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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Position, eingenommener Raum oder Masse Merkmale sind, die in der Kontakterfahrung als endgültige Realität<br />

der wahrgenommenen Objekte auftreten. In der Analyse werden sie ebenso wie die Kontakterfahrungen ersetzt,<br />

da die Dinge, die in der Analyse in physische Elemente aufgelöst werden, gleichbedeutend mit Kontakterfahrungen<br />

sind. Die aktuellen Kontakterfahrungen sind nicht Merkmale dieser physischen Elemente. Ihre Strukturen<br />

und Bewegungen sind nur die Voraussetzung für die Erfahrungen.<br />

In der Phase der Manipulation 76 besteht das wahrgenommene Objekt primär in der Organisation der auf den<br />

Menschen bezogenen unmittelbaren Umwelt. Wahrnehmung hat hier keine andere Bedeutung als die eines Sinnesorgans<br />

in seiner Anpassung an die Umwelt, in seiner Funktion der Auswahl <strong>des</strong> Stimulus, der für die Antwort<br />

<strong>des</strong> Organismus vermittels seiner Beziehung zum zentralen Nervensystem benötigt wird, sowie durch das Hervorrufen<br />

einer angemessenen Antwort. Das ‚Was’ <strong>des</strong> Objekts ist dann ein Ausdruck <strong>des</strong> Ganzen, von dem Umwelt<br />

und Mensch wesentliche Teile sind. Sollte die Funktion der Wahrnehmung in ihrer Unmittelbarkeit im Wissen<br />

bestehen, muss diesem Objekt, soweit es für den Menschen vorhanden ist, eine im Menschen zu verortende<br />

Fähigkeit der Bewusstheit hinzugefügt werden. Für die Annahme einer solchen Bewusstheit spricht zum einen<br />

der reflexive Prozess, der das Wissen über das wahrgenommene Objekt zum definitiven Bestandteil der Handlung<br />

macht. Der andere Grund für diese Annahme basiert auf der Identifikation <strong>des</strong> Menschen mit sich selbst als<br />

eines sozialen Selbst (s. PA: 16f), d.h. als eines sozialen und selbstvermittelnden Objekts (s. Gillespie 2005: 33).<br />

An anderer Stelle geht Mead (PA: 372) auf das Wesen geistiger Prozesse ein. Diese sind für ihn Fragmente einer<br />

komplexen Handlung <strong>des</strong> Menschen in Bezug auf sich selbst und in Bezug auf seine soziale Umwelt. Angesichts<br />

einer erfolglosen Handlung (wenn das morgendliche Waschen nicht wie gewohnt stattfinden konnte) stellt das<br />

innere Gespräch im Prozess der Identifikation eines Objekts und einer Korrektur unserer Haltung eine Handlungsform<br />

dar, die wie alle anderen Handlungsweisen unmittelbar gegeben ist. In Bezug auf das Objekt ‚zu waschender<br />

Körper’, welches analysiert und rekonstruiert wird, ist es eine vermittelnde Handlung, bei der die Vorstellungen<br />

vergangener und zukünftiger Handlungen das Erfahrungsfeld bestimmen. Dieses steht in scharfem<br />

Kontrast <strong>zur</strong> umgebenden Welt der wahrgenommenen Objekte. In reflektierenden Prozessen befinden sich die<br />

Objekte und deren Inhalte genauso wie jene der unmittelbaren Erfahrung in einer sozialen Umwelt. Die Abhängigkeit<br />

zwischen Umwelt und Mensch ändert sich durch das Aufkommen <strong>des</strong> Selbst als Objekt in der Erfahrung<br />

insofern, als diese dann in die Kontrolle übergeht, die der Mensch über seine Umwelt ausübt. Mead (PA: 373)<br />

hebt zwei Phasen dieser Kontrolle hervor: einmal die Erinnerung. Hierbei können wir geistige Vorstellungen in<br />

uns aufrufen (unterschiedliche Situationen <strong>des</strong> morgendlichen Waschens). Diese Vorstellungen können wir sowohl<br />

bezogen auf die Analyse <strong>des</strong> Objekts (zu waschender Körper) als auch hinsichtlich der komplexen Antwort<br />

auf das Objekt (wie wir ihn waschen wollen) kontrollieren und zwar durch den Platz, den das Selbst aus der<br />

Vergangenheit in die ‚trügerische’ Gegenwart hinein verlängert. Die zweite Phase besteht in den Antworten, die<br />

zu den vielschichtigen Handlungen gehören und die aufgrund der verzögerten Handlung nun auf die neuen in der<br />

sozialen Umwelt auftauchenden Objekte antworten können. Diese Antworten begründen die Bedeutung der Objekte,<br />

sofern sie durch signifikante Symbole beim Handeln angezeigt wurden. Sie werden als Ideen bezeichnet.<br />

76<br />

In dem Aufsatz ‚Concerning Animal Perception’ geht Mead (s. Joas 1989: 148) der These nach, dass der Umgang der<br />

menschlichen Hand mit den Gegenständen jenen identischen Kern liefert, auf den die flüchtigen und vielfältigen Reize der<br />

anderen Sinne adjektivisch bezogen werden. Ein solcher stabiler Kern sei für die Verknüpfung von Reizen nötig, auf den alle<br />

Wahrnehmungen bezogen werden können. Er finde sich nur in den Kontaktwahrnehmungen. Ein permanenter Raum, so<br />

Mead, werde konstituiert durch den Bezug aller Distanzerfahrungen auf die Kontakterfahrung. […] Das Ding konstituiert<br />

sich also, wenn die Hände und die Augen kooperieren; wenn die Augen das betrachten, was die Hände ergreifen und wenn<br />

die Hände nach dem greifen können, was die Augen erspäht haben. Nach Mead (2001a: 67; GA I 1987: 155) ermöglicht die<br />

Wechselwirkung von Distanz- und Kontaktsinnen erst die Entwicklung der Raumwahrnehmung. […] Die Wahrnehmung<br />

setzt eine fortlaufende Kontrolle eines Organs wie <strong>des</strong> Auges durch ein Organ wie der Hand voraus und umgekehrt. Wir sehen,<br />

weil wir etwas handhaben, und wir sind in der Lage, etwas zu handhaben, weil wir sehen. Die Aufmerksamkeit besteht<br />

in dieser wechselseitigen Kontrollbeziehung zwischen den Vorgängen von Reiz und Reaktion, die sich gegenseitig steuern<br />

(GAI: 156; Mead a 2001: 64). […] Die menschlichen Hand hat für die Wahrnehmung eine vermittelnde Funktion innerhalb<br />

der organischen Handlungen (GAI: 157; Mead 2001a: 64).<br />

113

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