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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

jekt, in Bezug auf das gehandelt wird, verändert sich im Handlungsprozess. Im Fall <strong>des</strong> Waschens sind es der<br />

eigene Körper und das Selbst. Hier muss gesehen werden, dass die Objekte aufgrund der jeweiligen Perspektive<br />

<strong>des</strong> Menschen und seiner Möglichkeiten, auf sie zu reagieren, jeweils verschiedene sind. An dieser Stelle ist<br />

wichtig, dass das, was für uns in einer Situation wie dem Waschen Sinn macht oder von Bedeutung ist, in Zusammenhang<br />

mit unserer Handlungsbereitschaft gesehen werden muss, da diese auf die Bedingungen verweist,<br />

unter denen Sinn oder Bedeutung entstehen kann (SW: 126; GA1: 213). Weiter werden die Werte, die wir mit<br />

Objekten verbinden, nicht nur aufgrund unseres unmittelbaren sinnlichen Zugangs zu ihnen ausgewählt, sondern<br />

aufgrund von Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit mit ihnen gemacht haben (z.B. weiß ich, dass ich mich<br />

nach dem Waschen erfrischt fühlen werde, was ein angenehmes Gefühl ist). Zwischen jedem Objekt und dem<br />

Menschen besteht eine bestimmte, d.h. objektive Beziehung. Der jeweilige Mensch hat zu seinem Körper und zu<br />

sich selbst als Objekt aufgrund seiner Sensitivität und seiner Erfahrungen eine spezifische Haltung. Kommt es<br />

beim Waschen aufgrund einer nicht angemessenen Reaktion zu einer mangelnden Anpassung, d.h. zu einer problematischen<br />

Situation, dann besteht hierin die aktuelle Erfahrung <strong>des</strong> Menschen. Diese bezieht sich im Sinne <strong>des</strong><br />

Aufkommens <strong>des</strong> Selbst auf sein Selbst als Objekt (s. PA: 7), welches sich nicht wie gewohnt waschen kann.<br />

Mead betont, dass wir uns der Bedeutung unserer Handlungsbereitschaft umso weniger bewusst sind, je vertrauter<br />

uns bestimmte Situationen und Handlungsweisen sind. Erst in problematischen Situationen kann jene in unser<br />

Bewusstsein treten. Damit dies möglich ist, muss das, woraufhin wir zu handeln bereit sind, der zu waschende<br />

Körper und das, was ein gewaschener Körper für uns selbst bedeutet (Frische, Wohlgefühl etc.), getrennt vorgestellt<br />

werden (s. SW: 128; GA1: 216). In einer unmittelbar gegebenen Handlung, d.h. einer gewohnheitsmäßigen<br />

Handlung kommt das Selbst nicht ins Spiel. Es würde diese erschweren.<br />

In einer problematischen Situation, wie der beschriebenen, in der eine Neuanpassung <strong>des</strong> Handlungsprozesses<br />

erforderlich wird, kann das Denken, als ein wichtiges dem Selbst zugeschriebenes Charakteristikum zum Tragen<br />

kommen. Es besteht darin, dass das Selbst, obwohl es laut Mead kein Ding an sich ist, beim Denken den Charakter<br />

eines Objekts hat. Die spezifische Funktion <strong>des</strong> Selbst beim Handeln zeigt sich in problematischen Situationen<br />

in der Haltung <strong>des</strong> Menschen in Bezug auf sich selbst im Vergleich zu seiner Haltung in Bezug auf Dinge,<br />

wie etwa den Körper. Die als Intelligenz bezeichnete Haltung, die wir gegenüber Dingen einnehmen, besteht in<br />

einer offensichtlichen oder verzögerten Antwort. Die Haltung, die wir gegenüber den Inhalten unseres Geistes in<br />

Beziehung <strong>zur</strong> Welt einnehmen, ist die der Erklärung. Mit Bezug auf zukünftige Objekte besteht die Erklärung<br />

in der Rekonstruktion eines Objekts, das beim Handeln darin versagt hat, eine angemessene Antwort hervorzubringen.<br />

Durch die Erklärung wird das Objekt ersetzt. Das Ziel der Rekonstruktion besteht im Fortsetzen der<br />

Handlung, wofür der Gebrauch der Sprache und die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme erforderlich sind (s. PA: 7f).<br />

In problematischen Situationen, wo das Selbst zum Tragen kommt und sich selbst zum Objekt wird, besteht seine<br />

Funktion darin, dem Selbst die verschiedenen Merkmale der Objekte aufzuzeigen, so dass eine Neuanpassung<br />

an den Stimulus möglich wird. In diesem Zusammenhang spricht Mead (PA: 368f) von Kontrolle, die durch eine<br />

aufmerksame Selektion von Stimulationen erfolgt. Allerdings kann die selektive Aufmerksamkeit auch stattfinden,<br />

ohne dass sich der handelnde Mensch zu den ausgewählten Stimuli verhält. Dies ist bspw. beim Handeln<br />

nach der Methode von Versuch und Irrtum der Fall, wo der Mensch nicht genau weiß, was letztlich zum Fehlschlag<br />

geführt hat, wo er sich sein Tun nicht erklären kann und nicht weiß, auf welchen Stimulus er reagiert hat.<br />

In einer Situation hingegen, wo Stimulus, Antwort und ihre Beziehung sich wechselseitig klar definieren (etwa<br />

beim morgendlichen Waschen) kann der Mensch sich selbst gegenüber den Stimulus, der in der Tendenz besteht,<br />

sich zu waschen, klar aufzeigen. Wenn diese Tendenz verzögert oder unterbrochen wird, tauchen vergangene<br />

Erfahrungen bzw. deren Ergebnisse im Bewusstsein auf und weisen den Menschen darauf hin (in einer ähnlichen<br />

Situation habe ich mich so und so verhalten). Deren Wirkung besteht wiederum darin, dass der Mensch nicht in<br />

einer Haltung der Niederlage verbleibt, sondern hierüber ein spezifisches Objekt erhält (wie er sich dennoch waschen<br />

kann), während die restliche Umgebung hiervon befreit wird und bereit steht, wiederum andere Reaktionen<br />

hervor<strong>zur</strong>ufen. Der Mensch beginnt nach neuen Wegen zu suchen, um zu dem in der Distanz liegenden Ziel<br />

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