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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

sichtbaren, imaginären Spielkameraden oder Begleitern auseinander. Auf diese Weise organisieren sie die Antworten,<br />

die sie bei anderen Menschen und bei sich selber hervorrufen. Dieses ist eine besonders interessante<br />

Phase <strong>des</strong> gewöhnlichen Spiels, die dem organisierten Spiel voraus geht und ‚Spiel von etwas’ ist (s. MSS: 150;<br />

GIG: 192). Das Kind spielt z.B. Mutter, Krankenschwester, Verkäuferin, Polizist, Feuerwehrmann. Es übernimmt<br />

im Spiel die verschiedenen Rollen seiner Bezugspersonen, z.B. die der Mutter, der Schwester, <strong>des</strong> Vaters<br />

etc. Es spielt deren Rolle aus deren Perspektive, indem es sich bspw. zunächst als Mutter sieht, sich als diese anspricht<br />

und sich wie sie verhält, um in der Folge auf dieses Verhalten wiederum in seiner Rolle als Kind zu reagieren.<br />

In der Spielperiode schöpft das Kind seine eigenen Antworten auf diese verschiedenen Stimuli (z.B. Stimuli<br />

in Bezug auf Indianer, Mutter, Polizist, Krankenschwester, Arzt etc.) aus, und nutzt diese zum Aufbau seines<br />

Selbst. Die Antwort, zu der es neigt, organisiert die Antworten, auf die es reagiert. Es spielt bspw. die Mutter,<br />

die ihr Kind tröstet oder es ausschimpft usw. Hierbei reagiert das Kind auf die von ihm gespielte ‚Mutter’ so<br />

wie es selbst auf die richtige Mutter reagiert. Das zieht wiederum eine Reaktion der vom ihm gespielten Mutter<br />

nach sich. Das Spiel der sich abwechselnden Rollen wird fortgesetzt bis es beendet ist. Auf diese Weise ahmt das<br />

Kind seine Mutter, d.h. ihre Haltungen, ihr Handeln und ihre Gefühle in unterschiedlichen Situationen nach und<br />

erprobt sich hierbei, indem es auf die von ihm selbst eingenommene Mutterrolle (verstanden als ein mehr oder<br />

weniger klar umschriebenes Handlungsmuster) mit entsprechenden Verhaltensweisen reagiert. Das Kind nimmt<br />

die Gruppe von Antworten seiner diversen Rollen und organisiert diese zu einem Ganzen. Dieses ist die einfachste<br />

Form, sich selbst gegenüber ‚ein Anderer zu sein’. Es ist mit einer zeitlichen Situation verbunden. Das<br />

Kind sagt etwas in der einen Rolle und antwortet in einer anderen Rolle, und dann wird seine Antwort auf die<br />

andere Rolle ein Stimulus für es in Bezug auf die erste Rolle und so geht es weiter hin und her. So entsteht in<br />

ihm und dem Anderen, der auf das Kind antwortet eine organisierte Struktur, die das Gespräch der Gesten zwischen<br />

ihnen fortsetzt (GIG: 193; MSS: 150f). Anfänglich ist das Kind noch nicht in der Lage, mehr als eine Rolle<br />

<strong>zur</strong> Zeit zu spielen. Sein mögliches Handlungsspektrum ist auf einige wenige, ihm bekannte Rollen aus seinem<br />

sozialen Umfeld beschränkt (s. MSS, Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 236, Abels 2006: 261ff, Joas 1992b: 253;<br />

Martin 2006).<br />

Das Kind kann sein Verhalten nur dann als gut oder schlecht beurteilen, wenn es auf seine eigenen Handlungen<br />

mit den erinnerten Worten seiner Eltern reagiert. Bis dieser Vorgang zum abstrakten Denkprozess entwickelt<br />

worden ist, bleibt das Selbstbewusstsein dramatisch. Das Selbst, das aus der Fusion <strong>des</strong> erinnerten Spielers und<br />

seines begleitenden Chors entsteht, ist ziemlich locker organisiert und eindeutig sozialer Art (GA I: 246; Mead<br />

1913: 377). Nach und nach wandelt sich die innere Bühne zu einem Forum und zu einer Gedankenwerkstatt, in<br />

der die einzelnen Charaktermerkmale und Betonungen der dramaturgischen Figuren verblassen und die Betonung<br />

zunehmend auf der Bedeutung <strong>des</strong> ‚inneren Gesprächs liegt, wo Images/Bilder zu notwendigen Hinweisen<br />

werden (s. Mead 1913: 377f). Wie oben angedeutet, stehen die eigene und die fremde Rolle in einem Gespräch.<br />

Dies ermöglicht dem Kind, ein Gefühl oder eine Vorstellung von der Rolle <strong>des</strong> Anderen, aber auch von sich<br />

selbst zu gewinnen. Auf diese Weise spiegeln sich die Haltungen seiner Bezugspersonen und die der Gesellschaft<br />

im Selbst <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> wider 49 . Das Kind schafft sich sein Selbst und seine Sicht auf die Welt durch die<br />

Spiegelung und durch die Verarbeitung der ihm entgegengebrachten Haltungen anderer Menschen und der Welt.<br />

Hierbei handelt es sich um einen aktiven Aneignungsprozess. Nach Wiley 50 (2003: 506f) kommt dieser Entwicklungsprozess<br />

einer ‚self-fulfilling prophecy’ gleich, insofern die Eltern das Kind darin bestärken, den ‚Sprung in<br />

die soziale Welt’ zu wagen und ihnen zu vertrauen.<br />

Ein anderer für die Pflege wichtiger Aspekt <strong>des</strong> Spiels ist das Aufkommen <strong>des</strong> künstlerischen Impulses. Dieser<br />

Impuls <strong>des</strong> jungen Kin<strong>des</strong> bleibt im Gegensatz zum Erwachsenen völlig ohne den Impuls zum bewussten Selbst-<br />

49 Nach Martins (2005: 236) Interpretation Meads hat „die Subjektivität ihre Quelle in objektiven sozialen Interaktionen und<br />

sie wird durch diese Objektivität immer sowohl ermöglicht als auch eingeschränkt.<br />

50 Wiley vergleicht in seinem Aufsatz u.a. Lacan mit Cooley, aber vor allem mit Mead.<br />

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