das Duschen aber ausmacht, erfahren wir erst in dem Moment, wo<br />

wir unter der Dusche stehen. Zur Erfahrung <strong>des</strong> Duschens gehört das Wahrnehmen der Dusche, der Seife, der<br />

Temperatur <strong>des</strong> Wassers, die visuelle Erfahrung ebenso wie der Vorgang <strong>des</strong> Duschens selbst, also die Vollendung<br />

<strong>des</strong> Duschens. Bei<strong>des</strong> gehört zu den Merkmalen <strong>des</strong> Dings/Objekts ‚Duschen’ (s. PA: 23f).<br />

Mit Blick auf die Pflege kommen dem Körper, also den körperlichen Zuständen (wie Wohlbefinden, Unwohlsein,<br />

Leiden) und den menschlichen Fähigkeiten als Objekten <strong>des</strong> auf sich selbst oder auf einen anderen Menschen<br />

bezogenen Handelns eine wichtige Rolle zu. Physische Objekte – so auch der Körper - entstehen laut<br />

Mead durch Manipulation. Durch Manipulation mit der Hand können wir die Dinge erfassen. Wichtiger ist jedoch<br />

das instrumentelle Wesen der manipulativen Erfahrung. Diese besteht darin, dass die Handlung durch eine<br />

zeitliche Pause unterbrochen und nicht einfach vollendet wird. Die Unterbrechung der Handlung infolge <strong>des</strong><br />

Kontakts mit der Hand kann der Beginn eines komplexen Prozesses sein, in dem das physische Ding als etwas<br />

erscheint, das die gesamte Handlung vermittelt. Die Unterbrechung gestattet das Aufkommen widerstreitender<br />

Antworttendenzen innerhalb einer Handlung. Die kritische Bedeutung dieser Phase zeigt sich darin, dass wir<br />

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