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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Vorwort<br />

Roy und King hier erstmals herausgearbeitet wird. Die Konzepte, die ihren Ursprung in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen<br />

haben, werden von den drei Autorinnen aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven<br />

diskutiert und auf pflegerische Situationen bezogen. Ein Ergebnis meiner Rekonstruktion der drei Konzepte in<br />

den jeweiligen pflegetheoretischen Ansätzen ist, dass sich in allen dreien Spuren der pragmatistischen Denktradition<br />

nachweisen lassen. Wie im weiteren Verlauf deutlich wird, hat diese Denktradition in der USamerikanischen<br />

Pflege mit dem Aufkommen der Idee, dass die Pflege eine Profession sei, die demzufolge ihren<br />

Gegenstand bestimmen, entwickeln und pflegen müsse, eine bedeutende Rolle gespielt. Waren es in der ersten<br />

Hälfte <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts vor allem die Arbeiten von John Dewey, die im Bereich der Wissensvermittlung zu<br />

innovativen Formen <strong>des</strong> Lernens angeregt haben, ist der Einfluss <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus in der zweiten<br />

Hälfte <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts in der Pflegewissenschaft eher vermittelt über die in der Pflege verbreiteten Ideen<br />

<strong>des</strong> Symbolischen Interaktionismus spürbar sowie über die breite Rezeption und Verbreitung <strong>des</strong> von Anselm<br />

Strauss und Juliet Corbin vertretenen Forschungsstils der Grounded Theory (s. Corbin/Strauss 2008). In beiden<br />

Fällen bleibt der amerikanischen Pragmatismus als ‚Hintergrundphilosophie‘ (Joas, zitiert in. Strübing 2005: 39)<br />

eher verdeckt. Dies führt dazu, dass das Potenzial, das diese Denktradition der Pflegewissenschaft und der Pflege<br />

als einer Praxis menschlichen Handelns eröffnet, bisher nicht erschlossen wurde. Erst in jüngster Zeit, nachdem<br />

sich das Forschungsinteresse verstärkt den Fragen der Pflegepraxis zuwendet, und mit der Entstehung einer<br />

‚Nursing Philosophy’ in den 1990er Jahren gibt es Anzeichen, dass diese Tradition in der nordamerikanischen<br />

Pflegewissenschaft aufgegriffen und neu entdeckt wird (s. z.B. Kim/Sjöström 2006, Burbank/Martins 2009,<br />

McCready 2010, Råholm 2010). Im angelsächsischen Sprachraum sind es vor allem die Ideen John Deweys zum<br />

reflektierten Handeln, die Eingang in den in Großbritannien entwickelten Ansatz <strong>des</strong> Practice Development (PD,<br />

Praxisentwicklung) gefunden haben. Auch in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft findet der erwähnte<br />

Forschungsstil inzwischen hohen Zuspruch, wie auch die Arbeiten von Strauss und Mitarbeiterinnen <strong>zur</strong> Krankenhausarbeit<br />

und über chronisch Kranke breit rezipiert werden (s. Hellige 2002, Gerwin/Lorenz-Krause 2005,<br />

Schaeffer 2009). Dies hat bisher jedoch zu keiner eigenen Auseinandersetzung mit den Vertretern <strong>des</strong> klassischen<br />

Pragmatismus geführt.<br />

In der vorliegenden Arbeit sollen daher die aus einer erneuten Auseinandersetzung mit dem amerikanischen<br />

Pragmatismus gewonnenen Einsichten und die Erkenntnisse, die sich aus der Analyse der Konzepte Selbst,<br />

Selbstkonzept und Körperbild in den erwähnten pflegetheoretischen Ansätzen ergeben, für eine Überführung der<br />

Konzepte <strong>des</strong> RLT-Modells in eine pragmatistisch gewendete Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns genutzt werden. Die<br />

in Kapitel 8 ausgearbeitete pragmatistisch-interaktionistische Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns stellt die Summe all<br />

meiner Bemühungen dar, das pflegerische Handeln mithilfe <strong>des</strong> Pragmatismus und <strong>des</strong>sen Weiterentwicklungen<br />

neu zu fassen und zu denken. Ich hatte über die Jahre häufig Gelegenheit, die Relevanz meiner Ideen in der Auseinandersetzung<br />

mit Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, aber auch mit ÄrztInnen und Angehörigen anderer<br />

Gesundheitsberufe in unterschiedlichsten Zusammenhängen zu überprüfen. Auch wenn dies nicht im Rahmen<br />

systematischer Untersuchungen geschah, finden sich die daraus gezogenen impliziten wie expliziten Schlussfolgerungen<br />

gleichwohl im Ergebnis der vorliegenden Arbeit wieder.<br />

Wie die Erkenntnisse <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus zum menschlichen Handeln zeigen, sind die Begriffe<br />

Selbst, Selbstkonzept und Körperbild aufs engste mit dem menschlichen Handeln verbunden. Sie sind von daher<br />

nicht nur von grundlegender Bedeutung für eine pragmatistische Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns, sondern liefern<br />

auch Hinweise darauf, wie eine <strong>theorie</strong>geleitete Pflege in der Praxis realisiert werden kann. Diese Konzepte<br />

verweisen u.a. auf folgende Fragen: Was ist/bedeutet Pflege in Bezug auf den einzelnen Menschen, wer bin ich<br />

als Mensch, wer war ich, wer will ich sein, wer bin ich als Pflegekraft, wer bin ich als Pflegekraft in Bezug<br />

auf andere Berufe/Professionen, wer bin ich als zu Pflegender, welche Art von Pflege möchte ich erhalten,<br />

welche nicht. Die vorliegende Arbeit bewegt sich in ihrer Argumentation auf verschiedenen Ebenen und vergleicht<br />

hierbei vor allem Entwicklungen in der US-amerikanischen Pflege mit denen in Deutschland. Mit Blick<br />

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