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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Selbst und dem Körper bestehende Grenze findet sich nach Mead (PA: 466) zunächst in der sozialen Organisation<br />

der Handlung, aus der das Selbst entsteht, sowie in ihrem Gegensatz zu den physiologischen Aktivitäten <strong>des</strong><br />

Organismus. Letztere sind in sich begrenzt (PA: 446). Bei der Pflege handelt es sich um soziale Handlungen, die<br />

ihren Ausgang innerhalb <strong>des</strong> menschlichen Organismus nehmen. Hierbei sind die mit der Körperpflege verbundenen<br />

Handlungen sozial, insofern der Einzelne mit Blick auf ihre Vollendung hierbei die Haltungen Anderer<br />

übernimmt. Er reagiert auf das, was in seiner Familie, in seinem Freun<strong>des</strong>kreis usw. in Bezug auf die Körperpflege<br />

als angemessen angesehen wird. In seinen Handlungsmustern finden sich die Haltungen Anderer, ohne<br />

dass diese die ersteren total determinieren. Im Fall <strong>des</strong> auf einen Anderen bezogenen pflegerischen Handelns,<br />

muss dieses auf die andere Person abgestimmt werden, d.h. auf deren Handlungsmuster etwa bei der Körperpflege.<br />

Hierbei geht es darum, die im zu pflegenden Menschen ausgelösten Handlungsimpulse <strong>zur</strong> eigenen Pflege<br />

soweit zu stimulieren, dass diese von ihm selbst zu Ende geführt werden können oder dass er sich dabei von einer<br />

pflegenden Person unterstützen lässt, so dass diese die entsprechenden Handlungen für ihn ausführt. Das soziale<br />

Handlungsmuster Körperpflege unterscheidet sich nach Mead jedoch vom Verhaltensmuster <strong>des</strong> physiologischen<br />

Organismus. Das Verhalten der Körpers tritt in der aufmerksamen Anpassung <strong>des</strong> Körpers (adjustment)<br />

an die Stimuli, die ihn zu einer Antwort veranlassen, in die Erfahrung <strong>des</strong> Menschen ein. Bezogen auf die Körperpflege<br />

erfolgt der Vorgang <strong>des</strong> morgendlichen Waschens nach dem Aufstehen i.d.R. ohne groß darüber nachzudenken.<br />

Die dazu erforderlichen körperlichen Bewegungen laufen quasi von selbst ab ebenso wie die hierbei<br />

vom Körper vorgenommenen feinsten Anpassungsleistungen. Die Stimuli müssen von den Gefühlen der Körperteile<br />

unterschieden werden, die die Haltung der aufmerksamen Anpassung begleiten. Hierbei bezieht sich die Erfahrung<br />

etwa der Muskelkontraktionen oder <strong>des</strong> Atmens etc. auf das Selbst. Diese Gefühle/Empfindungen gehen<br />

als organische Ereignisse in die Erfahrung <strong>des</strong> Selbst ein. Die aufmerksame Anpassung geht in die Erfahrung ein<br />

und ist bestimmend für sie, aber wir haben keine Erfahrung von ihr selbst. Lediglich die Organisation der körperlichen<br />

Haltung und der selektiven Aufmerksamkeit können in gewissen Grenzen in den Bereich <strong>des</strong> ‚Bewusstseins<br />

von etwas’ gehoben werden (s. PA: 448f).<br />

So wie Selbst und Körper zwei unterschiedliche, wenn auch aufeinander bezogene Dinge sind, kann die Einheit<br />

<strong>des</strong> Handelns auf zweierlei Arten in der Erfahrung präsent sein, nämlich als aktueller Handlungsprozess (als<br />

Tun) oder als Wesen eines Dings/Objekts. Die Einheit <strong>des</strong> Handelns kann aber auch in der Organisation der<br />

Handlungsphasen und in den Bestandteilen <strong>des</strong> Dings vorhanden sein. Mead nennt als Beispiel für eine solche<br />

Handlungseinheit ‚etwas zu essen in den Mund stecken’ oder einfach ‚einen Baum’, der als Objekt eine Einheit<br />

bildet. Beide Ganzheiten sind als Erfahrung gegeben. Mead (s. PA: 449f) betont nun, dass es in ihrer strukturellen<br />

Einheit eine Unterschiedlichkeit in der Erfahrung gibt. Bezogen auf das Beispiel der Körperpflege kann diese<br />

Unterschiedlichkeit im Vorgang <strong>des</strong> Waschens bestehen oder hinsichtlich der Seife, der Dusche usw. So können<br />

wir die Objekte Dusche oder Seife in ihre einzelnen Bestandteile zergliedern. Die Einheit der Dusche finden wir<br />

in den erkannten Beziehungen zwischen den Einzelteilen. Im Fall <strong>des</strong> Waschens, wenn wir etwa die Seife nehmen,<br />

um uns einzuseifen, können wir diese Handlung vom Standpunkt <strong>des</strong> Handelns <strong>des</strong> Selbst und vom Standpunkt<br />

<strong>des</strong> Verhaltens <strong>des</strong> physiologischen Organismus aus betrachten. Aus der Sicht <strong>des</strong> Selbst besteht die Einheit<br />

<strong>des</strong> Körperwaschens aus den verschiedenen Phasen <strong>des</strong> Handelns als zielgerichtete Aktivitäten und darin,<br />

wie diese miteinander verbunden sind. Wir können dieses Handeln in seinen verschiedenen Phasen analysieren,<br />

die ebenso in der Erfahrung <strong>des</strong> Selbst vorhanden sind, wie in den Beziehungen, die diese Phasen untereinander<br />

verbinden. Die organische Einheit <strong>des</strong> physiologischen Aktes, den das Ergreifen der Seife und das Einseifen darstellen,<br />

kann nicht im Sinne der Erfahrungen <strong>des</strong> Selbst analysiert werden, auch wenn die Handlung und seine<br />

Einheit zweifellos gegeben sind. Diese Akte sind wie bspw. das Gehen, das Schreiben und das Sprechen in physiologischen<br />

Prozessen ebenso gegenwärtig wie in den Handlungen <strong>des</strong> Selbst. Wir realisieren dieses erst, wenn<br />

der Organismus aus irgendeinem Grund seine Funktion verweigert. Etwas, was da war, ist verschwunden. Wir<br />

können die physiologischen Prozesse und die daran beteiligten Organe bis in ihre Einzelteile analysieren, indem<br />

wir den Organismus sezieren und dabei aufzeigen, welcher Mechanismus vorhanden und tätig sein muss, damit<br />

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