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Umwelt und Straßenverkehr - Deutscher Fluglärmdienst eV

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("Ausbauerfordernisse", "Engpassbeseitigung" etc.). Der SRU möchte in einem<br />

institutionalisierten, pluralistischen Diskurs festgesetzte verkehrspolitische Ziele an die<br />

Stelle dieser derart entstehenden normativen Kraft von Prognosen setzen. Dies<br />

erfordert einen Standpunkt außerhalb des dominierenden Paradigmas.<br />

137. Die in diesem Paradigma geltenden Vorstellungen von Raum <strong>und</strong> Zeit haben<br />

zur Konsequenz, dass es immer "rational" ist, schneller an ein Ziel gelangen zu wollen.<br />

Die naturräumlichen Gegebenheiten werden dadurch zum "Raumwiderstand".<br />

Während der Raum in der Verkehrswissenschaft als etwas vorgestellt wird, das es zu<br />

überwinden <strong>und</strong> zu überbrücken gilt (SPITZNER, 1997, S. 58), wird Reisezeit als ein<br />

Übel an sich angesehen. Diese Vorstellungen führen verallgemeinert zu der<br />

Zielsetzung, möglichst viele Orte untereinander so zu verbinden, dass die Reisezeit<br />

minimiert wird. Es wäre allerdings unangemessen, Verkehrsinfrastrukturen<br />

ausschließlich hinsichtlich dieser Zielsetzung zu optimieren. Mit Blick auf die vielfach<br />

mit der zurückgelegten Strecke ansteigenden <strong>Umwelt</strong>belastungen spricht einiges dafür,<br />

eher die Fahrstrecken als die Fahrzeiten zu minimieren.<br />

Auch für das Verkehrsgeschehen gilt im vorherrschenden Paradigma, dass Zeit immer<br />

auch Geld "ist". Die allgemeine Entstehung dieser Auffassung wurde in Max Webers<br />

Studien über die protestantische Ethik insbesondere anhand der Schriften Benjamin<br />

Franklins rekonstruiert (WEBER, 1981, S. 40 ff.). Franklin war der Auffassung, dass<br />

Müßiggang gleichbedeutend mit dem Wegwerfen von Geld sei. Zeit muss mit<br />

nutzbringender Tätigkeit ausgefüllt werden <strong>und</strong> darf nicht einfach "ungenutzt"<br />

verstreichen. Hierauf beruhen Auffassungen hinsichtlich all dessen, was als Zeitverlust,<br />

-vergeudung <strong>und</strong> -verschwendung zu gelten hat. Daraus wurde gefolgert, dass auch<br />

die produktiv genutzte Zeit "optimal" zu füllen sei ("klassischer" Taylorismus).<br />

Zeitmessungen <strong>und</strong> die Anstrengungen, Zeit <strong>und</strong> somit Geld zu sparen, dringen immer<br />

tiefer in außer-ökonomische Lebensbereiche ein (REISCH, 2001; BRODBECK, 1999;<br />

ROSA, 1999). "Rationale" Zeitverwendungsmuster überführen ökonomische<br />

Denkschemata in kulturelle Wertstandards ("immer auf dem Laufenden sein", "keine<br />

Zeit vergeuden", "mehrere Dinge gleichzeitig tun", "jederzeit erreichbar sein", "Termine<br />

koordinieren", "fast food" usw.). Je "rationaler" der Umgang mit Zeit wird, umso<br />

knapper scheint Zeit (paradoxerweise) zu werden. Dies führt zu weiterer<br />

Beschleunigung. Also muss die Geschwindigkeit gesteigert werden, da die Zeit vieler<br />

Personen eigentlich zu "kostbar" ist, als dass sie "hinterm Lenkrad" verbracht werden<br />

dürfte. Abgesehen vom "Erlebnisverkehr", bei dem die Reisezeit an sich Nutzen<br />

stiftend ist, wird unterstellt, dass umso weniger kostbare Zeit verbraucht wird, je höher<br />

die Geschwindigkeit ist.<br />

138. Dieses "Zeit-ist-Geld"-Denken prägt auch die Kosten-Nutzen-Analysen des<br />

BVWP, in denen durchschnittliche Zeitersparnisse in Geldwerte umgerechnet werden

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