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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

3. Die strukturelle Komplexität und das soziale Umfeld, in die ein Mensch eingebunden ist, haben Einfluss<br />

auf das Niveau der Entwicklung <strong>des</strong> Selbst. Das Bewusstsein eines Menschen spiegelt gewissermaßen<br />

die Situation und die sozialen Beziehungen, in die er involviert ist“.<br />

Meads Begriff der menschlichen Person und ihres Handelns ist laut Joas (1992a: 202) ‚konstruktivistisch’, da der<br />

Umgang <strong>des</strong> Menschen mit sich selbst als Resultat sozialer Strukturen bzw. <strong>des</strong> Umgangs von Personen miteinander<br />

gedacht wird. Menschliches Handeln geht mit Veränderungen einher. Bevor die Rolle rekonstruiert wird,<br />

die dem ‚I’ und dem ‚Me’ beim Handeln zukommt, sollen zunächst mit Blick auf das pflegerische Handeln<br />

Meads Vorstellungen zum sozialen Handeln skizziert werden.<br />

3.3.1 ZUM BEGRIFF DER HANDLUNG UND DES PHYSISCHEN DINGS BEI MEAD<br />

Erste Ideen zum Verständnis <strong>des</strong> Handelns finden sich bei Mead schon in frühen Aufsätzen 69 . Deren Ausarbeitung<br />

war ihm aber erst im Zusammenhang mit der Entwicklung seiner Theorie der Dingkonstitution möglich, als<br />

er erkannt hatte, dass die Kooperation von Hand und Auge erst dann Dinge, d.h. permanente Objekte bildet,<br />

wenn die im sozialen Umgang entwickelte Fähigkeit der Rollenübernahme auf den Umgang mit nicht-sozialen<br />

Objekten ausgedehnt wird (s. Joas 1989: 145). Unter Handeln versteht Mead nicht nur das sichtbare, offenkundige<br />

Tun, sondern auch das verdeckte Handeln eines Menschen (s. auch Strauss 1993: 22). Hierzu gehört das innere<br />

‚Gespräch mit sich selbst’ in Bezug auf einen bestimmten Handlungsverlauf, also darauf, welche Vorstellung<br />

von uns wir in demselben entwickeln. Handeln ist für Mead ein anhaltender Vorgang, der aus der Stimulation,<br />

unseren Reaktionen darauf und schließlich aus den Ergebnissen unserer Reaktionen besteht. Mit Blick auf das<br />

Selbst unterscheidet er verschiedene Formen <strong>des</strong> Handelns - das unmittelbare (spontane) Handeln, das Versuchund-Irrtum-Handeln<br />

und das reflexive Handeln. Nur in letzterer Handlungsform kommt das Selbst als ein Bestandteil<br />

der Handlung mit ins Spiel, da es in Beziehung auf sich selbst handelt, indem das Denken sein Tun begleitet<br />

(s. PA: 367ff).<br />

Das auf sich selbst wie auf Andere bezogene pflegerische Handeln bezieht sich immer sowohl auf den Körper<br />

wie auf das Selbst eines Menschen. Es ist ein kooperatives Handeln, bei dem die Fähigkeit <strong>zur</strong> Rollenübernahme<br />

mit Beziehung auf den eigenen Körper und auf das eigene Selbst fundamental ist. Wir haben es gewissermaßen<br />

mit einer doppelten Rollenübernahme zu tun, die auf die zwischen Geist und Körper bestehende Beziehung verweist.<br />

Sie besteht nach Mead (PA: 455) im Handeln eines Menschen als Mitglied einer rationalen Gemeinschaft<br />

in der Organisation <strong>des</strong> Selbst und in der Behandlung <strong>des</strong> Körpers als physischem Ding. Das grundlegende<br />

Merkmal <strong>des</strong> Selbst besteht darin, dass es für sich selbst ein Objekt ist. Es tendiert dazu, sich Dinge, Menschen<br />

und ihre Bedeutung/ihren Sinn mittels der Übernahme der Perspektive eines Anderen oder Anderer zu erklären.<br />

So fließen z.B. in das pflegerische Handeln, etwa bei der Körperpflege, die in der Familie oder in der Gesellschaft<br />

vorherrschenden Vorstellungen mit ein. Bei einer kooperativen Handlung wie der Pflege zeichnet sich die<br />

rationale Haltung <strong>des</strong> Menschen durch die Beziehung aus, die er in diesem Prozess zu sich selbst einnimmt. Diese<br />

spiegelt sich in der Übernahme der organisierten Rollen Anderer, die ihn zu einer Antwort stimulieren. Das<br />

eigene Selbst, das sich von dem der Anderen unterscheidet, befindet sich wie diese in einem kommunikativen<br />

Feld oder auch in einem Feld von Perspektiven (s. Martin 2005: 234). Das, was Anderen oder sich selbst gegenüber<br />

angezeigt werden kann und nicht auf sprachliche Hinweise reagiert, befindet sich im Feld der Wahrnehmung<br />

und wird als physisches Ding bezeichnet. Als ein solches ist auch der menschliche, in diesem Fall der zu<br />

pflegende Körper zu sehen. Physische Dinge sind ganz allgemein Mittel 70 . In Bezug auf den Körper und das<br />

Selbst, die beide für die Pflege wichtig sind, nimmt der Mensch dieselbe Haltung wie in Bezug auf physische<br />

Objekte ein. Sie unterscheiden sich durch den Wert, der diesen Objekten beigemessen wird. Die zwischen dem<br />

69 Joas (1989: 145) zufolge vertrat Mead lange Zeit die ‚pragmatische’ und die ‚intersubjektivitätstheoretische’ Argumentation<br />

nebeneinander. Eine Integration beider Ansätze gelang ihm erst spät. Ging die erste Argumentationslinie von der These<br />

der Pragmatisten aus, wonach die Wahrnehmung von Dingen sich im Handeln konstituiere, nahm der zweite Argumentationsstrang<br />

an, dass das soziale Bewusstsein dem Bewusstsein gegenständlicher Objekte vorausgeht.<br />

70 Als Mittel zum Ziel müssen sie nach Mead (1938/1972: 25) häufig erst entdeckt werden.<br />

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