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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

nen zu verbinden (paired) oder zu integrieren, können er oder sie sich ihrer eigenen Handlungen bewusst werden.<br />

Diese Integrationsfunktion <strong>des</strong> organisierten Spiels wird über drei Mechanismen ermöglicht: (1.) über den<br />

Wechsel sozialer Positionen, (2.) mittels <strong>des</strong> Erlernens von Regeln oder Normen, die die einzelnen, isolierten<br />

Haltungen überbrücken und (3.) über die vokale Geste, die für die Phylogenese signifikanter Symbole wichtig<br />

ist. Auf ihre Rolle wird im Folgenden bei der Beschreibung der einzelnen Phasen <strong>des</strong> Handlungsmodells eingegangen.<br />

Hinsichtlich der ersten Phase <strong>des</strong> Handlungsprozesses, <strong>des</strong> Handlungsimpulses, betont Mead die Sensitivität <strong>des</strong><br />

Menschen, verstanden als Funktion der Reaktion auf eine Stimulation. Der Mensch beginnt seine Handlungen<br />

aufgrund eines sinnlich wahrgenommenen Stimulus, etwa <strong>des</strong> Wunsches sich zu waschen. Hierbei muss zwischen<br />

passiver und aktiver Wahrnehmung unterschieden werden. Mead behauptet, dass alle Wahrnehmungen mit<br />

unmittelbaren sinnlichen Stimulationen einhergehen, zu denen wir in früheren Erfahrungen bereits eine gewisse<br />

Haltung 73 eingenommen haben. Darin liegt unsere Antwort auf die Stimulation (z.B. nach dem Aufstehen sofort<br />

ins Badezimmer zu gehen oder im Frühdienst als eine der ersten Aktivitäten die morgendliche Körperpflege eines<br />

Patienten zu versehen). Fließt unsere Reaktion nicht in das momentane offensichtliche Handeln ein, so erscheint<br />

sie im Bewusstsein als Haltung (Wunsch, Abwehr usw.). Diese Haltung wird von Vorstellungen aus<br />

früheren Erfahrungen begleitet 74 . Handelt es sich um gelungene Reaktionen im Sinne erfolgreich zu Ende gebrachter<br />

Handlungen, dann beinhalten diese auch das angestrebte Ergebnis, indem sie es vorwegnehmen. Die<br />

Wahrnehmung von physischen und sozialen Dingen ist vermittels unserer Distanz- und Kontaktsinne im Handlungsprozess<br />

verankert. Mit Blick auf den beginnenden Handlungsprozess erfolgt das Abtasten eines physischen<br />

oder sozialen Objekts (z.B. eines im Weg stehenden Hindernisses) durch seine Lokalisierung. Diese erlaubt dem<br />

Menschen, eine bestimmte Haltung zum jeweils gegebenen Objekt einzunehmen, er kann sich z.B. darauf zu<br />

bewegen oder sich abwenden (PA: 4). Damit der Mensch seine Körperbewegungen und Sinnesorgane beim<br />

Handeln an einen Stimulus anpassen kann, muss er wissen, wovon er stimuliert wird. Dies geschieht durch Reflexion.<br />

Nach Mead bringt jede neue Stimulation eine unterschiedliche Haltung in Bezug auf unsere Antwort mit<br />

sich. Das morgendliche Waschen etwa vollzieht sich in immer wieder unterschiedlichen Situationen (zu Hause<br />

oder in einer fremden Umgebung, in unterschiedlichen körperlichen Zuständen und Verfassungen, Jahreszeiten<br />

und Uhrzeiten). In der Art, wie wir uns in einer spezifischen Situation waschen, d.h. in der Reaktion auf die Anforderungen<br />

<strong>des</strong> Waschens, sind die Bilder aus vergangenen Erfahrungen enthalten. Sie bilden den Hintergrund<br />

für das Abtasten einer Situation, d.h. für deren Interpretation. In einer solchen Situation nehmen wir nicht einfach<br />

alles wahr, vielmehr wählen unsere Sinnesorgane gewisse Merkmale aktiv aus. Diesen Vorgang bezeichnet<br />

Mead als selektive Wahrnehmung. Uns ist dieses Vorgehen normalerweise gar nicht bewusst, ebenso wenig<br />

sind es die Bilder, die bestimmte Stimuli in uns wachrufen und auf die wir reagieren. Hier gibt es eine große<br />

Spannbreite. In der alltäglichen Wahrnehmung, im Bewusstsein <strong>des</strong> Vertrauten, kann diese Wahrnehmung beim<br />

Abtasten einer Situation eher passiv sein und gerade mal das bemerken, wozu wir handlungsbereit sind. In Situationen<br />

hingegen, wo etwas unsere Neugier erregt oder wir mit etwas Neuem konfrontiert sind, haben wir es mit<br />

einem aktiven Wahrnehmungsprozess zu tun (s. PA: 5).<br />

In problematischen Situationen, etwa wenn gewohnte Waschutensilien nicht vorhanden sind oder man eigentlich<br />

zu müde zum Waschen ist, kommt es zu einer mangelnden Anpassung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt,<br />

indem seine Verhaltensweisen (Reaktionen) nicht den Erfordernissen <strong>des</strong> Stimulus entsprechen. Das Ob-<br />

73<br />

So haben wir den Vorgang <strong>des</strong> Körperwaschens im Laufe unserer Sozialisation erlernt und entsprechende Routinen ausgebildet<br />

(s. auch Pkt.3.4.2).<br />

74<br />

In einem frühen Aufsatz schreibt Mead (SW: 123; GA 1: 210): „Die Frühstadien sozialer Handlungen umfassen alle Anfänge<br />

von Feindseligkeiten, Werbung und elterlicher Pflege, die gesamte Kontrolle der Sinnesorgane, die jedem äußeren<br />

Handeln vorausgeht, das durch Sinnesorgane kontrolliert wird, die Haltungen <strong>des</strong> Körpers, durch die eine Handlungsbereitschaft<br />

und die Richtung einer Handlung angezeigt werden und schließlich die Anzeichen von Handlungsvorbereitungen im<br />

Blutkreislauf wie z.B. eine erhöhte Blutzufuhr […], die bei einer Veränderung […] <strong>des</strong> Blutkreislaufs eintreten können“.<br />

110

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