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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Selbstreflexion machen (s. MSS: 136f; GIG: 178f). Das kann er jedoch nur vermittels der beschriebenen besonderen<br />

menschlichen Fähigkeit der Rollenübernahme (s. 3.2.2). Dieser Aspekt wird hier mit dem ‚Me’ umschrieben,<br />

das die verinnerlichten Haltungen der Anderen, insbesondere wichtiger Bezugspersonen, sowie <strong>des</strong> ‚generalisierten<br />

Anderen’ widerspiegelt. Das ‘Selbst’ bezeichnet nach Mead demnach nicht die sich allmählich herausbildende<br />

Persönlichkeitsstruktur,<br />

“sondern die Struktur der Selbstbeziehung (Selbstbezüglichkeit) einer Person, sofern es dieser gelingt, die<br />

Bezüge zu unterschiedlichen und konkurrierenden Anderen über die Zeit <strong>des</strong> Lebens hinweg in der Richtung<br />

auf Einheitlichkeit zu synthetisieren” (Joas 1996: 360).<br />

Das Selbst ist im Wesentlichen eine soziale Struktur, die im lebenslangen Dialog zwischen dem I und dem ME<br />

immer wieder neu hergestellt wird, wie in Abbildung 3.1 angedeutet. Es beschreibt in den Worten von<br />

Joas/Knöbl (2004: 192)<br />

„eher einen Prozess als eine stabile Struktur, eine ständige Strukturierungsleistung, keine verborgene Substanz“.<br />

Abb. 3.1: Dialogische Struktur <strong>des</strong> Selbst<br />

Wie schon in den vorherigen Abschnitten dargestellt, ist das Selbst als etwas Entstehen<strong>des</strong> dem einzelnen Menschen<br />

nicht von Geburt an gegeben. Es bildet sich vielmehr erst aus und verändert sich im Laufe <strong>des</strong> Lebens (s.<br />

MSS: 135; GIG: 177). Der Mensch ist sich seines Selbst nur von außen, d.h. über soziale Beziehungen bewusst,<br />

indem er sich zu sich selbst so verhält, wie er sich zu anderen verhält (s. MSS: 138ff; GIG: 180ff). Auch wenn<br />

die Anfänge <strong>des</strong> entstehenden Selbst in der frühen Kindheit beobachtet werden können, benötigt es mehrere Jahre<br />

bis das eigene Selbst entstanden ist, d.h. bis das Kind nach und nach eine objektivierte Sicht von seinem Körper<br />

und von seinem Verhalten erworben hat (s. auch Baldwin 2002: 108f). Durch die in sozialen Handlungen<br />

und Beziehungen gemachten Erfahrungen wird der Mensch auch für sich selbst zu einem sozialen Objekt, <strong>des</strong>sen<br />

Form erst in der Summe der Erfahrungen mit Anderen gefunden werden muss. Die Struktur <strong>des</strong> Selbst, als eine<br />

von außen nach innen strukturierte, reflektiert die Struktur von Rollenmodellen, Haltungen, Perspektiven, von<br />

Spielen und Regeln, von generalisierten Anderen und von den Institutionen der sozialen Welt (s. Baldwin 2002:<br />

112, Martin 2005). Nach Mead<br />

„besitzt [der Mensch] ein Selbst nur als Beziehung zum Selbst (den ‚Selbsten’) der anderen Mitglieder seiner<br />

sozialen Gruppe; und die Struktur seines Selbst drückt das allgemeine Verhaltensmuster der sozialen<br />

Gruppe aus, zu der er gehört, oder reflektiert dieses; gera<strong>des</strong>o wie die Struktur <strong>des</strong> Selbst eines jeden Anderen,<br />

der zu der sozialen Gruppe gehört“ (MSS: 164; GIG: 222).<br />

Im Zuge der Sozialisation werden der Geist und das Selbst eines Menschen auf zwei wichtige und komplementäre<br />

Weisen strukturiert, indem die Sozialisation gemeinsame, mit anderen geteilte Charakterzüge hervorbringt<br />

und indem sie einzigartige Charakterzüge erzeugt, die den Menschen zu einem/einer unverwechselbaren Individuum/Persönlichkeit<br />

machen (Baldwin 2002: 112). Als Ergebnis seiner Sozialisation verspürt jeder Mensch sowohl<br />

ein Gefühl der Zugehörigkeit zu Anderen als auch ein Gefühl <strong>des</strong> Verschiedenseins von Anderen. Auch<br />

wenn beide Haltungen in uns allen vorkommen, variiert die Balance zwischen ihnen erheblich. Diese von allen<br />

Menschen geteilten Merkmale sind für eine reibungslose Funktionsweise der Gesellschaft erforderlich. Zum eigenen<br />

und zum gegenseitigen Verständnis der Menschen und um miteinander arbeiten zu können, muss ihr je-<br />

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