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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

ihm selbst auslöst. Im Rahmen sozialer Beziehungen entwickelt das aufwachsende Kind ‚Images’ von seinem<br />

Körper und <strong>des</strong>sen Funktionsweise. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die menschliche Wahrnehmung<br />

vorausschauende Erfahrungen als direkte Kontakte enthält. Das Wahrgenommene ist wie ein Versprechen,<br />

<strong>des</strong>sen Realisierung nur im Kontakt gefunden werden kann. McCarthy (1984: 117) betont, dass ein Objekt<br />

nur besteht, wenn man damit Kontakt gehabt hat oder haben könnte. So gesehen stellt die taktile Berührung eines<br />

Objekts die unbestreitbare Konfrontation mit der Realität dar. Von daher vermittelt die Berührung ein größeres<br />

Gefühl der Gewissheit als jeder andere Sinn 39 . Über den Körper macht der Mensch seine ersten pflegerischen<br />

Erfahrungen. In den auf die Pflege <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> und seines Körpers bezogenen Handlungen, die das physische wie<br />

psychische Wohlbefinden <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> im Auge haben, drückt sich die prinzipielle Annahme <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> durch<br />

die Eltern aus. In der Art und Weise, wie sie sich auf das Kind beziehen, und in ihrer Haltung ihm und seinen<br />

Ausdrucksweisen gegenüber, vermitteln sie dem Kind ihre Zuneigung, ihre Sorge, ihre Freude, aber auch ihr<br />

Missfallen, ihre Ängste, ihr Unwohlsein usw. Diese Dinge erlebt das Kind im wahrsten Sinn <strong>des</strong> Wortes ‘körperlich’.<br />

Sie sind wichtig für die Herausbildung eines Körperbil<strong>des</strong> im Sinne eines ‚Arbeitsimages’.<br />

So, wie der Mensch sein gesamtes Selbst nicht unmittelbar, sondern nur über die Haltungen der Anderen erfährt,<br />

erfährt er auch seinen Körper über die Anderen. Dessen besondere Beschaffenheit, sein Aussehen, seine Leistungsgrenzen<br />

etc. werden von Anderen beurteilt und begründen deren Verhältnis zu ihm. Die Haltungen der Anderen<br />

gegenüber seinem Körper werden ebenso wie ihre Haltungen zu seinem Selbst von ihm verinnerlicht und<br />

dienen der Handlungsorientierung. So wie es mehrere ‘Me’ gibt, existieren auch mehrere Körperbilder, die zu<br />

einem Ganzen integriert werden müssen (s. Schilder 1950, MSS, PA), um Handeln zu ermöglichen. Das aus diesen<br />

Körperbildern synthetisierte einheitliche Bild vom Körper muss sich in der sozialen Interaktion und im Handeln<br />

bewähren. Die auf den zu pflegenden Körper und auf das Kind bzw. auf den Menschen insgesamt bezogenen<br />

Handlungsweisen können den verschiedenen von Roper (1976) genannten Handlungskomplexen zugeordnet<br />

werden, wie etwa dem Handlungskomplex der AL oder den zum Wohlbefinden beitragenden Aktivitäten. In den<br />

sozialen Beziehungen zu seinen Eltern bzw. Bezugspersonen macht das Kind zentrale Erfahrungen in Bezug auf<br />

die Anerkennung seiner Person durch Andere. Wie schon erwähnt, zieht der Körper <strong>des</strong> Ungeborenen heutzutage<br />

eine sehr starke Aufmerksamkeit auf sich. Das Interesse an den Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik und<br />

Therapie lässt auf den unsere Gesellschaft beherrschenden Wunsch nach einem funktionsfähigen, von Krankheiten<br />

und körperlichen Makeln und Behinderungen freien Körper schließen. Diesen Gedanken greifen Roper et al.<br />

über das Konzept der Lebensspanne auf. Letztere beginnt für sie mit der Konzeption, d.h. vor der Geburt. Die<br />

Reaktionen der Eltern auf den Körper <strong>des</strong> Neugeborenen unterliegen gesellschaftlichen Normen. Das von ihnen<br />

gezeugte und geborene Kind wird (wie sie selbst) anhand dieser Normen beurteilt. Die Beurteilung <strong>des</strong> eigenen<br />

Kin<strong>des</strong> anhand gesellschaftlicher Normen und Ideale schlägt sich in der Beziehung der Eltern zum Kind bis in<br />

die Pflege ihres Kin<strong>des</strong> nieder. Auch die beruflich mit dem Kind Befassten können sich hiervon nicht befreien,<br />

was sich wiederum in ihren Einstellungen und Handlungen gegenüber Kind und Eltern niederschlägt.<br />

Über diese Images vom eigenen Körper, in die die Erfahrungen eingelagert sind, wie Andere und es selbst mit<br />

diesem Körper umgehen, gewinnt das Kind nach und nach Kontrolle über den eigenen Körper. Pflegerisches<br />

Handeln ist somit für die Entwicklung und Konstruktion, für die Aufrechterhaltung und Rekonstruktion eines<br />

wie immer gearteten Körperbilds fundamental. Der Umgang mit dem menschlichen Körper im Rahmen der Pflege<br />

eines Kin<strong>des</strong>, eines anderen Menschen oder seiner selbst, ist primär eine soziale Erfahrung, die zunächst nicht<br />

mit Krankheit verbunden ist. Tritt Krankheit ein, dann verändert diese die Rahmenbedingungen der Pflege und<br />

das Verhältnis <strong>des</strong> Menschen zum eigenen Körper bzw. zu anderen Körpern (s. auch Corbin 2003).<br />

39<br />

Dies wird auch über die Sprache vermittelt. Mit etwas oder jemandem in Berührung/in Kontakt sein, drückt einen Zustand<br />

<strong>des</strong> vollen Bewusstseins, <strong>des</strong> Kontaktes und der Kommunikation aus.<br />

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