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Gedanken wie Seifenblasen - Bottrop

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Eine Woche<br />

Ein Thema<br />

Paolo Franci<br />

Unzählige GEDANKEN<br />

Aktionen<br />

EDANKEN<br />

GEDANKEN<br />

GEDANKEN<br />

DEMENZ-AKTIONSWOCHE BOTTROP<br />

16. bis 23. Juni 2012<br />

GEDANKEN<br />

Weitere Informationen unter:<br />

GEDANKEN<br />

www.gedanken-<strong>wie</strong>-seifenblasen.de


INHALT<br />

Warum eine Demenz-Aktionswoche? 6<br />

Der Auftakt: Zusammen getrommelt 10<br />

Paten und Partner 16<br />

MITEINANDER<br />

Sommercafé <strong>wie</strong> damals 20<br />

Stadtrundgang auf den Spuren vergangener Zeiten 22<br />

Sommerball: Komm lass uns tanzen! 24<br />

Sternstunden: ein Abend voller Erlebnisse 26<br />

Kohle weckt Erinnerungen 28<br />

Seniorentanz – ein munterer Reigen auf dem Berliner Platz 30<br />

Tiere tun gut 32<br />

Das Pferd auf dem Flur . . . 33<br />

KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE<br />

Schlag auf Schlag im Bildhauer-Workshop 34<br />

Vom braunen Ton zum bunten Bild 36<br />

Fotos erfassen das Wesen der Demenz 38<br />

Farben und Formen ins Bild gesetzt 39<br />

Absurdes Straßentheater: vom Asphaltwässern... 40<br />

... zum Spaziergang im Bademantel 41<br />

Ein Fischlein wollte Hochzeit machen... 42<br />

Ton um Ton mit Spaß an der Musik 43<br />

Assauer gibt der Demenz ein prominentes Gesicht 44<br />

Ton an, Streifen läuft – Filme zum Thema Demenzkranke 46<br />

Kreatives Schaffen kennt keine Vorschriften 47<br />

IN GUTEM GEIST<br />

„Spirituelle Tankstelle“ gab Kraft 48<br />

Gottesdienste für Demenzkranke gestalten 50<br />

„Für den Augenblick“ und darüber hinaus 50<br />

4


5<br />

„Die Welt mit anderen Augen sehen“ 52<br />

Demenz-Parcours 53<br />

Wenn der „Tatort“ zu hektisch wird... 53<br />

GUTER RAT FüR ANGEHÖRIGE<br />

Guter Rat war nicht teuer 54<br />

„Silviahemmet Touch“ - Wohlgefühl durch Berührung vermitteln 56<br />

„Snoezelen“ - angenehme Reize für alle Sinne 57<br />

„Breathworks“ oder Achtsamkeit im Alltag 58<br />

Innere Kraftquellen aufdecken 59<br />

Zeit für ein Gespräch - denken Sie auch an sich! 59<br />

Ein offenes Ohr schenkte der „Sieben Freunde e. V.“ 59<br />

Gutes Wohnen trotz Demenz 60<br />

Knappschaft brachte die grauen Zellen in Schwung 61<br />

DEMENZ UND MIGRATION<br />

Alt werden in der Fremde 62<br />

FACHLICHES<br />

Formen der Demenz und therapeutische Möglichkeiten 64<br />

VORBEUGUNG<br />

Balance finden zwischen Tun und Lassen 66<br />

AUSBILCK<br />

Ein Kraftakt, der Perspektiven eröffnet 68<br />

DANKSAGUNG 70<br />

IMPRESSUM 72


MITEINANDER 6<br />

Foto: © Pläsken<br />

Hochfliegende Pläne: Dr. Astrid Danneberg<br />

(links) und Barbara Josfeld gaben den Anstoß<br />

zur Aktion „<strong>Gedanken</strong> <strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“ und<br />

begleiteten die am Ende über 150 Aktionen.


7<br />

Warum eine Demenz-Aktionswoche?<br />

Augenfällig statt verborgen, öffentlich im Gespräch statt versch<strong>wie</strong>gen: Sieben Tage lang<br />

erlebten die <strong>Bottrop</strong>er Bürger einen ungewohnt offensiven Umgang mit Demenz und Dementen.<br />

Die Aktionswoche unter dem Titel „<strong>Gedanken</strong> <strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“ beanspruchte vom<br />

16. bis 23. Juni 2012 einen prominenten Schauplatz in der Stadtmitte, sie fand eine Bühne<br />

in den Geschäftshäusern der City, sie wurde begleitet von Musik und Gesang, sie gab der<br />

Lebensfreude Raum, bot Gesprächsstoff und Anlass zum Nachdenken über Demenz, Humor<br />

und Vergessen, war eingebettet in ein vielfältiges Beratungs- und Informationsangebot.<br />

Mit diesem großen Schritt an die Öffentlichkeit<br />

gingen das Gesundheitsamt und viele<br />

weitere Akteure neue Wege im Umgang mit<br />

der Demenz, damit Erkrankte und Angehörige<br />

mehr Lebensqualität gewinnen Ziel<br />

war es, Berührungsängste durch Begegnungen<br />

abzubauen, den Erkrankten neue<br />

Aktionsräume zu eröffnen, die Bürger zu<br />

sensibilisieren und vor allem: Lebensfreude<br />

als verbindendes Element von Betroffenen<br />

und Nicht-Betroffenen in den Vordergrund<br />

zu rücken Denn der Demenzkranke verliert<br />

zwar allmählich die Erinnerung, doch er lebt<br />

intensiv im Hier und Jetzt: Diesen Augenblick<br />

mit ihm gemeinsam zu erleben, schenkt auch<br />

Angehörigen Zufriedenheit und das seltene<br />

Gefühl der Nähe Mit diesem positiven Ansatz<br />

schuf die Aktionswoche ein Gegengewicht zu<br />

Gefühlen <strong>wie</strong> Unsicherheit, Scham und Angst,<br />

mit denen Erkrankte und Angehörige häufig<br />

auf die Demenz reagieren<br />

<strong>Bottrop</strong> muss sich <strong>wie</strong> alle Städte der Region<br />

auf einen demographischen Wandel einstellen,<br />

der die Zahl der alten, mithin auch<br />

der dementen Bürger rascher als im übrigen<br />

Bundesgebiet steigen lässt Die Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema Demenz treiben<br />

im Gesundheitsamt Psychiaterin Dr Astrid<br />

Danneberg und Demenzberaterin Barbara<br />

Josfeld voran Als eine von wenigen Städten<br />

im Ruhrgebiet gibt es in <strong>Bottrop</strong> seit 2006<br />

die Demenzberatung, die seit 2008 über<br />

Stiftungsgelder als Angebot des Gesundheitsamtes<br />

der Stadt etabliert ist Der mobile<br />

Demenzservice des Gesundheitsamtes trägt<br />

Information und Testverfahren in alle Stadtteile;<br />

das Thema ist der Öffentlichkeit nicht<br />

fremd Dies hat der Demenz-Veranstaltungswoche<br />

den Boden bereitet und viel zu ihrer<br />

Akzeptanz vor Ort beigetragen<br />

Den Anstoß gaben Barbara Josfeld und<br />

Dr Astrid Danneberg Dabei stand gedanklich<br />

eine Kampagne aus dem Herbst 2009 in Berlin<br />

Pate, die das Thema Demenz mit künstlerischen<br />

Mitteln und in positiver Darstellung<br />

öffentlich inszeniert hatte Dieser Gedanke<br />

fiel auf fruchtbaren Boden: Bei einer Umfrage<br />

im Frühjahr 2010 zeigten sich die Akteure<br />

der <strong>Bottrop</strong>er Kunstszene spontan zum<br />

Mitmachen bereit Doch ließ sich die Absicht<br />

nicht verwirklichen, eine Veranstaltung nach<br />

Berliner Vorbild in <strong>Bottrop</strong> umzusetzen Denn<br />

dieser Plan hätte nicht nur den Gestaltungsspielraum<br />

der lokalen Akteure eingeschränkt,<br />

er hätte vor allem den finanziellen Rahmen<br />

gesprengt Den Verantwortlichen im Gesundheitsamt<br />

war klar: Außer Manpower, also der<br />

Arbeitskraft der Mitarbeiter, konnte die<br />

Stadtverwaltung nur geringe Mittel investieren,<br />

denn die Finanzlage der Stadt war und<br />

ist äußerst angespannt Tatsächlich wurde die<br />

Demenz-Aktionswoche ausschließlich mit<br />

Sponsoren- und Stiftungsgeldern verwirklicht<br />

Vor diesem Hintergrund war das große<br />

ehrenamtliche Engagement vieler Beteiligter<br />

von unbezahlbarem Wert<br />

Im Mai 2011 stand fest: <strong>Bottrop</strong> stemmt die<br />

Veranstaltungswoche namens „<strong>Gedanken</strong><br />

<strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“ aus eigener Kraft und mit<br />

eigenen Akteuren Dieser Plan konnte nur gelingen,<br />

wenn er Wurzeln schlug in der Stadt,<br />

wenn viele <strong>Bottrop</strong>er ihre Ideen einbrachten<br />

und die Aktion als ihr eigenes Anliegen vorantrieben<br />

Über die lokalen Medien wurde die<br />

Öffentlichkeit informiert, Oberbürgermeister<br />

Bernd Tischler übernahm die Schirmherrschaft<br />

Das Gesundheitsamt rief alle Interessenten<br />

zu einer Ideenwerkstatt zusammen,<br />

vier weitere folgten bis Mai 2012 Beim ersten<br />

Treffen zeigte sich, dass der Funke bereits<br />

gezündet hatte Am Ende lagen Zusagen für<br />

30 Aktionen auf dem Tisch, 30 weitere Ideen<br />

waren geboren<br />

Der Umfang der Aktionswoche wuchs Im<br />

Gesundheitsamt wurden die Arbeitsbereiche<br />

umstrukturiert Um Psychiaterin Dr Danneberg


MITEINANDER 8<br />

und Barbara Josfeld von täglichen Aufgaben<br />

zu entlasten, musste für die Demenzberaterin<br />

ein zusätzliches Zeitkontingent von 300<br />

Stunden geschaffen werden Ein Jahr vor der<br />

Veranstaltung übernahm eine Lenkungsgruppe<br />

Vorbereitung und Planung Ihre Zusammensetzung<br />

repräsentierte gleichermaßen<br />

die Beteiligten <strong>wie</strong> die gesellschaftlichen<br />

Gruppen, die für die Aktionswoche eine Rolle<br />

spielten und daher in die Planung eingebunden<br />

sein sollten: Neben den Initiatorinnen aus<br />

dem Gesundheitsamt waren Stadtkämmerer<br />

Willi Loeven, Andrea Multmeier als Vorsitzende<br />

des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtverbandes<br />

in <strong>Bottrop</strong>, Ratsfrau Renate Palberg als<br />

Vorsitzende des Sozial- und Gesundheitsausschusses,<br />

Stadtpressesprecher Andreas Pläsken<br />

und Apotheker Peter Stadtmann beteiligt<br />

Im Oktober 2011 richtete das Presseamt<br />

auf der Homepage der Stadt Seiten für die<br />

Aktionswoche ein Fortan konnte sich jeder<br />

Interessierte über den Planungsstand informieren<br />

Im Februar 2012 lagen alle schriftlichen<br />

Zusagen vor 80 Akteure, hinter denen<br />

mehrere 100 Beteiligte standen, bereiteten<br />

150 Veranstaltungen vor - vom Keyboard-Kurs<br />

über einen Pony-Besuch im Altenheim bis<br />

zum Sommerball in einer Tanzschule Die<br />

KONTAKT<br />

Foto: © Josfeld<br />

Gut beschirmt: Auch Marvin zählte zu den<br />

engagierten jungen Paten, die während der Aktionswoche<br />

ihre älteren Schützlinge begleiteten.<br />

Stadt ließ 10 000 Ankündigungsflyer drucken,<br />

die über Apotheken und Arztpraxen verteilt<br />

wurden<br />

Zwei Monate vor dem Start lief die Patenaktion<br />

an 30 Schüler aus weiterführenden<br />

Schulen wurden mehrere Wochen lang im<br />

Umgang mit Demenzkranken geschult und<br />

an demenziell veränderte Partner vermittelt,<br />

die sie während der Aktionswoche begleiteten<br />

und unterstützten<br />

Auskunft geben im Gesundheitsamt der Stadt <strong>Bottrop</strong>:<br />

Dr. med. Astrid Danneberg, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Leiterin des Sozialpsychiatrischen<br />

Dienstes und Psychiatriekoordinatorin (Telefon 0 20 41 / 70 33 34), und Barbara<br />

Josfeld, Diplom-Sozialarbeiterin und Diplom-Sozialpädagogin (Telefon 0 20 41 / 70 37 73).


9<br />

Sechs Wochen vor dem Start intensivierte die<br />

Lenkungsgruppe die Öffentlichkeitsarbeit Mit<br />

einer Auflage von 20 000 Exemplaren erreichte<br />

die Programmbroschüre mit detaillierten<br />

Informationen zu jedem Veranstaltungstag<br />

über Geschäfte, Behörden, Apotheken,<br />

Praxen und die Akteure ein breites Publikum<br />

Plakate sicherten der Aktionswoche im<br />

Vorfeld Aufmerksamkeit, Lokalpresse und<br />

-funk berichteten mehrfach und ausführlich,<br />

die ersten überregionalen Medien meldeten<br />

Interesse an<br />

Die Aktionswoche löste ein lebhaftes Echo<br />

aus, Kamerateams von RTL, Sat 1 und WDR<br />

berichteten über Akteure und Aktionen in<br />

<strong>Bottrop</strong> Dieses Medieninteresse war vor allem<br />

Foto: © Kaprol<br />

dem Einsatz der <strong>Bottrop</strong>er Schüler als Paten<br />

geschuldet Ohne ihr Engagement wäre die<br />

Veranstaltungswoche nicht möglich gewesen<br />

Der Vielzahl aller Beteiligten und Unterstützer<br />

sei herzlich gedankt<br />

Action, bitte: Christel in´t Veen vom Senioren-<br />

theater „Spätblüte“ gab beim Eröffnungsfest<br />

auf dem Berliner Platz den Startschuss für einen<br />

temperamentvollen Einsatz der schauspielbegeisterten<br />

Damen.


MITEINANDER 10<br />

Der Auftakt: Zusammen getrommelt<br />

Der Auftakt ließ die Innenstadt aufhorchen, nachdem Oberbürgermeister Bernd Tischler<br />

als Schirmherr die Aktionswoche eröffnet hatte. Der Trommelklang vom Berliner Platz war<br />

weithin zu hören und weckte Neugier bei den zahlreichen Wochenmarkt-Besuchern - viele<br />

von ihnen zog es zur Bühne, wo sich schließlich rund 400 Besucher zusammen fanden.<br />

Sie bildeten mit Senioren aus den Altenheimen der Stadt, ihren Angehörigen und jungen<br />

Begleitern, Helfern und Akteuren der Demenzwoche eine bunte und altersgemischte<br />

Zuschauergruppe in wechselnder Zusammensetzung, denn auf dem Berliner Platz herrschte<br />

lebhaftes Kommen und Gehen. In der ersten Bank-Reihe mit dabei: Heike Taut-Franci,<br />

Leiterin der Selbsthilfe-Gruppen Angehörige Demenzkranker, und ihr Ehemann Paolo. Der<br />

56-Jährige lebt seit sechs Jahren mit Alzheimer-Demenz und ist zur Symbolfigur der Aktionswoche<br />

geworden. Denn die Fotos des fröhlichen <strong>Bottrop</strong>ers inmitten schillernder <strong>Seifenblasen</strong><br />

warben auf jeder Programmbroschüre für das zentrale Anliegen der Veranstaltung:<br />

Lebensfreude und Demenz sind keine unvereinbaren Gegensätze; sie gehen vielmehr eine<br />

Verbindung ein, die Perspektiven eröffnet. Diese lebensfrohen Momente hat Paolo Francis<br />

Freund, der Hobby-Fotograf Hartmut Schmuchal, mit der Kamera dokumentiert.<br />

Foto: © Pläsken<br />

Das Interesse des Publikums verteilte sich<br />

auf zwei Schauplätze Auf der Bühne bot ein<br />

buntes Programm mit Kabarett und Musik,<br />

Zauberei und <strong>Seifenblasen</strong>-Kunst viel für Augen<br />

und Ohren und lud zum Mitmachen ein<br />

Den zweiten Schwerpunkt bildete der „Markt<br />

der Möglichkeiten“: An Informationsständen<br />

stellten Einrichtungen und Organisationen<br />

Mit Schwung: Irena Bilenka-Chaplin zeigte dem<br />

Publikum, dass <strong>Seifenblasen</strong> mehr als nur ein<br />

Kinderspaß sein können. Die Showkünstlerin<br />

hat es in dieser Kunst immerhin zur Weltmeisterschaft<br />

gebracht.


11<br />

ihre alters- und demenzspezifischen Angebote<br />

vor Wer Informationen suchte über<br />

Mittel und Wege, Demente und pflegende<br />

Angehörige zu unterstützen, fand einen Ansprechpartner<br />

oder vereinbarte einen Termin<br />

Vielen Anbietern begegneten die Besucher<br />

während der Woche an Informationsständen<br />

ein weiteres Mal<br />

Am Stand der Caritas stand das Erinnern im<br />

Mittelpunkt, ebenso das Erinnert-Werden, das<br />

durch Alltagsgegenstände vergangener Jahre<br />

ausgelöst werden kann Fachbereichsleiter<br />

Martin Schindler nahm die stark beanspruchten<br />

Angehörigen Demenzkranker in den Blick<br />

und führte die uralte chinesische Bewegungsmeditation<br />

Taijiquan vor, die innere<br />

Ruhe und Ausgeglichenheit fördern soll Die<br />

Arbeiterwohlfahrt <strong>Bottrop</strong> / Gelsenkirchen<br />

demonstrierte, auf welche Weise Sinne angeregt<br />

werden können Unterstützung leistete<br />

dabei Handpuppe „Paula“, mit der sich Hartmut<br />

Skrok unter die Besucher mischte und<br />

das Gespräch suchte Der Einrichtungsleiter<br />

des AWO-Altenheims „Schattige Buche“ weiß<br />

Paulas Qualitäten zu schätzen: „Die hat echt<br />

Charme Und man kann ihr nicht böse sein “<br />

Die Diakoniestation führte vor, <strong>wie</strong> die Spielekonsole<br />

„Wii“ zur Motivation genutzt werden<br />

kann, um Bewegungsabläufe zu trainieren<br />

Die Farb- und Lichttherapie <strong>wie</strong>derum unterstützt<br />

bei demenziell veränderten Menschen<br />

Stimmungen, indem sie beruhigend oder<br />

anregend wirkt<br />

Für Farbtupfer, die auch mit Gerüchen<br />

Erinnerungen weckten, sorgte mit Rosen<br />

und Lavendel auf dem Platz der Garten- und<br />

Landschaftsgestalter Dirk Blanik aus Kirchhel-<br />

len Ebenso anregend wirkte das „Fingerfood“,<br />

das die Gastronomie- und Hauswirtschaftsschüler<br />

des Berufskollegs vorbereitet hatten<br />

Unermüdlich waren sie mit Tabletts, beladen<br />

mit leckeren kleinen Häppchen, auf dem<br />

„Markt der Möglichkeiten“ unterwegs, und<br />

die Besucher griffen gern zu Mancher Angehörige<br />

nahm die Anregung mit nach Hause,<br />

Oberbürgermeister Bernd Tischler:<br />

Foto: © Pläsken<br />

Hemdsärmeliger Charme: Dr. Ludger Stratmann<br />

absolvierte in der neuen guten Stube <strong>Bottrop</strong>s,<br />

dem Berliner Platz, ein Heimspiel in Sachen<br />

medizinisches Kabarett.<br />

Demenzpatienten appetitliche Kleinigkeiten<br />

im Vorübergehen anzubieten, wenn ihnen<br />

die Ruhe für eine „richtige Mahlzeit“ fehlt<br />

Der Rhythmus der Trommel beschwört einen<br />

vertrauten Klang herauf, erinnert er doch<br />

an den Herzschlag, der den Takt des Lebens<br />

„Die wichtigste Erkenntnis im Umgang mit dieser Krankheit muss heißen: Demenz macht nicht<br />

handlungsunfähig! Es ist eher die Angst vor der Krankheit, die den Betroffenen handlungsunfähig<br />

macht und dazu führt, dass er sich zurückzieht und soziale Kontakte aufgibt. Genau das ist<br />

der falsche Weg im Umgang mit Demenz.“


MITEINANDER 12<br />

vorgibt Trommeln sind auch auf hervorragende<br />

Weise geeignet, ein musikalisches<br />

Gemeinschaftserlebnis zu stiften Beide<br />

Eigenschaften macht sich der Theologe und<br />

Familientherapeut Johnny Lamprecht zunutze,<br />

der das Trommelspiel perfekt beherrscht<br />

Wozu sind Trommeln gut?, wollte Moderator<br />

Philipp Steimel von dem Mann wissen, der<br />

seine Kunst während eines mehrjährigen<br />

Afrika-Aufenthalts gelernt hat Lamprecht<br />

verzichtete auf musiktherapeutisch fundierte<br />

Erklärungen und gab stattdessen eine<br />

schlichte Antwort in Form eines afrikanischen<br />

Sprichworts: Drei Mittel lindern Sorgen - nämlich<br />

Trommeln, Singen und Tanzen<br />

Der Musiker setzte dieses Rezept in die Tat<br />

Foto: © Pläsken<br />

um, kräftig unterstützt auf der Bühne von den<br />

Jungen und Mädchen aus der Konrad-Grundschule<br />

Darüber hinaus fanden 50 Trommeln<br />

Abnehmer im Publikum - in erfahrenen<br />

oder Anfänger-Händen Sie waren dort gut<br />

aufgehoben, denn die einfach gebauten<br />

Schlaginstrumente können auch Laien Erfolgserlebnisse<br />

vermitteln Ihr Klang teilt sich<br />

nicht nur über den Hörsinn mit, er wird als<br />

Vibration im ganzen Körper spürbar Johnny<br />

Lamprecht gab zu einprägsamen Melodien<br />

vom Tonband den Takt vor - und der Berliner<br />

Platz fand allmählich seinen Rhythmus<br />

Die Mutigsten trommelten frisch drauflos,<br />

andere schlugen zunächst vorsichtig und<br />

zaghaft, dann mit wachsendem Vergnügen,<br />

Dicht an dicht: Beim Auftritt des bekannten<br />

<strong>Bottrop</strong>er Kabarettisten Ludger Stratmann blieb<br />

in den Bankreihen kein Platz frei.<br />

während die Konrad-Schüler zur Musik tanzten<br />

Die Bewegung auf der Bühne sprang auf<br />

das Publikum über, sie fand einen Widerhall<br />

bei Alten und Jungen, bei Demenzkranken<br />

und anderen Senioren - wer hätte sie unterscheiden<br />

können in diesem Moment, geprägt<br />

von gemeinsamer Freude an der Musik? Finger<br />

schnippten, Köpfe wippten, Füße zuckten,<br />

Hüften <strong>wie</strong>gten sich im Takt der Melodie bei<br />

Elefantentanz und Mutmach-Lied<br />

Kinder und Vortrommler hämmerten den<br />

Besuchern ihre selbstbewusste und fröhliche


13<br />

Botschaft ein: „Ich bin klasse, du bist klasse “<br />

Das Publikum entwickelte zusehends mehr<br />

Spaß an der ungewöhnlichen Aktion und<br />

an den starken Tönen, die das improvisierte<br />

Orchester zum Himmel schickte<br />

„Das hält Demenz und Vergesslichkeit ein wenig<br />

auf“, verkündete Johnny Lamprecht auf der<br />

Bühne, der den beteiligten Schülern augenzwinkernd<br />

eine Leistungssteigerung um „eine<br />

Viertelnote in Mathe“ in Aussicht stellte Ob<br />

diese Rechnung aufgeht, mag dahingestellt<br />

sein, aber grundsätzlich gibt die Wissenschaft<br />

dem Trommelkünstler recht Langzeitstudien<br />

haben ergeben, dass aktives Musizieren neben<br />

Wahrnehmung und Denken die motorischen<br />

Fähigkeiten trainiert Ebenso deutlich <strong>wie</strong><br />

Schachspielen und Tanzen reduziert Instrumentalspiel<br />

das Risiko einer Demenzerkrankung<br />

Also: Weitertrommeln!!<br />

Mit hemdsärmeligem Charme, lässig in Jeans<br />

und eine Hand in die Hüfte gestemmt: Als<br />

der Trommelzauber verklungen war, ließ ein<br />

gut gelaunter Doktor Ludger Stratmann das<br />

Publikum spüren, dass er sich bei diesem Auftritt<br />

in seiner Heimatstadt pudelwohl fühlte<br />

Und mancher ältere Zuschauer erinnerte sich<br />

noch an die Praxis des Allgemeinmediziners<br />

in <strong>Bottrop</strong>, wo „Herr Doktor“ durch konzentriertes<br />

Zuhören in der Sprechstunde den<br />

Grundstein legte für seine zweite Karriere als<br />

bundesweit erfolgreicher Kabarettist<br />

Steht für die gute Sache: Oberbürgermeister<br />

Bernd Tischler eröffnete mit überzeugenden<br />

Worten die Aktionswoche mit ihren vielfältigen<br />

Aktivitäten.<br />

Foto: © Pläsken


MITEINANDER 14<br />

Stratmann bekannte sich vor vollbesetzten<br />

Bankreihen auf dem Berliner Platz zu seiner<br />

Vorliebe für den schnörkellosen, direkten<br />

Umgangston, der den „Ruhris“ aus der Seele<br />

spricht: „<strong>Bottrop</strong> ist alles andere als eine<br />

Bussi-Bussi-Gesellschaft “ Für deren falschen<br />

Zungenschlag hat er nichts übrig Aber für<br />

falsches Deutsch: „Wir sprechen keinen Dialekt<br />

Wir sprechen einfach falsch, das muss man<br />

richtig können “ Wie’s geht, demonstrierte er<br />

mit einprägsamen Beispielen und unbewegter<br />

Miene - das Lachen überließ er dem Publikum<br />

Ausführlich beschäftigte sich der „Doc“ bei<br />

diesem Heimspiel mit dem Alter und seinen<br />

unschönen Begleiterscheinungen, die mit<br />

Gelassenheit ertragen werden wollen Bei<br />

Feststellungen <strong>wie</strong> „Ich sitze morgens auf<br />

der Bettkante und überrede mein Kreuz zum<br />

Mitmachen“ war ihm das verständnissinnige<br />

Schmunzeln der älteren Zuhörer auf dem<br />

Berliner Platz sicher - sie wissen, <strong>wie</strong> es sich<br />

Foto: © Pläsken<br />

anfühlt, wenn die Knochen „Zicken machen“<br />

Stratmanns medizinisches Kabarett nimmt der<br />

Krankheit mit Humor viel von ihrem furchteinflößenden<br />

Charakter Sie verliert ihr überwältigendes<br />

Bedrohungspotenzial und schrumpft<br />

auf menschliches Maß Auch auf dem Berliner<br />

Platz lachten alle mit und feierten diesen<br />

kleinen Sieg über jede Art von Krankheit - vom<br />

Herzinfarkt bis zur Demenz Das <strong>Bottrop</strong>er<br />

Publikum ließ seinen Doktor Stratmann nicht<br />

ohne Zugabe gehen und bekam im Gegenzug<br />

Neues von Hausmeister Jupp und seiner Inge<br />

zu hören, darunter die Erkenntnis: „Milben<br />

fressen nur appe Haut “ Laut lesen hilft an<br />

dieser Stelle<br />

Einen großen Auftritt hatten zum Auftakt einer<br />

Veranstaltungswoche, die in ihrem Titel mit<br />

<strong>Seifenblasen</strong> spielt, die luftigen, schillernden<br />

Gebilde selbst Showkünstlerin Irena Bilenka-Chaplin<br />

und ihr Mann Alexander haben<br />

den Umgang mit <strong>Seifenblasen</strong> zur Kunst<br />

Was sagst du? Hartmut Skrok (links), Einrichtungsleiter<br />

des AWO-Altenheims „Schattige<br />

Buche“, lieh Handpuppe „Paula“ seine Stimme.<br />

Dirk Hackstein war ganz Ohr.<br />

entwickelt, und sie führten einem staunenden<br />

Publikum eine Kombination aus Tanz und<br />

Jonglage, Schauspiel und Lichtshow vor Im<br />

Mittelpunkt schwebten dabei die fragilen Gebilde,<br />

geboren aus Seifenlauge und mit Atemtechnik<br />

und Blasrohr in veränderliche Form gebracht<br />

Mit einem kleinen glücklichen Lächeln<br />

im Gesicht beobachteten die Zuschauer, <strong>wie</strong><br />

<strong>Seifenblasen</strong> zum Format riesiger Käseglocken<br />

wuchsen, <strong>wie</strong> sie sich dehnten, bogen und<br />

unter geschickten Händen in die Länge zogen<br />

Zum Abschluss hüllten die beiden Künstler<br />

verblüffte Kinder aus dem Publikum in körpergroße<br />

<strong>Seifenblasen</strong> ein<br />

Unterdessen schob sich eine ungewöhnliche<br />

Gruppe älterer Damen im Schneckentempo<br />

über den Berliner Platz und drängten sich als<br />

sanfte Störenfriede ins Blickfeld der Zuschauer:<br />

Neun Akteurinnen des <strong>Bottrop</strong>er Seniorentheaters<br />

„Spätblüte“ setzten sich als demenziell Erkrankte<br />

in Szene Mit Kamm, Bürste und einem


15<br />

Röhrchen Seifenlauge in der Hand, nur mit<br />

einem Nachthemd bekleidet, stark verzögert<br />

in allen Aktionen und mit entrücktem Blick auf<br />

Reize konzentriert, die nur sie wahrnahmen,<br />

bewegten sich die Schauspielerinnen durch<br />

die Zuschauerreihen Mit dieser Demonstration<br />

trugen sie Verhaltensweisen, die auch von<br />

manchen Angehörigen als absurd, peinlich<br />

oder lächerlich empfunden werden, in die<br />

Gesellschaft hinein, die auf dem Berliner Platz<br />

hinschauen konnte, ohne sich für ihre Neugier<br />

und ihr Lachen zu schämen Die „Spätblüte“<br />

setzte sich mit dieser Aktion mit theatralischen<br />

Mitteln für eine Forderung von Dr Astrid Danneberg<br />

und Barbara Josfeld ein: Der Umgang<br />

mit Demenz und Dementen in der Gesellschaft<br />

solle selbstverständlich werden<br />

Bühnenzauber ganz anderer Art erlebte das<br />

INFO<br />

Die Konradschule hatte im Vorfeld der Aktionswoche mit einem starken Aufgebot von Schülern<br />

und Eltern das Caritas-Altenheim St. Teresa besucht und dort mit den Bewohnern getrommelt.<br />

An diese Erfahrungen knüpften die Schüler bei ihrer Trommel-Einlage auf der Bühne an.<br />

Inzwischen überlegt die Schulleitung, eine Trommel-Gruppe als kontinuierliches Angebot im St.<br />

Teresa-Heim zu installieren.<br />

Publikum beim Auftritt von Liar, zu Deutsch:<br />

Der Lügner Hinter diesem Künstlernamen<br />

verbirgt sich der gebürtige Franzose Michael<br />

Prescler, der seit einigen Jahren in Gladbeck<br />

lebt Als professioneller Bühnenkünstler mit<br />

Hang zu Magie und Illusion bekennt er sich<br />

zur Schwindelei, wenn sie denn der guten<br />

Unterhaltung dient Mit einer Mischung aus<br />

Zauberei und Comedy ließ er die Augen der<br />

jungen Zuschauer leuchten und verblüffte<br />

Foto: © Pläsken<br />

die Älteren Wer lässt sich nicht gern hinters<br />

Licht führen, wenn es dort so spielerisch und<br />

heiter zugeht?<br />

Bands und Chöre sorgten am Nachmittag<br />

auf der Bühne im Stundentakt für musikalische<br />

Abwechslung, und dabei waren alle<br />

Altersgruppen vertreten Temperamentvoll<br />

präsentierte die Flamenco-Tanzschule Türk aus<br />

Mönchengladbach rhythmisches Klatschen,<br />

unterstützt von der AWO <strong>Bottrop</strong> Die jungen<br />

und jung gebliebenen Sänger des <strong>Bottrop</strong>er<br />

Chors „Gospel-Inspiration“, den Thomas<br />

Hessel leitet, stellten einen Querschnitt<br />

des vielseitigen Repertoires vor Der Chor<br />

des Josef-Albers-Gymnasiums, betreut von<br />

Ingo Scherbaum, senkte anschließend den<br />

Altersdurchschnitt auf der Bühne um einige<br />

Jahre ab, den <strong>wie</strong>derum die Seniorenrockband<br />

„Breeze“ um einige Jahrzehnte in die<br />

Höhe schnellen ließ Ihr Auftritt litt unter dem<br />

zunehmend unbeständigen Wetter - aber die<br />

Mitglieder nahmen es mit Humor Oder schon<br />

mit Altersweisheit?<br />

Im Takt: Die beiden Steppkes hatten schnell<br />

gelernt und trommelten mit Begeisterung nach<br />

afrikanischem Rhythmus.


MITEINANDER 16<br />

Paten und Partner<br />

Foto: © Kaprol<br />

Auf den ersten Blick trennen Lichtjahre den agilen 17-Jährigen und die 85-jährige Demenzkranke,<br />

die auf den Rollstuhl ange<strong>wie</strong>sen ist. Aber dem Gesundheitsamt war es wichtig,<br />

vor allem bei der Generation der Jugendlichen, die bald Verantwortung übernehmen wird<br />

in Gesellschaft und Berufsleben, Verständnis zu wecken für die steigende Zahl alter und<br />

demenziell veränderter Menschen. Die jungen Leute sollten durch eigenes Erleben eine<br />

neue Sichtweise auf die Bevölkerungsgruppe der „Alten“ gewinnen. Das Experiment gelang:<br />

Nachdem Barbara Josfeld das Projekt an den Gymnasien und der Berufsschule vorgestellt<br />

hatte, ließen sich 30 Jugendliche aus dem Heinrich-Heine-Gymnasium und dem Berufskolleg<br />

zu Paten ausbilden und begleiteten demenzkranke Senioren bei Veranstaltungen<br />

der Aktionswoche. Ihre Unterstützung war in vielen Situationen gefordert, wenn kräftige<br />

Hände, gesunde Beine, flinke Reaktionen und Einfühlungsvermögen ausgleichen mussten,<br />

was durch Alter und Krankheit verloren ging.<br />

Drei mit Köpfchen: Isabel und Julia spüren<br />

hautnah Zuneigung.<br />

Viele der Schüler berichteten anschließend,<br />

dass ihnen ihre alten Partner offen Dankbarkeit<br />

und Zuneigung zeigten, und einige<br />

wollen den Kontakt zu ihren Schützlingen<br />

fortsetzen und sie weiterhin in den Heimen<br />

besuchen Wie auch immer sich dieser Vorsatz<br />

entwickelt: Den alten Menschen haben<br />

die Jugendlichen ein großes Geschenk<br />

gemacht, und sie haben die Anerkennung<br />

mancher Erwachsenen gewonnen, die ihnen<br />

diesen Einsatz nicht zugetraut hatten<br />

Bei einer zehnstündigen Schulung bereiteten


17<br />

Ganz Ohr: Lavendel weckt viele Erinnerungen,<br />

erfährt Yasemin.<br />

Foto: © Pläsken (o.), © Plönnigs (u.)<br />

In Bewegung: Tatjana lässt sich in die Kunst des<br />

gepflegten Gesellschaftstanzes einführen.<br />

Demenzberaterin Barbara Josfeld und Caro<br />

Stöbling, Mitarbeiterin des Arbeiter-Samariter-Bundes,<br />

die 30 jungen Leute in Theorie<br />

und Praxis auf ihre Aufgabe vor Die Mehrzahl<br />

der Schüler des Berufskollegs absolvierte zur<br />

gleichen Zeit gemäß ihres Ausbildungsplanes<br />

sechswöchige Praktika in Altenheimen<br />

Den Paten wurde anschließend ein alter<br />

Partner zugeteilt und sie nahmen Kontakt<br />

auf Während dieser sensiblen Phase blieben<br />

die Paten und ihre beiden Trainerinnen über<br />

das soziale Netzwerk Facebook im Internet<br />

in Kontakt, was sich als sehr hilfreich er<strong>wie</strong>s


MITEINANDER 18<br />

Von Paten gepostet:<br />

„Das mach’ ich wirklich gern, wenn man dann die Freude in den Gesichtern der Senioren<br />

sieht, das macht mich in gewisser Weise auch glücklich. Ich bin stolz auf meine Partnerin, was<br />

die kann.“<br />

„Flexibilität war ständig gefragt,“ stellt Barbara<br />

Josfeld fest Denn die instabile gesundheitliche<br />

Verfassung der Senioren erforderte<br />

häufige Umplanungen, und in manchem<br />

Altenheim war die Skepsis gegenüber den<br />

Paten groß Auch bei den Schülern, die mit<br />

dem Projekt Neuland betraten, änderten sich<br />

manche Voraussetzungen<br />

Dabei lernte Barbara Josfeld Facebook als<br />

schnelles und intensiv genutztes Kommu-<br />

Foto: © Josfeld<br />

nikationsmedium kennen und schätzen Als<br />

sich eine alte Dame mit der unerwarteten<br />

Bitte nach Begleitung („Haben Sie nicht einen<br />

Schüler für mich?“) bei der Demenzberaterin<br />

meldete, übermittelte sie diese Frage via<br />

Facebook an die Paten Nach einer Minute,<br />

berichtet sie, lag eine Rückmeldung vor: „Ich<br />

könnte das machen, da meine Dame nicht<br />

jeden Tag zu Veranstaltungen gehen möchte<br />

Da hab’ ich ja Zeit “<br />

Nach der ersten harmonischen Begegnung<br />

mit ihrer 89-jährigen Partnerin Marga sei sie<br />

erleichtert gewesen, ebenso ihre Freundin<br />

Julia, berichtet die Schülerin Isabel Kreie in der<br />

Wochenzeitung „Der Stadtspiegel“ Bei einem<br />

zweiten Besuch sprachen sie ab, welche<br />

Sehr vertraut: Im Laufe der Aktionswoche<br />

entwickelten Alt und Jung teilweise innige<br />

Beziehungen. Anabella hat „ihre“ Seniorin ins<br />

Herz geschlossen.


19<br />

Foto: © Josfeld<br />

Zwei, die sich gut verstehen: Marie lässt keinen<br />

im Regen stehen – erst recht nicht ihren Aktionswochen-Partner.<br />

Veranstaltung der Aktionswoche auf dem Programm<br />

stehen soll, und so besuchte man gemeinsam<br />

das Sommercafé „<strong>wie</strong> in alten Zeiten“<br />

im Restaurant Overbeckshof - eine begehrte<br />

Adresse an jenem Tag, <strong>wie</strong> sich herausstellte<br />

„Den ganzen Nachmittag über konnte man in<br />

strahlende Gesichter schauen“, berichtet Isabel<br />

Sie hat dabei auch gelernt, dass Lebensfreude<br />

nicht von Alter und Demenz abhängig ist<br />

Für einige Paten bedeutete die Aktionswoche<br />

eine sehr intensive Zeit mit mehreren<br />

Begegnungen, andere sahen ihre Partner nur<br />

ein oder zwei Mal Dr Astrid Danneberg: „Ich<br />

war beeindruckt, <strong>wie</strong> liebevoll die Paten mit<br />

ihren demenzkranken Partnern umgingen Sie<br />

haben sich sehr gut auf sie eingelassen und<br />

Von Paten gepostet:<br />

einstellen können, ihre Fähigkeiten wahrgenommen<br />

und gefördert und kleine Missgeschicke<br />

mit Humor genommen “<br />

Einen lebendigen Eindruck vom Miteinander<br />

der Paten und ihrer Partner soll eine kurze<br />

Filmdokumentation vermitteln, an der vier<br />

18-jährige <strong>Bottrop</strong>er nach Abschluss des Projekts<br />

arbeiten Alexander Hoffmann, Thiemo<br />

Ehlert, Nico Linde und Laura Traeder haben<br />

die Demenz-Aktionswoche mit Videokamera<br />

und Mikrofon begleitet, sie haben recherchiert,<br />

Interviews und Hintergrundgespräche<br />

geführt Bei der Fertigstellung ihrer Dokumentation<br />

wurden sie unterstützt vom Team des<br />

Webradios „FunkHaus <strong>Bottrop</strong>“, das über den<br />

Computer ein Radioprogramm verbreitet<br />

„Meine Omi ist die coolste, sie hat nach dem Sommercafé, was wir beide schön fanden, versucht,<br />

mich mit einem Pfleger aus dem Heim zu verkuppeln, das war sooo lustig! Außerdem<br />

bietet sie mir immer an, mich auch mal im Rollstuhl zu schieben.“


MITEINANDER 20<br />

Foto: © Kaprol<br />

Sommercafé <strong>wie</strong> damals<br />

Es war <strong>wie</strong> damals - die schönen Momente<br />

gingen viel zu schnell vorüber. Ein kleiner<br />

Spaziergang durch den Stadtgarten, am<br />

Springbrunnen und an bunten Blumen<br />

vorbei. Die Sonnenuhr zeigte die Nachmittagsstunde<br />

an, aus dem Overbeckshof<br />

klang fröhliche Akkordeon-Musik und lockte<br />

zu Kaffee und Kuchen. Als frisch Verliebte,<br />

junge Eheleute oder stolze Eltern haben sie<br />

damals dort auf der Terrasse gesessen, und<br />

an einem Donnerstag während der Aktionswoche<br />

saßen sie <strong>wie</strong>der dort. Das Klönen<br />

war deutlich ruhiger geworden, und einige<br />

parkten erst mal ihren Rollator in der Ecke,<br />

bevor sie Platz nahmen.<br />

Mit ihrem „Sommercafé <strong>wie</strong> damals“ holten<br />

Silvia Elschner vom KWA Stift Urbana und<br />

etliche Helfer zahlreiche lebhafte Erinnerungen<br />

ans Tageslicht. „Unsere 66 Senioren,<br />

die sich angemeldet haben, kommen aus<br />

unterschiedlichen <strong>Bottrop</strong>er Einrichtungen,<br />

aber was sie alle verbindet, ist eben der<br />

Overbeckshof. Die Erinnerungen schaffen<br />

Gemeinschaft und Verbundenheit – eine<br />

wichtige Erfahrung für Demenzkranke“,<br />

betonte Silvia Elschner.<br />

In die Tasten gehauen: Christa Beukert gab<br />

dem Sommercafé mit ihrem Akkordeon eine<br />

beschwingte Note.


21<br />

Begleitet wurden die Seniorinnen und Senioren<br />

nicht nur von Mitarbeitern der Einrichtungen,<br />

sondern auch von ihren Paten aus<br />

<strong>Bottrop</strong>er Schulen Und so klönten Isabel Kreie<br />

(15) und Julia Stecking (16) vom Heinrich-Heine-Gymnasium<br />

mit „ihrer“ Marga (89) und<br />

lauschten neugierig, <strong>wie</strong> es „früher so war im<br />

Overbeckshof“ Um Paten für die Seniorin zu<br />

werden, hatten sich die beiden gemeinsam<br />

mit den anderen Schülerinnen und Schülern<br />

im Vorfeld über die Krankheit „Demenz“<br />

informiert und waren im Rollstuhl durch die<br />

Innenstadt und den Supermarkt gefahren<br />

„Wir wollten wissen, <strong>wie</strong> man sich fühlt, wenn<br />

man auf den Rollstuhl ange<strong>wie</strong>sen ist, und wo<br />

in unserer Stadt Schwächen und Hindernisse<br />

sind “ Auch Yvonne Peters und Anna Bako<br />

vom Berufskolleg hatten keinerlei Berührungsängste<br />

„Ach was, ich kenne Demenz und ihre<br />

Folgen für den kranken Menschen aus unserer<br />

eigenen Familie“, winkte Yvonne ab und lachte,<br />

„das ist gar kein Problem “<br />

Mittendrin in dieser lockerleichten Atmosphäre<br />

spielte Christa Beukert Akkordeon und<br />

weckte mit alten Volksliedern und musikalischen<br />

Schmonzetten <strong>wie</strong> „Wenn bei Capri die<br />

rote Sonne im Meer versinkt“ Erinnerungen<br />

Ohne Mikro und Verstärker versteht sich –<br />

eben genauso <strong>wie</strong> damals „Die Musik ist<br />

toll, aber für mich könnte sie sogar noch ein<br />

bisschen mehr Schwung haben“, erzählte<br />

Else Kubis Die 91-Jährige wohnt mit Leib und<br />

Seele im Caritashaus St Teresa, lacht und singt<br />

gerne und steckt mit ihrer Fröhlichkeit sogar<br />

andere Mitbewohner an „Der Stadtgarten<br />

und der Overbeckshof sind das Schönste, was<br />

<strong>Bottrop</strong> zu bieten hat - und hach, einen schö-<br />

Foto: © Danneberg<br />

Ausgelassener Spaß: In einer Polonäse zogen die Senioren durch den Overbeckshof und über die<br />

Terrasse. Dabei wurde lauthals gesungen.<br />

nen Walzer könnte ich jetzt hören“, freute<br />

sich die gebürtige Oberhausenerin, während<br />

Altentherapeutin Marion Grömmke auf dem<br />

Nachbarstuhl leise lachend den Walzer „Wir<br />

kommen alle in den Himmel“ anstimmte<br />

„Was sollen wir im Himmel, wir sind doch hier<br />

gut aufgehoben, und außerdem ist meine<br />

Mutter über 100 geworden, da habe ich gute<br />

Gene“, erwiderte Else Kubis zwar resolut, aber<br />

doch mit einem Augenzwinkern Auch ihre<br />

Mitbewohnerin, Frau Kuss, liebt den Stadtgarten<br />

innig „Die alten Bäume, die Blumen,<br />

der ganze Park ist toll, und genau deswegen<br />

sind mein Mann und ich hier früher so gerne<br />

spazieren gegangen“, erinnerte sie sich, und<br />

schon schwelgte sie bei Kaffee und Kuchen<br />

gemeinsam mit den jungen Helferinnen<br />

Alina Tollkötter und Charleen Wagner in<br />

Erinnerungen<br />

Das „Sommercafé <strong>wie</strong> damals“ war für die<br />

Besucher eine spannende und erfolgreiche<br />

Reise in die Vergangenheit Denn gerade für<br />

Demenzkranke sind <strong>Gedanken</strong> <strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>,<br />

aber Erinnerungen oftmals so unvergänglich<br />

<strong>wie</strong> kostbare Diamanten<br />

Corinna Prange


MITEINANDER 22<br />

Stadtrundgang auf den Spuren vergangener Zeiten<br />

Jedes aktuelle Stadtbild, das über Jahrzehnte gewachsen ist und sich verändert hat, bietet<br />

eine Fülle von Anknüpfungspunkten für Erinnerungen. Sie sind abgespeichert im Gedächtnis<br />

der alten Einwohner, die von Kindesbeinen an <strong>Bottrop</strong>s Entwicklung miterlebt haben.<br />

An diesem Punkt setzte das Angebot des Stadtarchivs an, das aber mit Vorbedacht nicht<br />

beschränkt war auf die Generation 60plus: Archivleiterin Heike Biskup und Elsbeth Müller,<br />

Mitarbeiterin der Historischen Gesellschaft, begleiteten an fünf Werktagen einen Stadtrundgang<br />

durch Alt-<strong>Bottrop</strong>.<br />

Treffpunkt war mit der St Cyriakus-Kirche<br />

eines der ältesten Bauwerke in der City Von<br />

dort aus führte ein einstündiger Spaziergang<br />

zu sieben weiteren historischen Gebäuden<br />

oder Plätzen, die einen Überblick über<br />

augenfällige Veränderungen vermittelten Die<br />

langsamsten Teilnehmer gaben das Lauftempo<br />

vor Der 80-jährige Heinz Siegel hatte sich<br />

gemeinsam mit Ehefrau Klara, die auf den<br />

Rollstuhl ange<strong>wie</strong>sen ist, vom Fahrdienst des<br />

Foto: © Danneberg<br />

DRK in die Innenstadt bringen lassen Dort<br />

angekommen, ließ die 78-Jährige die Blicke<br />

schweifen Sie ist alte <strong>Bottrop</strong>erin, lebte mit ihrem<br />

Mann fünf Jahrzehnte an der Gladbecker<br />

Straße Als ihre Beine sie noch trugen, führten<br />

sie ihre täglichen Wege oft durch die Straßen<br />

im Stadtkern Nun braucht sie dafür Hilfe<br />

Heike Biskup überließ die Erinnerungsarbeit<br />

nicht nur ihren Mit-Läufern, sie hatte vielmehr<br />

für historisches Anschauungsmaterial auf<br />

der Strecke gesorgt, das dem Gedächtnis auf<br />

die Sprünge helfen sollte An acht Stationen<br />

warteten in Schaufenstern ausgestellte historische<br />

Fotos im Großformat auf die Gruppe<br />

Die Bilder drehten die Jahre zurück, sie<br />

zeigten den Alltag in der jungen Großstadt<br />

<strong>Bottrop</strong> in den ersten Jahrzehnten des 20<br />

Jahrhunderts Zumeist mussten die beiden<br />

Führerinnen, in Stadtgeschichte sattelfest,<br />

nicht lange auf die ersten Kommentare warten:<br />

An diesem Standort ratterte früher die<br />

Straßenbahn durch die Hochstraße, mancher<br />

hatte den Ton noch im Ohr Gegenüber, vor<br />

der Schauburg, zählten die Filmfreunde ihre<br />

Pfennige, um die Eintrittskarte zu bezahlen<br />

- <strong>wie</strong> hießen noch gleich die anderen Kinos<br />

in <strong>Bottrop</strong>? Die Frage löste ungläubiges<br />

Staunen aus bei den jungen Teilnehmern<br />

des Stadtrundgangs, die ihre Heimatstadt als<br />

Kino-Standort bereits vor Jahren abgeschrie-<br />

So war es: Heike Biskup (rechts), Leiterin des<br />

Stadtarchivs, und Elsbeth Müller, Mitarbeiterin<br />

der Historischen Gesellschaft, fanden aufmerksame<br />

Zuhörerinnen.


23<br />

ben hatten Manchmal brachten solche Szenen<br />

Generationen miteinander ins Gespräch<br />

Eine andere Dame aus der Gruppe griff den<br />

Erzählfaden auf, steuerte ihre Erinnerungen an<br />

das Kaufhaus Althoff bei, das seit den neunziger<br />

Jahren des 19 Jahrhunderts das Gesicht<br />

der Innenstadt prägte, auch wenn der Name<br />

inzwischen gewechselt hat Auch Klara Siegel<br />

hat dort gekauft, und wenn’s etwas Besonderes<br />

sein sollte, fuhr man nach Essen Ehemann<br />

Heinz Siegel nickte Er freute sich, dass seine<br />

Frau die Innenstadt <strong>wie</strong>dersehen konnte Die<br />

alte Dame sprach nicht viel bei diesem Rundgang,<br />

und ihr Schweigen wurde respektiert<br />

Jeder erinnert sich auf seine Weise<br />

Der Weg führte an der Martinskirche vorbei<br />

zum Glockenspielhaus Die beiden Führerinnen<br />

Heike Biskup und Elsbeth Müller begleiteten<br />

die Führung zwar mit Fakten und Daten<br />

zur Stadtgeschichte Aber sie verstanden sich<br />

in erster Linie als Gesprächspartner, die auf<br />

Erinnerungen ihrer Gäste reagierten, diese<br />

Gedächtnisbilder ergänzten und behutsam<br />

nachfragten, um selbst zu lernen Denn bald<br />

wird es keine Zeitzeugen mehr geben, die von<br />

einem Rendezvous an der Persiluhr berichten<br />

können: Der Zeitmesser, ein Werbeträger<br />

im Großformat, diente den jungen Leuten<br />

als Treffpunkt auf dem Pferdemarkt, als der<br />

kurzfristig den Namen Hans-Sachs-Platz trug<br />

Unterwegs in der City: Rollstuhlfahrerin<br />

Klara Siegel und ihr Ehemann Heinz freuten sich<br />

über die ungewöhnliche Stadtführung.<br />

Bekanntlich war diese Veränderung dem Nazi-Regime<br />

geschuldet und nicht von Dauer<br />

Die Gruppe näherte sich <strong>wie</strong>der der St Cyriakus-Kirche<br />

Mit Rücksicht auf die Zusammensetzung<br />

der Gruppe habe sich der Rundgang<br />

auf den Weg um das „Karstadt-Karree“<br />

beschränkt, erklärte die Archivleiterin Wie<br />

zur Bestätigung wurde Heinz Siegel unruhig:<br />

Foto: © Danneberg<br />

Er wollte den Fahrdienst nicht warten lassen,<br />

den das DRK während der Aktionswoche<br />

kostenlos zur Verfügung stellte und der das<br />

Ehepaar zurückbrachte ins Seniorenheim Auf<br />

diesen Transport-Service waren die Siegels ange<strong>wie</strong>sen<br />

- <strong>wie</strong> so viele ältere und behinderte<br />

<strong>Bottrop</strong>er, die an der Aktionswoche teilgenommen<br />

haben


MITEINANDER 24<br />

Sommerball: Komm lass uns tanzen!<br />

Mit Bedacht hatte Tanzlehrer Peter Frank für seinen Tanzabend den schönen altmodischen<br />

Begriff Sommerball gewählt. Das Wort klingt gleichermaßen stilvoll <strong>wie</strong> heiter, es<br />

verheißt ein kleines gesellschaftliches Ereignis, wer will und kann, darf sich erinnern: An<br />

durchtanzte Nächte, in denen Musik in der Luft lag, an leichten Schwindel nach zu vielen<br />

Drehungen im Dreivierteltakt. Auch bei Peter Frank erklang der „Schneewalzer“, den viele<br />

Gäste in ihrem langen Leben schon so oft gehört haben. Franz und Christel van Troyen<br />

bildeten keine Ausnahme. „Meine Frau hat immer sehr gern getanzt“, sagte der 81-jährige<br />

<strong>Bottrop</strong>er, der mit seiner Lebenspartnerin an einem der kleinen Tische am Rand der<br />

Tanzfläche Platz genommen hatte. Franz van Troyen trug Krawatte, <strong>wie</strong> es sich für den<br />

älteren Herren gehört, der seine Frau zum Tanz ausführt, und die 80-Jährige hatte sich<br />

ebenfalls auf dezente Weise schick gemacht. Christel van Troyen <strong>wie</strong>gte sich im Takt der<br />

Musik, sie klatschte mit, ihre Augen leuchteten: „Ich hab’ meinen Spaß.“<br />

So sollte es sein Peter und seine Mutter<br />

Helga Frank sind Profis und Pädagogen auf<br />

dem Parkett, sie bringen Erfahrung mit im<br />

Umgang mit Senioren Sie wussten daher, <strong>wie</strong><br />

ein dreistündiger Sommerball gestaltet sein<br />

muss, der alten und dementen Menschen<br />

Freude bereitet „Alte Leute sind ein dankbares<br />

Publikum, aber sie wollen persönlich<br />

angesprochen werden“, sagte Peter Frank<br />

AM RANDE NOTIERT<br />

Foto: © Plönnigs<br />

Aufgedreht: Ob im großen Kreis, in der Gruppe<br />

oder zu Zweit – das gemeinsame Tanzen<br />

machte sichtlich Spaß.<br />

Also gab es ein Gläschen Sekt zum Auftakt<br />

und eine persönliche Begrüßung, ein kleines<br />

Tanzprogramm mit bekannten Melodien,<br />

vereinfachten Rhythmen und einprägsamen<br />

Schrittfolgen, viele Pausen, eine große<br />

Sitztanz-Runde für die nicht mehr mobilen<br />

Besucher, eine Tango-Vorführung fürs Auge –<br />

und das kalte Buffet mit „Fingerfood“ lieferte<br />

das nahe gelegene KWA-Stift Urbana<br />

Der Ablauf erinnerte ein wenig an eine<br />

Tanzmuffel Dirk Hackstein, Praktikant im Gesundheitsamt, konnte dem energischen Zugriff<br />

von Helga Frank nicht ausweichen und fand sich an der Seite der erfahrenen Tänzerin auf dem<br />

glatten Parkett <strong>wie</strong>der, wo die beiden beim Tanz allerdings eine gute Figur abgaben. Brigitte<br />

Konietzni hatte die Szene beobachtet und war von der Haltung des Studenten beeindruckt:<br />

„Junger Mann, sie sind mein Held.“


25<br />

Tanzstunde, und <strong>wie</strong> „damals“ widersetzte sich<br />

keiner der Besucher, als Helga Frank die Gäste<br />

sanft, aber nachdrücklich auf die Tanzfläche<br />

dirigierte Wie ging das noch beim Foxtrott?<br />

Peter Frank demonstrierte die einfach gehaltenen<br />

Schritte und spielte dabei den Entertainer:<br />

„Den Fuß nur kurz auftippen, als ob man einer<br />

Fliege eine Kurznarkose geben wollte “ Beim<br />

anschließenden praktischen Einsatz gab’s viel<br />

zu lachen für Tanzpaare, die erst an jenem<br />

Fotos: © Plönnigs (2)<br />

Formvollendet: Christel und Franz von Troyen<br />

sind erfahrene Tänzer.<br />

Taktangebend: Tanzlehrer Peter Frank führte die<br />

Damenriege an.<br />

Abend zueinander gefunden hatten, während<br />

altgediente Eheleute <strong>wie</strong> die van Troyens von<br />

ihrer jahrelangen Tanzerfahrung profitierten<br />

und mühelos über die Tanzfläche glitten<br />

Wer zuschauen musste, kam bald darauf beim<br />

Sitztanz auf seine Kosten Unter der Regie<br />

von Helga Frank wurde jedes Gelenk von der<br />

Hand bis zum Fuß in wohldosierte Bewegung<br />

versetzt Tanzen bedeutet neben Geselligkeit<br />

auch körperlichen Einsatz und Berührung - sel-<br />

tene Erfahrungen für einsame, alte Menschen<br />

Franz van Troyen gab dem Sommerball zum<br />

Abschluss die Gesamtnote „gut bis sehr gut“<br />

Auch Brigitte Konietzni war zufrieden: „Mir<br />

hat es super gefallen“, meinte sie, während<br />

sie ihren Rollator in Richtung Ausgang schob<br />

„Aber mir gefällt jeder Tag“, setzte die 65-Jährige<br />

nach, die gesundheitlich viele Tiefschläge<br />

verkraften musste „Denn alles, was Leben ist,<br />

ist wertvoll “


MITEINANDER 26<br />

Sternstunden: ein Abend voller Erlebnisse<br />

Wer von einer Sternstunde spricht, meint ein besonderes und besonders schönes Erlebnis.<br />

Sternstunden sind in der Regel selten, doch die Bewohner in den Altenheimen des Diakonischen<br />

Werks in Gladbeck und Bottop haben seit 2006 schon zahlreiche Sternstunden erlebt.<br />

Ihr Programm soll religiöse, musikalische und thematische Elemente zu einem stimmungsvollen<br />

Erlebnis in Gemeinschaft verbinden.<br />

Foto: © Danneberg<br />

Es ist angerichtet: Liebevoll zubereitete<br />

Häppchen ermunterten die Seniorinnen beim<br />

abendlichen Treffen im Seniorenzentrum Hans<br />

Dringenberg zum Zugreifen.


27<br />

Während der Demenz-Aktionswoche richtete<br />

das Seniorenzentrum Hans Dringenberg<br />

an der Welheimer Straße eine Sternstunde<br />

„zwischen Tag und Dämmerung“ aus, bei<br />

der auch Gäste aus Diakonie-Heimen aus<br />

den Nachbarstädten willkommen waren An<br />

den liebevoll und farbig gedeckten Tischen<br />

blieb kein Stuhl unbesetzt, als Anette Bruse,<br />

Pfarrerin und Altenheim-Seelsorgerin, die<br />

Sternstunde mit einer Andacht eröffnete<br />

Gemeinsam mit Elisabeth Nagel, Mitarbeiterin<br />

des Sozialen Dienstes, und Sybille Gottwick,<br />

Pfarrerin in der Altenheimseelsorge, führte sie<br />

durch den Abend<br />

Jede Sternstunde steht unter einem Motto<br />

Im Hans-Dringenberg-Zentrum ließen sich die<br />

Besucher von den Beiträgen der Mitarbeiterinnen<br />

auf die Spur der Sterne führen, die in Musik<br />

und Literatur so zahlreich vertreten sind<br />

Viele Lieder <strong>wie</strong> „Weißt Du, <strong>wie</strong>viel Sternlein<br />

stehen“ stimmte die Runde an - einmal mehr<br />

er<strong>wie</strong>sen sich die Senioren beim traditionellen<br />

Liedgut als textsicher bis zur letzten Strophe<br />

Gedichte, kleine Geschichten, gefühlvoll und<br />

humorig, und vertraute Klänge weckten Erinnerungen<br />

und vermittelten Geborgenheit<br />

Erleben und Genießen: Was auf den Tisch<br />

kommt und <strong>wie</strong> es präsentiert wird, regt<br />

die Sinne an und spielt auch im Alter eine<br />

große Rolle Die Küche hatte bei der Zubereitung<br />

griffbereit präsentierter Häppchen<br />

keinen Aufwand gescheut Zu Käse und<br />

Fleischwurst, in mundgerechte sternförmige<br />

Bissen geschnitten, gesellten sich Kartoffelchips<br />

mit lustigen Gesichtern und bunte<br />

Lakritze Zur Feier der Sternstunde wurde eine<br />

Erdbeer-Bowle serviert, Platten mit Pizza und<br />

Schmalzbroten ermunterten zum Zugreifen<br />

Die Mitarbeiterinnen mischten sich schließlich<br />

unter die Gäste und zogen die Tischnachbarn<br />

in entspannter Atmosphäre ins Gespräch Man<br />

sprach über das Wetter, die Kinder Und über<br />

Sterne Pfarrerin Sybille Gottwick erzählte die<br />

Geschichte von einem Zivildienstleistenden<br />

im Altenheim, dem eine Seniorin einen Stern<br />

am Firmament schenkt Im kleinen Maßstab<br />

erlebten alle Gäste der Sternstunde Ähnliches:<br />

Jeder fand auf seinem Teller eine Papiertüte,<br />

darin ein Gläschen Marmelade, einen selbstgebastelten<br />

roten Stern und eine Abschrift<br />

des Sterntaler-Märchens<br />

Zum Abschluss bedankten sich die Besucher<br />

mit herzlichem Applaus bei ihren Gastgebern<br />

für eine Sternstunde in ihrem Alltag<br />

Lass ´mal sehen: Jeden Gast erwartete an seinem<br />

Platz eine Tüte voller Überraschungen <strong>wie</strong><br />

ein Gläschen mit Erdbeermarmelade und ein<br />

selbstgebastelter Papierstern.<br />

Foto: © Danneberg


MITEINANDER 28<br />

Kohle weckt Erinnerungen<br />

Der Bergbau hat in den <strong>Bottrop</strong>er Familien<br />

als Arbeitgeber über Jahrzehnte eine<br />

wichtige Rolle gespielt. Er hat Spuren<br />

hinterlassen - im Stadtbild ebenso <strong>wie</strong> im<br />

Gedächtnis der Familien, die ihren Alltag an<br />

der Arbeit „auf Zeche“ orientierten. Mit dem<br />

Projekt „Kohle weckt Erinnerung“ knüpften<br />

die Museumspädagogen Börje Nolte<br />

und Hildegard Priebel an diese kollektiven<br />

Erfahrungen an.<br />

Sie beließen es beim Besuch im AWO-Seniorenzentrum<br />

„Schattige Buche“ nicht<br />

bei Worten, sie führten die Gruppe von<br />

zehn demenzkranken Bewohnern über<br />

sinnliche Wahrnehmung zur Erinnerung<br />

Nolte erschien in Bergmannskluft, mit Kohle<br />

eingestaubt bis zu den schweren Stiefeln,<br />

er trug Halstuch, Helm und brachte weitere<br />

Utensilien mit, die seiner Figur Authentizität<br />

und damit Wiedererkennungswert verliehen<br />

Foto: © Kaprol<br />

Sein Erscheinungsbild wirkte ungewöhnlich<br />

in der geschützten Welt des Altenheims, löste<br />

aber keine Furcht aus, sondern Neugier Nolte<br />

ließ einen Kohlebrocken herumgehen, der<br />

betastet und in vielen Händen gewogen wurde<br />

Er wusste auch, welche Fragen er stellen<br />

musste: „Haben Sie schon ihre Kohle von der<br />

Zeche bekommen? Ihr Deputat?“<br />

Der junge Mann ging im Stuhlkreis in die<br />

Knie und erreichte damit Augenhöhe mit den<br />

Senioren Viele Gesichter wandten sich ihm<br />

zu, einige reagierten stark interessiert und<br />

streckten die Hände aus, als er eine Meterlatte<br />

herauszog Hildegard Priebel mischte sich<br />

ein und zeigte einen „westfälischen Frosch“,<br />

eine Grubenlampe Börje Nolte selbst hielt<br />

eine Wetterlampe in die Höhe Bei diesem<br />

Anblick wurde ein ehemaliger Bergmann in<br />

der Runde hellwach: „Das mit der Lampe, das<br />

müssen Sie erklären“, verlangte er Nolte tat<br />

ihm den Gefallen, erzählte von der Flamme,<br />

deren Verlöschen dem Bergmann den gefährlich<br />

geringen Sauerstoffgehalt der Atemluft<br />

signalisierte Der alte Mann nickte zufrieden:<br />

Ja, so war das<br />

Die Gerätekiste der Museumspädagogen<br />

gab weitere Erinnerungsstücke frei - vom<br />

Bergmannshemd, an dessen rauhen Baumwollfasern<br />

sich die Frauen in der Waschküche<br />

abgearbeitet haben, bis zum Abbauhammer<br />

Glück auf, der Steiger kommt: Mit Börje<br />

Nolte hielt der Bergmannsalltag Einzug im<br />

AWO-Se-niorenzentrum „Schattige Buche“. Der<br />

Museums-pädagoge erzählte von den Zeiten<br />

„vor Kohle“.


29<br />

Foto: © Kaprol<br />

mit Gebrauchsspuren Wieder war es der alte<br />

Bergmann, der Noltes Frage aufnahm und<br />

beantwortete: Das Loch im Bereich des Griffs<br />

des Geräts wurde für den Pressluftschlauch<br />

gebraucht Das wird er wohl nie vergessen<br />

INFO<br />

Die beiden Museumspädagogen sind freie<br />

Mitarbeiter des LWL-Industriemuseums<br />

„Zeche Nachtigall“ und haben insgesamt<br />

fünf Programme für Senioren mit unterschiedlichen<br />

Schwerpunkten <strong>wie</strong> „Küche und<br />

Haushalt“ oder „Pause machen - buttern“ vorbereitet.<br />

Alle sind mit dem Bergbau verknüpft.<br />

Auskunft gibt Börje Nolte im Industriemuseum<br />

des Landschaftsverbandes unter<br />

Telefon 02 11 / 688 74 83.<br />

Das AWO-Seniorenzentrum „Schattige Buche“<br />

hat die Reihe mit fünf Veranstaltungen<br />

gebucht. Die Museumspädagogen besuchen<br />

dieselbe Gruppe demenziell veränderter Männer<br />

und Frauen im Abstand von zwei Wochen.<br />

Nach zwölf Wochen wird das Programm<br />

<strong>wie</strong>derholt. Diese Regelmäßigkeit soll Struktur<br />

und Sicherheit schaffen, was für Demenzpatienten<br />

sehr wichtig ist.<br />

Auskunft gibt im Seniorenzentrum, Michael<br />

Mengede, Telefon 0 20 41 / 77 21 30.<br />

Die Grubenlampe voran: Beim ehemaligen<br />

Bergmann in der Runde wurden Erinnerungen<br />

wach an jene Zeiten seines Berufslebens, als ein<br />

Blick auf die Lampe Leben retten konnte.


MITEINANDER 30<br />

Seniorentanz – ein munterer Reigen auf dem Berliner Platz<br />

Zum Abschluss der Aktionswoche erlebten die Besucher den Berliner Platz beim Seniorentanzfest<br />

noch einmal als Zentrum der Bewegung. Eine Polonäse, in die sich Stadtkämmerer<br />

Willi Loeven und Jutta Pfingsten als Vorsitzende des Seniorenbeirats einreihten, eröffnete<br />

das mehrstündige Programm. Dabei nahmen Gruppen mit 50 Tänzern und mehr die große<br />

Aktionsfläche in Besitz, eingerahmt von Stühlen für das Publikum, das bei den Sitztanz-Einlagen<br />

kräftig mitmachte. Zu bekannten Melodien <strong>wie</strong> „Horch, was kommt von draußen<br />

rein“ hatten die übungsleiterinnen Choreografien in unterschiedlichen Sch<strong>wie</strong>rigkeitsgraden<br />

entwickelt und gaben per Mikrofon Anweisungen, die auf dem Platz zur Musik in<br />

Schrittfolgen umgesetzt wurden: Mit Schwung, Spaß und Präzision. Auch Oberbürgermeister<br />

Bernd Tischler schloss sich am Nachmittag den Tänzern an.<br />

Foto: © Danneberg<br />

In Formation: Beim Fest zum Abschluss der<br />

Aktionswoche tanzte auf dem Berliner Platz<br />

niemand aus der Reihe.<br />

Ziel war neben dem individuellen Vergnügen<br />

ein harmonisches Gesamtbild, und den<br />

Akteuren gelangen Synchronschritte, die<br />

manchen Zuschauer verblüfften „Tja, nachmachen“,<br />

kommentierte eine grauhaarige<br />

Tänzerin vergnügt die erstaunten Blicke Wer<br />

diese Aufforderung in die Tat umsetzt, ist auf<br />

einem guten Weg, um Demenz vorzubeugen:<br />

Tanzen zu lernen, stimuliert die Gehirnzellen<br />

Körper und Geist laufen auf Hochtouren,<br />

wenn Musik in koordinierte Bewegung umgesetzt<br />

wird<br />

Organisiert wurde das Fest vom Arbeitskreis<br />

Seniorentanz, der viele Mitglieder aktivieren<br />

konnte Die Gruppe hat Erfahrung in der


31<br />

Farbenfroh: Eine türkische Folkloregruppe zog<br />

viele Blicke auf sich.<br />

Munterer Reigen: Tanzlehrerin Helga Frank<br />

(Mitte) und ihre Mitstreiterinnen brachten viele<br />

<strong>Bottrop</strong>er auf die Beine.<br />

Organisation dieser Veranstaltung, die in<br />

<strong>Bottrop</strong> bereits zweimal „open air“ über die<br />

Bühne gegangen ist Sozialamt und Seniorenbeirat<br />

leisteten Unterstützung<br />

Während der Pausen wirbelten junge Beine<br />

über die Tanzfläche: Kinder- und Jugendgruppe<br />

der Kleinen Karnevals-Gesellschaft<br />

(KKG) zeigten temperamentvollen Einsatz,<br />

bei dem die schwedische Popgruppe „ABBA“<br />

Pate stand Eine türkische Folkloregruppe<br />

und die Formation „Tirkedi“ aus Oberhausen,<br />

die israelische Tänze vorführte, präsentierten<br />

Kostproben östlicher Tanzkultur Getanzt wird<br />

überall auf der Welt, wo Musik erklingt und<br />

Menschen beisammen sind<br />

Fotos: © Traeder (2)


MITEINANDER 32<br />

Foto: © Kaprol<br />

Tiere tun gut<br />

Hunde bringen Freude und Abwechslung<br />

in den Alltag eines Pflegeheims, und sie<br />

wecken bei den Bewohnern Erinnerungen an<br />

Erlebnisse mit den Vierbeinern Der Arbeiter<br />

Samariter Bund unterhält einen ehrenamtlichen<br />

Besuchshundedienst für die Städte<br />

Essen und <strong>Bottrop</strong>, in dem 20 Hundebesitzer<br />

vernetzt sind Ob ein Vierbeiner als Besuchshund<br />

taugt, hängt nicht in erster Linie von<br />

der Rasse ab Beim Eröffnungsfest der Demenz-Aktionswoche<br />

demonstrierten sowohl<br />

Mops „Bruno“ als auch der schwarze Retriever<br />

„Balou“ ihre Qualitäten als freundliche und<br />

gutmütige Partner von Senioren<br />

KONTAKT<br />

ASB <strong>Bottrop</strong>, Telefon 0 20 41 / 375 80 00<br />

E-Mail: epost@asb-bottrop.de<br />

Der Hund als Therapeut: Tiere bringen Abwechslung<br />

in den Alltag im Seniorenheim. Sie sorgen<br />

für Körperkontakt und sinnliche Erfahrungen,<br />

wecken bei vielen alten Menschen Erinnerungen.<br />

Voraussetzung ist, dass die Tiere ihre Gutmütigkeit<br />

und Belastbarkeit bei der Ausbildung<br />

be<strong>wie</strong>sen haben.


33<br />

Der Griff zur Mähne: Pflegedienstleiterin Marita<br />

Neumann (Mitte) kennt den Effekt, den die Nähe<br />

eines Ponys bei Senioren auslöst.<br />

Im Aufzug: Sputnik und Lucky bevorzugen das<br />

Fahrstuhlfahren auf dem Weg von einer Station<br />

zur anderen im Caritas-Haus St. Johannes in<br />

Kirchhellen.<br />

Das Pferd auf dem Flur . . .<br />

Der Anblick von Hunden löst in <strong>Bottrop</strong>er<br />

Heimen keine Aufregung mehr aus, aber ein<br />

Pony-Besuch ist ein ungewöhnliches Erlebnis<br />

Gespannt warteten die Senioren auf allen<br />

Stationen im Caritas-Haus St Johannes in<br />

Kirchhellen auf den angemeldeten Ponybesuch,<br />

der sich mit Hufgetrappel auf dem Flur<br />

ankündigte „Sputnik“ und „Lucky“ reagierten<br />

lammfromm, als sich ihnen viele Hände<br />

entgegen streckten - die üppigen Mähnen<br />

der Tiere wippten in bequemer Griffhöhe vor<br />

den Senioren und ermunterten zum Zugreifen<br />

Michael Westermann streichelte kräftig<br />

drauflos, bis Heinrich Wessel intervenierte:<br />

„Nicht gegen den Strich streicheln!“ Wie so<br />

Foto: © Kaprol (2)<br />

viele Kirchhellener hat er früher selbst Pferde<br />

gehalten „Die Pferde stimulieren alle Sinne<br />

Das Hufgeklapper und Schnauben, das warme,<br />

weiche Fell, die strubbelige Mähne und<br />

der typische Geruch erinnern an vergangene<br />

Zeiten“, stellte Marita Neumann fest Seit zwei<br />

Jahren arbeitet die Pflegedienstleiterin des<br />

Seniorenstiftes Haus Berge in Essen-Bergeborbeck<br />

bei der Betreuung von Senioren und<br />

Demenzkranken mit Ponys Altenpflegerin<br />

Jenny Lützenburg besuchte mit einem der<br />

Tiere auch bettlägerige Senioren, bevor Menschen<br />

und Ponys den Rückweg antraten - mit<br />

dem Aufzug Das fällt auch Pferden leichter<br />

als Treppensteigen


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 34<br />

Schlag auf Schlag im Bildhauer-Workshop<br />

Unablässiges Hämmern klang über den Hof, jeder Schlag wirbelte eine kleine Wolke von<br />

Steinstaub auf, der sich als feiner Film auf Mensch und Mobiliar niederschlug. Bernhard<br />

Bross arbeitete, als ob er es bezahlt bekäme, doch mit mehr als 80 Jahren ist er von der<br />

Erwerbsarbeit weit entfernt. Aber die Tätigkeit, die ihm Bildhauer Guido Hofmann-Flick<br />

angeboten hatte, übernahm er mit Freude und bearbeitete seitdem konzentriert einen<br />

Sandsteinblock mit Hammer und Meißel: Das war seine Aufgabe. Bernhard Bross hat früher<br />

unter Tage im Bergbau malocht, <strong>wie</strong> so viele <strong>Bottrop</strong>er Kumpels. Dieser biografische Hintergrund<br />

erklärte in den Augen des Skulpturen-Künstlers das Engagement seines schweigsamen<br />

Gastes. Hofmann-Flick hatte zuvor Flächen auf einem Steinstück rot eingefärbt<br />

und vorgeschlagen: „Hauen Sie das mal weg, Bernhard!“ Das ließ sich der alte Herr nicht<br />

zweimal sagen.<br />

Foto: © Kaprol<br />

Der 88-jährige Wilhelm Bons hingegen<br />

bewegte sich im Freiluft-Atelier in Kirchhellen<br />

außerhalb seines beruflichen Erfahrungshorizontes,<br />

denn schließlich war er früher<br />

Konditor Aber auch Taubenzüchter! Aus dem<br />

Steinstück vor seinen Knien hat er die Umrisse<br />

einer Taube herausgeschlagen, er wünschte<br />

sich selbst sein Lieblingstier als Motiv Nun<br />

fehlte nicht mehr viel, um seine erste eigene<br />

Skulptur zu vollenden „Die bekommt einen<br />

Ehrenplatz in ihrem Zimmer, das verspreche<br />

ich ihnen“, gelobte Betreuungsassistentin<br />

Barbara Günther feierlich Sie kennt die beiden<br />

Senioren, die im AWO-Heim „Schattige<br />

Buche“ leben, sie begleitete und beobachtete<br />

die beiden auch am dritten Tag des Bildhauer-Workshops<br />

bei ihrem Besuch im Atelier<br />

Ihr Fazit: „Das sollte man öfter machen! Das<br />

ist in erster Linie ‘was für Männer “ Im Atelier<br />

wirke Herr Bons aufgeschlossener als in seiner<br />

gewohnten Umgebung, stellte die Betreuerin<br />

fest An Mal- und Bastelangeboten im Heim<br />

zeige er wenig Interesse<br />

Gelernt ist gelernt: Bernhard Bross kennt sich als<br />

ehemaliger Bergmann mit der Bearbeitung von<br />

Stein bestens aus. Im Freiluftatelier in Kirchhellen<br />

konnte er fast kein Ende finden...


35<br />

Aber die Armmuskeln anzustrengen, präzise<br />

Schläge mit Hammer und Meißel zu landen,<br />

das machte dem Rollstuhlfahrer Freude Erst<br />

recht, weil er bei diesem Ausflug nicht allein<br />

war Verena Albus (16) und Laura Leinberger<br />

(17) leisteten ihm schon seit einigen Wochen<br />

auch im Heim Gesellschaft, und Wilhelm<br />

Bons hat seine beiden Patinnen ins Herz<br />

geschlossen Die Schülerinnen wussten: Es<br />

war etwas Besonderes, dass der Rentner sich<br />

noch nach einigen Tagen an das gemeinsam<br />

erlebte Fest auf dem Berliner Platz erinnerte,<br />

mit dem die Veranstaltungswoche „<strong>Gedanken</strong><br />

<strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“ eröffnet wurde Davon hat<br />

Foto: © Kaprol<br />

er sogar den anderen Teilnehmern im Atelier<br />

erzählt Bevor sie Wilhelm Bons kennen<br />

lernten, berichteten Verena und Laura, hatten<br />

sie Angst vor der unbekannten Aufgabe und<br />

fühlten sich unsicher Dieses Gefühl legte sich<br />

rasch nach der ersten Begegnung Die Schülerinnen<br />

sind nun entschlossen, den Kontakt<br />

zu dem alten Herrn nicht abreißen zu lassen<br />

und ihn öfter in der „Schattigen Buche“ zu besuchen<br />

Unabhängig von diesem Vorsatz, der<br />

in die Zukunft weist, genoss der 88-Jährige im<br />

Atelier die Aufmerksamkeit der Schülerinnen,<br />

die seine Steintaube mit vereinten Kräften<br />

und Schmirgelpapier bearbeiteten<br />

Ein interessierter Blick: Bildhauer Guido<br />

Hofmann-Flick schaut Wilhelm Bons bei der<br />

Arbeit über die Schulter. Der 88-Jährige hatte<br />

sich die Taube als Motiv gewählt.


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 36<br />

Vom braunen Ton zum bunten Bild<br />

Ein wenig ratlos saßen die vier demenzkranken Teilnehmer des Keramik-Workshops vor<br />

den Rechtecken aus brauner Tonmasse auf dem Tisch. Die glatte Tonplatte, die Bernhardine<br />

Lützenburg für jeden im Werkraum der Marie-Curie-Realschule vorbereitet hatte, wirkte<br />

einschüchternd - ähnlich einem weißen Blatt Papier. Die Malerin und Bildhauerin kennt<br />

diesen Effekt. Sie ging von einem zum anderen mit Vorschlägen, die helfen sollten, die<br />

Schwellenangst zu überwinden.<br />

Tüchtige Töpfer: Kulturpreisträgerin Bernhardine<br />

Lützenburg (3. v. l.) ging den Senioren bei der<br />

Arbeit mit Ton zur Hand. Die Tonplatten sollen,<br />

zum Relief verbunden, einen Platz im Gesundheitsamt<br />

erhalten.<br />

Foto: © Danneberg


37<br />

Frau O griff die Idee des Meeres-Motivs auf<br />

Aus einem dunklen Klumpen auf der Tonplatte<br />

formte sie eine Insel, rundherum versetzte<br />

Bernhardine Lützenburg mit dem Druck von<br />

Gabelzinken probeweise das „Wasser der See“<br />

in Wellenbewegung Frau O war fasziniert<br />

und griff selbst zur Gabel<br />

Herr M brauchte keine Anregung Sein<br />

abstraktes Werk nahm ihn völlig in Anspruch<br />

Konzentriert drückte er die Drahtschlinge<br />

<strong>wie</strong>der und <strong>wie</strong>der in den Tonrand, sodass ein<br />

saumartiges Muster entstand „Das machen<br />

Sie prima“, meinte die Leiterin des Workshops<br />

Altenpflegerin Hedwig Polok, Geschäftsführerin<br />

des Pflegedienstes „Pflege heute“,<br />

arbeitete an ihrer eigenen Tonplatte und<br />

beobachtete die Teilnehmer „Die Beschäftigung<br />

mit den Händen tut allen gut, und Ton<br />

nimmt nichts übel “<br />

Frau S entschloss sich nach einigem Überlegen,<br />

die Berggipfel auf ihrem Tonstück mit<br />

Tannenbäumen zu bestücken Sie trug ein<br />

schickes Brillenmodell Darauf angesprochen,<br />

ergänzte sie kichernd den Werbespruch: „Von<br />

Fielmann “<br />

Frau O fand Spaß daran, ihr Meeresbild mit<br />

weiteren Elementen zu ergänzen Auf den<br />

Strand an der Insel ritzte sie einen menschlichen<br />

Umriss und stattete die Gestalt<br />

anschließend mit einer Badehose aus Sie zog<br />

an den Seiten des Kopfes Striche in den Ton<br />

„Das werden lange Ohrenschützer Damit er<br />

beim Baden das Wasser nicht in die Ohren<br />

bekommt“, erklärte sie<br />

Die einzelnen Tonplatten sollen, zum Relief<br />

verbunden, einen Platz im Gesundheitsamt<br />

erhalten<br />

Präzisionsarbeit: Sein abstraktes Werk nahm<br />

Herrn M. völlig in Anspruch.<br />

Foto: © Danneberg


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 38<br />

Fotos erfassen das Wesen der Demenz<br />

Wie verändert Demenz Wahrnehmung, Erleben und Handeln des Erkrankten? Ist dieser<br />

Prozess fotografisch darstellbar? Auf diese Frage gaben drei gelungene Fotos dreier Schülerinnen<br />

des Josef-Albers- und des Heinrich-Heine-Gymnasiums eine Antwort, die während<br />

der Aktionswoche im Karstadt-Kaufhaus zu sehen waren.<br />

Die Aufnahmen entstanden im Frühjahr bei<br />

einem Workshop mit dem Fotografen Michael<br />

Kaprol Das erste zeigt den Inhalt eines<br />

Kühlschranks, zweckentfremdet gefüllt mit<br />

Alltagsgegenständen <strong>wie</strong> Brille, Kaffeemühle<br />

und Büchern; das zweite gibt den Blick frei<br />

auf einen Waldweg, gesäumt von Schildern<br />

mit tagesstrukturierenden Handlungsanweisungen<br />

<strong>wie</strong> „Zähne putzen“ und „Türe<br />

schließen“; das dritte Foto stellt Paare von<br />

Gegenständen nebeneinander, die in den Augen<br />

mancher Demenzkranker zum Verwechseln<br />

ähnlich sind: Baguette und Nudelholz,<br />

Ananas und Zierpflanze<br />

Marie Grimpe vom Heinrich-Heine-Gymnasium<br />

(siehe Bild Seite 60), Kim Nguyen<br />

(Bild oben) und Marie-Claire Sadowski (Bild<br />

unten), beide vom Josef-Albers-Gymnasium,<br />

formulierten ihre fotografischen Ideen sehr<br />

präzise und legten auch bei der praktischen<br />

Umsetzung große Selbstständigkeit an den<br />

Tag, erklärte Michael Kaprol Er wunderte sich<br />

zunächst über das verhaltene Interesse der<br />

<strong>Bottrop</strong>er Schulen an dem Foto-Workshop:<br />

War das Projekt unattraktiv? Zu anspruchsvoll?<br />

Die Mail einer Schülerin lieferte ihm<br />

einen neuen Erklärungsansatz: „Ich werde bei<br />

dem Projekt leider nicht mitmachen können,<br />

weil da ein paar aus meiner Familie gegen<br />

sind Tut mir leid, aber da lässt sich leider<br />

nichts dran ändern “ Vorbehalte, vielleicht<br />

auch persönliche Betroffenheit verhinderten<br />

einen offenen Umgang mit dem Thema<br />

Demenz Michael Kaprol fand diese Mail so<br />

bemerkenswert, dass er sie in die Ausstellung<br />

mit aufnahm<br />

Die Kamera im Kühlschrank: Beim Fotoprojekt mit<br />

Michael Kaprol drückten die drei Teilnehmerinnen<br />

das Wesen der Demenz in Fotografien aus.


39<br />

Farben und Formen ins Bild gesetzt<br />

Die Geschäftsleute vor Ort standen der Aktionswoche aufgeschlossen gegenüber und stellten<br />

bereitwillig Schauflächen in ihren Häusern zur Verfügung. Daher entdeckten Passanten auf<br />

ihren Wegen durch die Innenstadt ungewöhnliche Motive in den Schaufenstern des Modehauses<br />

Mensing, des Karstadt-Kaufhauses und der Buchhandlungen Humboldt und Erlenkämper.<br />

Bei Mensing blickte ein selbstvergessener Paolo<br />

Franci auf einem großformatigen Foto fasziniert<br />

einigen <strong>Seifenblasen</strong> hinterher Ein Freund<br />

des demenzkranken <strong>Bottrop</strong>ers, Hartmut<br />

Schmuchal, hat den 56-Jährigen porträtiert und<br />

mit diesen Aufnahmen der Demenz-Aktionswoche<br />

unter dem Titel „<strong>Gedanken</strong> <strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“<br />

ein weit verbreitetes Symbolbild gegeben<br />

Bei dieser Vorstellung zuckte Heike Taut-Franci<br />

als Ehefrau zunächst lange zurück; im Frühjahr<br />

2012 konnte sie dazu stehen: „Einen langen Weg<br />

habe ich gemacht, das zu lernen“, stellte sie fest<br />

Ebenfalls bei Mensing waren Arbeiten von<br />

Marie-Curie-Realschülerinnen ausgestellt Die<br />

10 Klasse wandte das Prinzip des Schweizers<br />

Ursus Wehrli („Kunst aufräumen“) auf die Bilder<br />

der Künstler Wassili Kandinsky und Paul Klee an:<br />

Die Schülerinnen lösten in ihren Arbeiten die<br />

Ordnung der Elemente in den Bilder-Vorgaben<br />

auf und gaben ihnen eine neue Struktur Mit<br />

dieser Aktion trafen sie nach Auffassung von<br />

Demenzberaterin Barbara Josfeld den Kern der<br />

dementen Sicht auf die Welt Auflösung der<br />

Struktur, Neuordnung der Inhalte: Nach diesem<br />

Prinzip gingen auch die Realschülerinnen der<br />

Klasse 9 vor, die im Modehaus Mensing bunte<br />

Mobiles aufhängten<br />

Auch die steinernen Dekorationsstücke in<br />

einem weiteren Mensing-Schaufenster ver<strong>wie</strong>sen<br />

auf eine Kunstaktion, waren sie doch bei<br />

Foto: © Kaprol<br />

einem Workshop im Kirchhellener Atelier des<br />

Bildhauers Guido Hofmann-Flick bei der Arbeit<br />

mit demenziell veränderten Senioren entstanden,<br />

und darüber hinaus stellten Schüler des<br />

Josef-Albers-Gymnasiums ein schwebendes<br />

Scrabble-Buchstaben-Mobile zur Schau<br />

In einem Karstadt-Schaufenster waren Bilder zu<br />

sehen, die im Mai beim Workshop unter dem<br />

Titel „Malen, was Freude macht“ im Atelier des<br />

Künstlers Reinhard Wieczorek entstanden waren<br />

Der <strong>Bottrop</strong>er Kulturpreisträger stand fünf<br />

über 70-jährigen Demenzpatienten beim Malen<br />

zur Seite Für alle Werke galt: Entscheidend<br />

ist das Tun, nicht das Produkt, betonte Reinhard<br />

Wieczorek Auch Hobby-Maler Paolo Franci<br />

nahm <strong>wie</strong> früher den Pinsel in die Hand Seine<br />

Malerei war damals stets gegenständlich, die<br />

Bildfläche strukturiert Im Gegensatz dazu bestimmt<br />

heute nur noch Farbe in unbestimmten<br />

Konturen das Bild Der gelernte Schlosser mit<br />

italienischen Wurzeln wurde beim Workshop<br />

betreut von seiner Patin Farina Heidemann, einer<br />

20-jährigen Schülerin des Berufskollegs Die<br />

unbefangene Schülerin war für den 56-jährigen<br />

an der Staffelei eine bessere Partnerin als seine<br />

Ehefrau, die Paolos aktuelle Malversuche an den<br />

Verlust seiner Gestaltungskraft erinnerten<br />

Die „Lebendige Bibliothek“ im Kulturzentrum<br />

begleitete die Aktionswoche mit einer<br />

Buchausstellung<br />

Ein Fingerzeig: Kulturpreisträger<br />

Reinhard Wieczorek half den Hobbymalern bei<br />

der Umsetzung ihrer kreativen Ideen.


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 40<br />

Absurdes Straßentheater: vom Asphaltwässern...<br />

Mit „verrückten“ Auftritten, die dem Verhalten<br />

Demenzkranker nachempfunden waren,<br />

setzten sich Schüler der Altenpflegeschule<br />

des Caritas-Bidungswerks aus Dorsten in der<br />

<strong>Bottrop</strong>er Innenstadt in Szene Schüler des<br />

Berufskollegs schminkten und kostümierten<br />

die angehenden Altenpfleger, die anschließend<br />

in die Innenstadt ausschwärmten,<br />

um auf ein Kommando als zwanzigköpfige<br />

Gruppe gemeinsam in Aktion zu treten: Die<br />

Foto: © Kaprol<br />

Schüler fegten energisch und zum Klang des<br />

Heino-Hits „Blau blüht der Enzian“ den ZOB,<br />

setzten dem Asphalt mit Staubsauger und<br />

Harke zu und nahmen Bügeleisen und -brett<br />

in Betrieb Beobachter der an unterschiedlichen<br />

Orten in der Fußgängerzone <strong>wie</strong>derholten<br />

Aktion reagierten mit Kopfschütteln, aber<br />

zumeist amüsiert, berichtet Dozentin Gabriele<br />

Bötticher Nach dem Auftritt erklärten die Altenpflegeschüler<br />

die Situation und erläuterten<br />

den Zuschauern ihr Anliegen: Jeder demenziell<br />

veränderte Mensch bleibt trotz seiner<br />

Krankheit ein unverwechselbares Individuum<br />

Viele Züge seines verwirrenden Verhaltens finden<br />

eine Erklärung in seiner Persönlichkeit und<br />

Biographie, sind also weniger dement, als es<br />

scheint Das sollte im Umgang mit demenziell<br />

veränderten Menschen nicht in Vergessenheit<br />

geraten<br />

Die Altenpflegeschüler - viele von ihnen<br />

absolvierten in <strong>Bottrop</strong>er Pflegeeinrichtungen<br />

den praktischen Teil ihrer Ausbildung<br />

- wurden vom KWA Stift Urbana nach <strong>Bottrop</strong><br />

eingeladen<br />

Verrückte Aktion: Altenpflegeschüler aus Dorsten<br />

legten bei ihrem Auftritt am Busbahnhof ein<br />

Verhalten an den Tag, das alle Passanten in<br />

Erstaunen versetzte. Sie bürsteten das Pflaster,<br />

wässerten den Asphalt...


41<br />

... zum Spaziergang im Bademantel<br />

Die Altenpflegeschüler des maxQ-Fachseminars<br />

bauten ihr Theaterstück, das mehrmals<br />

in der Fußgängerzone zu sehen war, auf<br />

realistischen Erfahrungen auf Unter dem<br />

Titel „Zweisam einsam der Weg ins<br />

Vergessen“ zeichneten fünf junge Akteure<br />

die Entwicklung der Demenz in unterschiedlichen<br />

Stadien und drei Spielszenen<br />

nach: Das ungewöhnliche Verhalten eines<br />

Familienvaters verwirrt Ehefrau und Tochter,<br />

Schräge Szene: Altenpflegeschüler aus <strong>Bottrop</strong><br />

zeichneten in ihrem Theaterstück die Entwicklung<br />

der Demenz in drei Stadien nach. Am Ende<br />

geht der Familienvater im Bademantel spazieren<br />

und erkennt zum Schluss seine Tochter nicht<br />

mehr.<br />

die sich schließlich mit einem Pflegedienst<br />

fachkundige Hilfe ins Haus holen und die<br />

Diagnose Demenz akzeptieren Denn wenn<br />

der Vater seine 35-jährige Tochter nicht<br />

mehr erkennt, ist die Krankheit nicht mehr<br />

zu leugnen<br />

Im Publikum saßen auch Anna und Leo<br />

Gaschka Der <strong>Bottrop</strong>erin erschien in den<br />

Spielszenen manches vertraut Bei ihrem<br />

81-jährigen Ehemann Leo zeigten sich<br />

Foto: © Kaprol<br />

vor 20 Jahren die ersten Anzeichen einer<br />

demenziellen Veränderung „In den ersten<br />

Jahren habe ich den Symptomen keine<br />

große Aufmerksamkeit geschenkt“, erinnerte<br />

sich die <strong>Bottrop</strong>erin Vor dem Hintergrund<br />

ihrer Erfahrungen unterstützte sie die<br />

Demenz-Aktionswoche: „Gut, dass man so<br />

etwas in Angriff genommen hat Das Thema<br />

wird immer noch versch<strong>wie</strong>gen, denn es ist<br />

mit Scham verbunden “


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 42<br />

Ein Fischlein wollte Hochzeit machen...<br />

Beim musikalischen Puppentheater „Frido<br />

und das vergessliche Buch“ im AWO-Seniorenzentrum<br />

„Schattige Buche“ lernten die Senioren<br />

eine neue Spielart eines der bekanntesten<br />

deutschen Volkslieder kennen Bisher<br />

wollten bekanntlich stets Amsel und Drossel<br />

heiraten, aber das Kooperationsprojekt der<br />

„Lebendigen Bibliothek“ und der Rheinba-<br />

benschule stellte den Text um Nun hieß es:<br />

„Ein Fischlein wollte Hochzeit halten in dem<br />

grünen Weiher “ Neun- bis elfjährige Grundschüler<br />

steckten mehrere Wochen lang die<br />

Köpfe zusammen und verfassten gemeinsam<br />

mit Autorin Pia Löber ein eigenes Puppentheaterstück,<br />

das Jung und Alt gefallen sollte<br />

Es setzte sich auf kindgerechte Weise mit<br />

Foto: © Danneberg<br />

dem Thema Demenz auseinander, bot aber<br />

auch alten Zuschauern mit Wort und Musik<br />

Anknüpfungspunkte, um Erinnerungen zu<br />

aktivieren - und zu irritieren Als Basis dienten<br />

die Kinderbücher von Otfried Preußler Musiklehrerin<br />

Annette Borgmann half den Kindern<br />

beim Einstudieren der Lieder und begleitete<br />

die Aufführung mit ihrer Musikgruppe<br />

Vorgespielt: Die junge <strong>Bottrop</strong>erin Pia Löber hatte<br />

ein eigenes Puppentheaterstück entwickelt, dass<br />

Grundschüler im AWO-Seniorenzentrum „Schattige<br />

Buche“ aufführten.


43<br />

Ton um Ton mit Spaß an der Musik<br />

Auch erwachsene Musikliebhaber, die nicht<br />

von Kindesbeinen an mit einem Instrument<br />

und der Welt der Noten aufgewachsen sind,<br />

können mit einem elektronischen Keyboard<br />

musizieren Wie es funktioniert, erfuhren fünf<br />

lernwillige Interessenten beim Schnupperkurs<br />

für Senioren in der „Lebendigen Bibliothek“,<br />

ausgerichtet von Heribert Matschey vom<br />

„Musikforum“ und dem Musikpädagogen<br />

Dennis Tegeder Sie gaben einen Überblick<br />

über die Funktionsweise des Instrumentes,<br />

erläuterten die zunächst verwirrende Vielzahl<br />

von Knöpfen und führten die Teilnehmer<br />

dann zu einem musikalischen Erfolgserlebnis:<br />

Denn mit ein wenig Hilfestellung gelang<br />

jedem Besucher eine Melodie Das Geheimnis<br />

des Instruments: „Man muss nicht alles selbst<br />

machen“, stellte Tegeder fest Wichtig ist hingegen<br />

das Wissen, welche Knöpfe zu drücken<br />

sind, um einem Keyboard viele Klangfarben<br />

bis hin zum satten Orchester-Sound zu<br />

entlocken<br />

Übung macht auch an diesem Instrument<br />

den Meister Darüber hinaus haben neuro-<br />

Fotos: © Kaprol (2)<br />

biologische Forschungen nachge<strong>wie</strong>sen:<br />

Wer lernt, ein Instrument zu spielen, wirkt in<br />

gewissem Umfang einem kognitiven Abbau<br />

entgegen Das Nervensystem passt sich auch<br />

im fortgeschrittenen Alter an neue Anforderungen<br />

an, und dieser Prozess kann zur<br />

Vorbeugung einer Demenz beitragen<br />

Fingerfertig: Heribert Matschey vom „Musikforum“<br />

vermittelte Ton um Ton musikalische<br />

Erfolgserlebnisse.


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 44<br />

Foto: © Josfeld<br />

Assauer gibt der Demenz<br />

ein prominentes Gesicht<br />

Auch Jugendliche setzen sich mit dem Thema<br />

Demenz auseinander, wenn sich ihnen<br />

ein interessanter Zugang eröffnet. Einen<br />

solchen entdeckten 14 Berufsschüler in der<br />

Biographie des ehemaligen Schalke-Managers<br />

Rudi Assauer, die 2012 unter dem Titel<br />

„Wie ausgewechselt“ auf dem Buchmarkt<br />

erschien. Assauer bekennt sich darin zu<br />

seiner Alzheimer-Erkrankung, die inzwischen<br />

ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat.<br />

Ohne die Unterstützung seiner Tochter wäre<br />

er heute hilflos.<br />

Prominentes Beispiel: Auch der ehemalige<br />

Schalke-Manager Rudi Assauer ist an Demenz<br />

erkrankt und hat dies in bemerkenswerter Weise<br />

öffentlich gemacht. Im Jahr 2012 erschienen<br />

unter dem Titel „Wie ausgewechselt“ seine Memoiren<br />

auf dem Buchmarkt.


45<br />

Aufgepasst: 14 Berufsschüler lasen in der „Lebendigen<br />

Bibliothek“ aus der Assauer-Biographie.<br />

Viel Aufmerksamkeit: Die Veranstaltung zog vor<br />

allem ein junges Publikum an.<br />

Die 18- bis 20-Jährigen setzten sich intensiv<br />

mit dem Text auseinander, wählten Abschnitte<br />

aus und stellten diese Auszüge bei einer<br />

Lesung in der „Lebendigen Bibliothek“ der<br />

Öffentlichkeit vor<br />

Zu Beginn der Arbeit hatten viele seiner Schüler<br />

keine Vorstellung von der Krankheit und<br />

ihren Folgen, berichtete Dr Alexander Moor,<br />

Lehrer am Berufskolleg Der prominente Buchautor<br />

füllte diese Wissenslücken mit anschaulicher<br />

Schilderung Rudi Assauer beschreibt<br />

in seinem Buch die ersten Anzeichen, die<br />

ihm 2005 auffielen, und die er zunächst nicht<br />

wahrhaben wollte – <strong>wie</strong> so viele Betroffene:<br />

„Bestimmte Dinge, ob Namen, ob Termine<br />

– sie sind ums Verrecken nicht mehr da Wie<br />

gelöscht Man fühlt sich ohnmächtig “<br />

Vergesslichkeit und Erinnerungslücken<br />

nahmen zu, die Umwelt wurde aufmerksam<br />

auf die Aussetzer Als seine Sekretärin einen<br />

Demenz-Test vorschlug, wusste Assauer im<br />

Grunde bereits, dass er ernsthaft krank war „Ich<br />

Fotos: © Danneberg (2)<br />

hatte mit niemandem darüber geredet Da<br />

ist dieses Schamgefühl Als könnte man was<br />

dafür! Man will es nicht zugeben Mit wem soll<br />

man auch sprechen? Mit jemandem aus der<br />

Familie? Nein Mit der Partnerin? Schon gleich<br />

gar nicht Gibt es etwas Peinlicheres? Wenn<br />

man sich den Arm bricht oder sonst einen<br />

Knochen, gibt’s einen Gips und fertig, wird<br />

schon <strong>wie</strong>der Aber Alzheimer!“<br />

INFO<br />

Rudi Assauer lebt heute bei seiner Tochter in<br />

Herten Gern sieht er Fußballspiele im Fernsehen,<br />

kommentiert sie aber nur noch selten<br />

Meistens schweigt er Versunken in seiner<br />

eigenen Welt<br />

Lehrer Dr Moor sah die Auseinandersetzung<br />

seiner Schüler mit Assauers Biographie als<br />

kleinen Baustein in der Entwicklung zum<br />

Erwachsenen<br />

Rudi Assauer, 1944 im saarländischen Sulzbach geboren, wuchs in Herten auf. Er spielte als<br />

Fußball-Profi unter anderem für Borussia Dortmund und Werder Bremen. Seine anschließende<br />

Karriere als Fußball-Manager führte ihn zu Schalke 04. Während seiner zweiten Amtszeit<br />

für die Königsblauen gewann der Verein 1997 den UEFA-Cup so<strong>wie</strong> 2001 und 2002 den<br />

DFB-Pokal. 2006 trat Assauer von seiner Position zurück.


KREATIVITÄT / THEATER, TON UND TÖNE 46<br />

Ton an, Streifen läuft – Filme zum Thema Demenzkranke<br />

Die Zahl der Filmproduktionen, die sich mit<br />

dem Thema Demenz beschäftigen, ist in<br />

den letzten Jahren gestiegen Zwei Beispiele<br />

waren bei der Aktionswoche zu sehen: Das<br />

AWO-Demenz-Servicezentrum für Menschen<br />

mit Zuwanderungsgeschichte hatte unter<br />

dem Titel „Das Herz vergisst nicht - Kalp<br />

unutmaz“ einen Film über das Leben mit<br />

Demenz in türkischstämmigen Familien ausgewählt<br />

Die Familienangehörigen schildern<br />

in Interviews ihre Alltagsprobleme und Einschränkungen<br />

Der Film wurde in türkischer<br />

Originalsprache aufgenommen und deutsch<br />

untertitelt Weitere Informationen im Web<br />

unter „www awo-gelsenkirchen de“<br />

Das Filmforum der VHS zeigte den deutschen<br />

Fotos: © Taut-Franci (l.), Danneberg (r.)<br />

Spielfilm „Vergiss dein Ende“, gedreht im<br />

Jahr 2011 Regisseur Andreas Kannengießer<br />

legt den Schwerpunkt auf die enorme Last,<br />

welche die Pflege eines demenzkranken Ehemannes<br />

für seine Frau bedeutet Schließlich<br />

fällt sie die Entscheidung, die fallen muss,<br />

wenn sie selbst an ihrer Aufgabe nicht zu<br />

Grunde gehen will<br />

Schauplatz St. Cyriakus-Kirche: auch an diesem<br />

ungewöhnlichen Ort waren Dokumentarfilme<br />

zu sehen, die auf die Bedürfnisse älterer<br />

Zuschauer und Demenzkranker zugeschnitten<br />

sind.


47<br />

Kreatives Schaffen kennt keine Vorschriften<br />

Für kreatives Schaffen gibt es keine Vorschriften - nur Anregungen, <strong>wie</strong> sie bei der Aktionswoche<br />

unter anderem in der Katholischen Familienbildungsstätte angeboten wurden.<br />

Sich selbst oder den dementen Angehörigen als schöpferisch zu erleben, schenkt Freude<br />

und Ablenkung, die Wahrnehmung konzentriert sich auf Positives. Diese Sicht tut gut im<br />

strapaziösen Alltag, <strong>wie</strong> pflegende Angehörige wissen.<br />

Carola Dirkhoff stellte beispielsweise die<br />

individuelle Gestaltung eines Seidentuchs<br />

vor Die <strong>Bottrop</strong>erin ist Mitglied der Kunstgemeinschaft<br />

(www kunstgemeinschaft-bottrop<br />

de) und Dozentin für Seidenmalerei an der<br />

Volkshochschule Bernadette Beughold bot<br />

einen Mal-Workshop für Demenzkranke an:<br />

Mitzubringen waren keine Vorkenntnisse, aber<br />

Neugier und Freude (www beughold com)<br />

Catrin Klauenberg demonstrierte, <strong>wie</strong> sich<br />

schlichte Bögen in kunstvolle Papierschachteln<br />

verwandeln lassen und <strong>wie</strong> Grußkarten<br />

entstehen Auch das Aufziehen von Perlen<br />

betrachtet die <strong>Bottrop</strong>erin als kreativen Akt,<br />

der Konzentration bündelt – während sich<br />

gleichzeitig im Innern Strukturen bilden<br />

(www zier-art com)<br />

Fotos: © Josfeld (2)<br />

Farbiges auf Seide: Workshopleiterin Carola<br />

Dirkhoff gibt dem Kunstwerk den letzten Schliff.<br />

Vereinte Kräfte: Mit etwas Unterstützung ist der<br />

Anfang schnell gemacht.


IN GUTEM GEIST 48<br />

„Spirituelle Tankstelle“ gab Kraft<br />

Die Pflege altersverwirrter Menschen führt oft an die eigenen Grenzen, denn sie verlangt<br />

sehr viel Geduld und Kraft. In der St. Cyriakus-Kirche in der Stadtmitte fanden die Besucher<br />

einen offenen Ort, wo nichts verlangt oder erwartet wurde. Stattdessen bot sich die<br />

Kirche an als Raum für neue Begegnungen und Erfahrungen.<br />

Rückzugsort und meditativer Rastplatz: Ein<br />

rotes Zelt, geborgen in einer Nische des<br />

Kirchenschiffs, wurde zur „spirituellen Tankstelle“<br />

Wer allein sein wollte, blieb ungestört<br />

Doch dreimal täglich - die Zeitpunkte waren<br />

auf den Zeitplan des Pflegepersonals in Altenheimen<br />

und Pflegediensten abgestimmt<br />

- gaben dort Geistliche und Gemeindemitglieder<br />

ihren Zuhörern mit Musik und Text<br />

Foto: © Taut-Franci<br />

einen gedanklichen und geistlichen Impuls<br />

Er begann an jedem Tag mit einem anderen<br />

Motiv Dabei stand auch der achtsame,<br />

bewusste Umgang mit dem eigenen Ich als<br />

einem Geschenk Gottes im Mittelpunkt: Der<br />

Impuls machte Mut zur Anerkennung und<br />

zur positiven Sicht – Denkansätze, die im<br />

fordernden Alltag von pflegenden Angehörigen<br />

und Pflegepersonal oft untergehen<br />

Andächtig: Zur musikalischen Begleitung vertieften<br />

sich die Besucher der „spirituellen Tankstelle“<br />

in der Kirche St. Cyriakus in ihre Texte.<br />

Auch kam die Erfahrung von Gottes Nähe<br />

zur Sprache, die heilsam wirken kann<br />

Gemeindereferentin Cordula Holte, Beate<br />

Harst von den Missionsärztlichen Schwestern,<br />

Schwester Gertrud Dederichs und<br />

Marie Schulte im Walde widmeten einen Tag<br />

der Klage und damit schmerzhaften, häufig<br />

von Scham begleiteten Gefühlen Eine Gruppe<br />

alter Frauen, darunter zwei Rollstuhlfahre-


49<br />

Botschaften: Ein Wunschbaum nahm während<br />

der Aktionswoche die Bitten auch von Erkrankten<br />

auf. „Ich wünsche mir, Menschen um mich<br />

zu haben, die Geduld mit mir haben“, schrieb<br />

ein Kirchenbesucher.<br />

rinnen, hatte den Weg in die Kirche gefunden<br />

Sie wurden begleitet von zwei jungen<br />

Pflegerinnen Keine der Besucherinnen gab<br />

zu erkennen, ob Schwester Beate ihr bei der<br />

Eröffnung aus der Seele sprach: „Wir dürfen<br />

ja nicht klagen, wer will das Klagen denn<br />

hören?“<br />

Aber Klage braucht einen Ausdruck, jeder<br />

braucht von Zeit zu Zeit eine Klagemauer<br />

Foto: © Taut-Franci<br />

Die Initiatorinnen der „spirituellen Tankstelle“<br />

fanden eine Lösung ohne Worte Rasseln,<br />

Klappern und Ratschen wurden herumgereicht,<br />

bis jede Besucherin ein einfaches<br />

Musikinstrument in der Hand hatte<br />

Schwester Beate brachte die Empfindung<br />

auf den knappen und vertrauten Nenner der<br />

Überbeanspruchten: „Alles ist mir zuviel, ich<br />

möchte am liebsten losschreien “<br />

Und dann füllte kraftvolles Scheppern, Rasseln<br />

und Klappern den Kirchenraum, als die<br />

Besucher ihren Klagen Raum gaben


IN GUTEM GEIST 50<br />

Gottesdienste für Demenzkranke gestalten<br />

Was für die Gesellschaft gilt, trifft auch auf<br />

die Kirchengemeinden zu: Viele Mitglieder<br />

sind alt oder hochbetagt, manche demenziell<br />

verändert Damit der Gottesdienst nicht an<br />

ihnen vorübergeht, sondern einen Widerhall<br />

in ihrer Persönlichkeit auslöst und Erinnerungen<br />

weckt, werden seine Strukturen an<br />

„Für den Augenblick“ und darüber hinaus<br />

die Ansprüche der Dementen angepasst Als<br />

Referentin erläuterte Diplom-Sozialpädagogin<br />

Marie Schulte im Walde im Katholischen<br />

Stadthaus die Regeln, an denen sich ein<br />

Gottesdienst für Demenzkranke (und ihre Angehörigen)<br />

orientieren sollte: Kurze, prägnante<br />

Texte, bekannte Lieder und Gebete, Bilder<br />

Einen Gottesdienst „für den Augenblick“ gestaltete Pfarrerin Birgit Neumann in der Evangelischen<br />

Gnadenkirche. Der Posaunenchor unter Leitung von Johannes Penkalla gab ihm<br />

eine besondere Prägung. Zum anschließenden Kaffeetrinken im Gemeindehaus waren<br />

auch die Willy-Brandt-Gesamtschüler eingeladen, die einige Gemeindemitglieder durch<br />

den Nachmittag begleitet hatten.<br />

Foto: © Josfeld<br />

und Symbole, Elemente zum Mitmachen und<br />

Mitnehmen Neben Informationen über die<br />

Demenz kam auch die praktische Umsetzung<br />

im Gottesdienst zur Sprache, der den<br />

Betroffenen Momente intensiven Erlebens<br />

vermitteln soll<br />

Angehörigen und Pflegenden galten beim<br />

ökumenischen Gottesdienst in der St<br />

Cyriakus-Kirche unter dem Motto „Du bist ein<br />

Segen“ die Gebete und <strong>Gedanken</strong> der Gläubigen<br />

Damit verbunden war ein Segensritual<br />

in dichter Atmosphäre, das manchen Teilnehmer<br />

sehr persönlich berührte<br />

Der Abschlussgottesdienst der Aktionswoche<br />

in der St Cyriakus-Kirche war in besonderem<br />

Maß ausgerichtet an der traditionellen<br />

Liturgie und sie diente auch dem Propsteichor<br />

unter Leitung von Ursula Kirchhoff als<br />

musikalischer Bezugsrahmen Kerzenschein<br />

Mit Gebet und Gesang: Auch Schülerinnen<br />

leisteten einen Beitrag zum Gottesdienst in der<br />

Gnadenkirche.


51<br />

Foto: © Josfeld<br />

und alte Kirchenlieder <strong>wie</strong> „Maria breit den<br />

Mantel aus“ sollten Erinnerungen wecken an<br />

manche Hochfeste – viele haben Gemeindemitglieder<br />

in hohem Lebensalter bereits<br />

an diesem geweihten Ort erlebt Um ihn zu<br />

besuchen, sind manche nun auf Hilfsmittel<br />

<strong>wie</strong> Rollator oder Rollstuhl ange<strong>wie</strong>sen<br />

In seiner Predigt sprach Propst Paul Neu-<br />

Propst Paul Neumann:<br />

mann allen Dank aus, die bei der Aktionswoche<br />

mitgemacht haben Er verband damit die<br />

Hoffnung, dass die Woche Wirkung zeigen<br />

werde, weil sie neue Horizonte eröffnet habe:<br />

„Denn endlich sind viele Dinge offen und<br />

öffentlich ausgesprochen worden, die früher<br />

im Privaten geblieben sind “ Denn eine auf<br />

Erfolg und Leistung aufgebaute Gesellschaft<br />

neige dazu, Krankheiten auszublenden und<br />

zu verstecken Bei manchen Angehörigen<br />

spiele auch Scham eine Rolle: „Sie tun sich<br />

schwer, ihre früher so aktiven und geistig<br />

regen Eltern in der Öffentlichkeit zu zeigen “<br />

Aus christlicher Sicht gehört die Erfahrung<br />

von Leid und Krankheit zum Leben, das Gott<br />

geschenkt hat Propst Neumann betonte: „Es<br />

gibt keinen Grund, Demenzkranke zu verstecken<br />

Ganz im Gegenteil!“ Der Geistliche<br />

Konzentriert musiziert: Der evangelische Posaunenchor<br />

gab dem Geschehen eine besondere<br />

Note.<br />

forderte die Gemeinde auf, den Demenzkranken<br />

Türen zu öffnen, um ihnen auf ihre<br />

eigene Weise die Teilhabe an Leben und<br />

Gesellschaft zu ermöglichen „Auch sie haben<br />

das Recht, in unserer Gesellschaft einen Platz<br />

zu haben und menschliche Wertschätzung<br />

- auch und gerade in ihrer Krankheit - zu<br />

erfahren“, schloss der Geistliche<br />

„Es gibt keinen Grund, Demenzkranke zu verstecken. Ganz im Gegenteil!“<br />

Ein „Wunschbaum“ nahm während der<br />

Aktionswoche mit seinen Zweigen die auf<br />

Zetteln notierten <strong>Gedanken</strong> von Kirchenbesuchern<br />

und Betroffenen auf Sie sollten<br />

beschreiben, was sie sich wünschten für<br />

den Fall eigener Demenzerkrankung Die<br />

Besucher des Abschlussgottesdienstes<br />

hörten nach der Predigt des Propstes eine<br />

Auswahl dieser Bitten Was wäre, wenn<br />

? Die Antwort war bekannt: Wachsende<br />

Hilfsbedürftigkeit, Ange<strong>wie</strong>sensein auf<br />

andere, verbunden mit der Furcht, verlassen<br />

zu werden: „Ich wünsche mir, Menschen um<br />

mich zu haben, die Geduld mit mir haben“,<br />

schrieb ein Kirchenbesucher<br />

Zum Abschluss des Gottesdienstes rührten<br />

sich viele Hände Die Gemeinde dankte dem<br />

Propsteichor mit Applaus für seinen Einsatz


IN GUTEM GEIST 52<br />

„Die Welt mit anderen Augen sehen“<br />

„Die Welt mit anderen Augen sehen“: Diesen Perspektivwechsel schlug der Titel einer Ausstellung<br />

den Besuchern der St. Cyriakus-Kirche vor. Die dort gezeigten Bilder verband kein<br />

künstlerisches Konzept, sondern eine gemeinsame Eigenschaft: Sie wurden gemalt von<br />

demenzkranken Bewohnern aus 18 Duisburger Pflegeeinrichtungen. Mitarbeiter dieser<br />

Heime wurden zuvor im Duisburger Wilhelm-Lehmbruck-Museum geschult, um Demenzkranke<br />

zur Kreativiät anzuregen, sie bei der Begegnung mit Kunst zu begleiten und mit<br />

ihnen zu arbeiten.<br />

Foto: © Dahlhoff<br />

Blickpunkt St. Cyriakus: Die Kirche war ein Haupt-<br />

veranstaltungsort während der Demenzwoche.<br />

Demente verlieren zwar ihre Erinnerungen<br />

und ihre kognitiven Fähigkeiten Aber der<br />

Alzheimer-Gesellschaft Duisburg ist das<br />

Potential wichtig, das demenziell veränderte<br />

Menschen nach <strong>wie</strong> vor besitzen, jeder in<br />

unterschiedlicher Intensität und Ausprägung<br />

Diese emotionale und schöpferische Kraft<br />

wird nach Überzeugung der Gesellschaft zu<br />

wenig beachtet und genutzt Denn sie kann<br />

unabhängig von Sprache und Rationalität einen<br />

Zugang eröffnen, wenn die Malerei und<br />

ihre Inhalte zum Ausgangspunkt für Kontakt<br />

und Austausch werden<br />

Die stellvertretende Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft<br />

Duisburg, Orla-Maria<br />

Wunderlich, wusste bei der Vorstellung des<br />

Projekts zahlreiche persönliche Geschichten<br />

zu erzählen über die demenzkranken Maler<br />

und ihre Werke Viel Biografisches kommt in<br />

ihren Bildern zum Ausdruck; <strong>wie</strong> bei allen kreativen<br />

Menschen dient der Bildträger oft als<br />

Folie für Erinnerungen Aber auch aktuelles<br />

Empfinden wurde deutlich Wer sich auf die<br />

kreativen Arbeiten von Demenzpatienten<br />

einlässt, kann über die Kunst neue Wege in<br />

der Kommunikation entdecken<br />

Das Mal-Projekt begann im Jahr 2007 und<br />

wird in einigen Einrichtungen fortgesetzt<br />

KONTAKT<br />

Die Alzheimer-Gesellschaft Duisburg e.V. ist<br />

zu erreichen unter Telefon 02 03 / 30 95 - 104,<br />

E-Mail: info@alzheimer-duisburg.de.


53<br />

Demenz-Parcours<br />

Wie die Kunstausstellung „Die Welt mit anderen<br />

Augen sehen“ will auch der Demenz-Parcours<br />

einen Einblick in die Welt geben, in<br />

der Demenzkranke leben. Deren Sicht ist für<br />

Nicht-Erkrankte oft nicht nachvollziehbar,<br />

was Ungeduld und Unverständnis auslöst –<br />

und auf der Seite des Betroffenen <strong>wie</strong>derum<br />

Verwirrung und Schmerz hervorruft.<br />

Der Parcours konfrontierte die Besucher in der<br />

St Cyriakus-Kirche mit praktischen Aufgaben<br />

und Hürden Beim Lösungsversuch stellten<br />

sich Gefühle ein, die den Empfindungen eines<br />

Dementen vergleichbar sind, wenn er im<br />

Alltag scheitert – Ärger, Scham und Selbstzweifel<br />

Ein Beispiel: Auf 20 Fotos war der<br />

komplexe Vorgang der Butterbrot-Zubereitung<br />

in seinen einzelnen Handlungsschritten<br />

abgebildet Brot abschneiden, Schrank öffen,<br />

zum Messer greifen Welches ist die richtige<br />

Reihenfolge? Was als unbewusster Akt <strong>wie</strong><br />

von selbst von der Hand geht, erfordert als<br />

bewusste Leistung Konzentration, kostet Zeit<br />

Wenn der „Tatort“ zu hektisch wird...<br />

Das Fernsehprogramm überfordet viele<br />

Demenzkranke mit rasanten Kamerafahrten,<br />

schnellen Schnitten und Dialogen, komplizierten<br />

Handlungen und zu vielen Informationen<br />

In der Cyriakus-Kirche waren stattdessen Filme<br />

zu sehen, die für demente Zuschauer gedreht<br />

wurden - mit ruhiger Kameraführung und<br />

langen Einstellungen, häufigen Wiederholungen<br />

der gesprochenen Worte Tiere stehen im<br />

– und ruft ein Stirnrunzeln hervor Über dieses<br />

eigene Erleben will der Demenzparcours ein<br />

besseres Verständnis für die Welt der Erkrankten<br />

vermitteln: So fühlt es sich an, an Demenz<br />

erkrankt zu sein<br />

Der Parcours wurde entwickelt von der Evangelischen<br />

Stiftung Tannenhof<br />

Mittelpunkt, sie sind oft auch in der Realität<br />

Sympathieträger Der Zuschauer soll sich in<br />

der Welt der Bilder mit vielen vertrauten Mo-<br />

INFO<br />

Kniffelig: Der Demenz-Parcours konfrontierte die<br />

Besucher mit praktischen Aufgaben und Hürden.<br />

KONTAKT<br />

tiven wohlfühlen Weitere Informationen über<br />

die Filmprojekte sind im Internet unter<br />

„www ilsesweitewelt de“ zu finden<br />

Der Verlag hat der „Lebendigen Bibliothek“ ein Filmset mit Begleitbuch und Fotokarten<br />

geschenkt, das ausgeliehen werden kann.<br />

Foto: © Josfeld<br />

Die Ausleihe wird vom Demenz-Service-<br />

zentrum Bergisches Land koordiniert:<br />

Telefon 0 21 91 / 12 - 12 12,<br />

www.demenz-service-nrw.de.


GUTER RAT FÜR ANGEHÖRIGE 54<br />

Guter Rat war nicht teuer<br />

Die Aktionswoche gab den Besuchern einen überblick über ein vielfältiges Angebot von<br />

Beratung und Unterstützung.<br />

Selbsthilfegruppen brachten sich ein<br />

Die große Aktionsfläche fiel aus dem Rahmen - und sie fiel ins Auge. Im Erdgeschoss und<br />

gut platziert bot das Karstadt-Kaufhaus den Selbsthilfegruppen für Angehörige Demenzkranker<br />

ein Forum. Die Mitglieder nutzten diese Chance, in der Öffentlichkeit präsent<br />

zu sein, und wechselten einander ab in der Betreung ihres Info-Standes. An sechs Tagen<br />

fanden Ratsuchende dort von 10 bis 18 Uhr einen Ansprechpartner für Fragen rund um die<br />

Demenz – zum Beispiel Christa Tappen.<br />

Sie weiß, dass die Krankheit viele Fragen aufwirft<br />

und Angehörige verzweifeln lässt Eine<br />

Foto: © Taut-Franci<br />

Begegnung während der Aktionswoche ist<br />

ihr im Gedächtnis geblieben Vor ihr saß eine<br />

Gemeinsam stark sein: Das Motto der Selbsthilfegruppe<br />

begegnete den Besuchern des Kaufhauses<br />

Karstadt beim Einkaufsbummel. Und wer<br />

wollte, konnte sich direkt beraten lassen.<br />

<strong>Bottrop</strong>erin, die ihren dementen Ehemann<br />

dreimal wöchentlich zur Betreuung in eine<br />

Tagesstätte brachte Aber der Mann sperrte<br />

sich dagegen Die Ehefrau schlug Christa Tappen<br />

am Info-Stand vor: „Ich hol’ jetzt meinen<br />

Mann und dann sagen Sie ihm, dass er in die<br />

Tagesstätte gehen soll!“<br />

Das wäre der falsche Weg gewesen, sagt<br />

Christa Tappen Wenn der Ehemann nicht in<br />

die Tagesstätte wolle, dann sei die Ehefrau<br />

gut beraten, diese Ablehnung ernst zu<br />

nehmen und nach den Ursachen zu suchen:<br />

Ist der dreimalige Besuch zuviel verlangt?


55<br />

Ist diese Tagesstätte der richtige Ort? Fühlt<br />

sich der Lebenspartner abgeschoben? Mit<br />

diesen Fragen, mit der Suche nach einem<br />

Ausweg aus der konfliktträchtigen Situation,<br />

wäre die Ehefrau bei einer Selbsthilfegruppe<br />

an der richtigen Adresse, glaubt Christa<br />

Tappen „Aber sie hatte keine Lust, sich einer<br />

Gruppe anzuschließen, denn dann müsste<br />

sie sich ja bekennen “ Zu der Krankheit ihres<br />

Lebenspartners<br />

Christa Tappen hat ihre heute 83-jährige<br />

Mutter, die nun im Heim betreut wird, durch<br />

alle Stadien der Demenz begleitet Von den<br />

ersten Anzeichen, den Gedächtnislücken und<br />

Aussetzern, über die wachsende Überforderung<br />

und Irritation bis zum mehrwöchigen<br />

Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik<br />

Christa Tappen hat dabei gelernt, dass<br />

Demente recht haben Immer „Denn man<br />

muss ihnen immer die Sicherheit geben,<br />

dass sie nichts falsch machen “ Der Mutter sei<br />

bewusst gewesen, dass in ihrem Kopf vieles<br />

nicht mehr <strong>wie</strong> gewohnt ineinander griff, und<br />

INFO<br />

sie habe deshalb oft geweint Auch dieses<br />

Stadium ging vorüber „Heute geht es meiner<br />

Mutter gut “ Christa Tappen weiß, dass sie als<br />

Tochter mehr unter der Demenz ihrer Mutter<br />

leidet als die 83-Jährige, die sich nicht mehr<br />

daran erinnern kann, dass der Bissen auf der<br />

Gabel in den Mund gehört „Ich habe mich<br />

von meiner Mutter verabschiedet Das ist<br />

nicht mehr meine Mutter “<br />

Die <strong>Bottrop</strong>erin gibt ihr Wissen über verwirrte<br />

Senioren gern in der Selbsthilfegruppe weiter<br />

Dabei ist ihr klar, dass keine zwei Menschen<br />

in ihrer Krankheit auf gleiche Weise reagieren<br />

Aber Angehörige können die Tipps anderer<br />

Betroffener versuchsweise anwenden und<br />

Verhaltenweisen ausprobieren Was voraussetzt,<br />

dass ein Pool an Erfahrungen zur Verfügung<br />

steht, <strong>wie</strong> ihn die Gruppe bietet<br />

Auch die Demenzberaterin des Gesundheitsamtes<br />

schätzt die praktische Ausrichtung<br />

der Selbsthilfe Ihre Alltagskompetenz werde<br />

an keiner Universität gelehrt, stellt Barbara<br />

Josfeld fest<br />

In den beiden Selbsthilfegruppen Stadtmitte und Eigen sind neue Mitglieder willkommen. Die<br />

SHG Stadtmitte trifft sich an jedem 1. Dienstag im Monat von 16 bis 18 Uhr an der Gerichtsstraße<br />

3 im 2. Obergeschoss (Angehörigen-Betreuung im Demenz-Café im Haus möglich).<br />

SHG Eigen: Treffen an jedem 2. Dienstag im Monat, 17.30 bis 19.30 Uhr, AWO Seniorenheim,<br />

Rheinbabenstraße 38 a (Betreuung eines Angehörigen während der Treffen nach Absprache<br />

im Heim möglich). Kontakt vermittelt das Selbsthilfebüro unter Telefon 0 20 41 / 230 19.<br />

Heike Taut-Franci, Leiterin der Selbsthilfegruppe<br />

Stadtmitte, bewertet die Aktionswoche<br />

als „enormen Erfolg“ 45 intensive Gespräche<br />

haben Mitglieder der Selbsthilfe-Gruppen<br />

mit Ratsuchenden aus <strong>Bottrop</strong> und anderen<br />

Städten geführt Dabei beantworteten sie<br />

auch viele praktische Fragen und rieten in<br />

fünf Fällen zu einem Demenz-Test Heike<br />

Taut-Franci zieht Bilanz: „Ich glaube, wir haben<br />

etwas für <strong>Bottrop</strong> getan <strong>Bottrop</strong> hat aber<br />

auch etwas für uns getan “


GUTER RAT FÜR ANGEHÖRIGE 56<br />

„Silviahemmet Touch“ - Wohlgefühl durch Berührung vermitteln<br />

Der Malteser Hilfsdienst e V eröffnete in<br />

<strong>Bottrop</strong> im Frühjahr 2012 die bundesweit erste<br />

Malteser Tageseinrichtung für Menschen in<br />

der Frühphase der Demenz Dieser Tagestreff<br />

unter dem Namen „MalTa“ im Stadtteil Eigen<br />

arbeitet nach dem Modell von „Silviahemmet“,<br />

zu Deutsch etwa Silvia-Heim Die schwedische<br />

Königin hatte 1996 die Stiftung „Silviahemmet“<br />

gegründet, nachdem sie durch<br />

die Demenzerkrankung ihrer Mutter für das<br />

Thema sensibilisiert worden war Ziel dieser<br />

Tageseinrichtung ist es, Demenzkranken eine<br />

weitgehend selbstbestimmt Lebensweise zu<br />

ermöglichen, ihre Lebensqualität zu erhal-<br />

Fotos: © Josfeld (2)<br />

ten und die Angehörigen zu entlasten Drei<br />

täglich gemeinsam zubereitete Mahlzeiten<br />

dienen als Fixpunkte<br />

Mario Schneeberg, Leiter des Tagestreffs,<br />

betont: Angeboten werde von 9 bis 15 Uhr<br />

Tagesbetreuung, aber keine Pflege Zielgruppe<br />

seien ausschließlich Demente in der<br />

frühen Phase ihrer Erkrankung<br />

Dem Namen der schwedischen Königin<br />

ist auch die Entspannungsmassage „Silviahemmet<br />

Touch“ verpflichtet Sie arbeitet mit<br />

sanften Berührungen von Hand und Rücken<br />

und wurde entwickelt, um der Ruhelosigkeit<br />

vieler Demenzkranker Entspannung und<br />

Gut informiert: Die Mitarbeiter des Malteser<br />

Hilfsdienstes erläuterten den Besuchern das Konzept<br />

ihrer Tageseinrichtung für Menschen in der<br />

Frühphase der Demenz. Die Einrichtung wurde<br />

im Frühjahr durch Königin Silvia eröffnet.<br />

Eigenes Erleben: Heike Taut-Franci (links), Leiterin<br />

der Selbsthilfegruppe, lernt die Entspannungsmassage<br />

„Silviahemmet Touch“ kennen.<br />

ein angenehmes Körpergefühl entgegen zu<br />

setzen Diese Technik konnten Interessenten<br />

bei der Aktionswoche am Stand der Malteser<br />

kennenlernen<br />

KONTAKT<br />

Malteser Tagestreff , Scharfstraße 13,<br />

Ansprechpartner: Mario Schneeberg,<br />

Telefon 0 20 41 - 375 46 42,<br />

www.malteser-demenzkompetenz.de


57<br />

„Snoezelen“ - angenehme Reize für alle Sinne<br />

Im Caritas-Altenheim St Hedwig ist jeder<br />

Bereich mit einem „Snoezelen“-Wagen<br />

ausgerüstet, zudem gibt es einen „Snoezelen“-Raum<br />

Im Zelt an der Hansastraße<br />

erläuterten die Mitarbeiter den Begriff und<br />

führten seine Bedeutung praktisch vor Beim<br />

„Snoezelen“ vermitteln Pflegerinnen oder<br />

Therapeutinnen dem Dementen angenehme<br />

Sinnesreize, die im Optimalfall mit seiner<br />

Biographie korrespondieren Die Methode<br />

wurde 1978 in Holland als Freizeitangebot für<br />

geistig behinderte Kinder entwickelt, doch<br />

habe sich gezeigt, dass „Snoezelen“ positive<br />

Wirkung erziele bei allen Menschen mit<br />

Hirnleistungsstörungen, erläuterte Altentherapeutin<br />

Dorothe Kropp Beim „Snoezelen“<br />

werden in einer entspannten und stimmungsvollen<br />

Atmosphäre die Sinne durch<br />

Musik, Lichteffekte, leichte Vibrationen, taktile<br />

Stimulationen und angenehme Gerüche<br />

angesprochen Der Demenzkranke fühlt sich<br />

wohl und gut aufgehoben; intellektuelle<br />

Anforderungen spielen keine Rolle<br />

Foto: © Danneberg<br />

KONTAKT<br />

Altenheim St. Hedwig, Nordring 77,<br />

46240 <strong>Bottrop</strong>, Telefon 0 20 41 / 99 04 - 0,<br />

E-Mail: st.hedwig@caritas-bottrop.de<br />

Die Kraft der Berührung: Sanftes Streicheln<br />

vermittelt Entspannung und Wohlgefühl.


GUTER RAT FÜR ANGEHÖRIGE 58<br />

„Breathworks“ oder<br />

Achtsamkeit im Alltag<br />

Pflegende Angehörige werden oft mehrfach<br />

beansprucht: Von Seiten des Pflegebedürftigen<br />

oder Dementen, der Familie und des<br />

Berufs Daraus kann eine zermürbende Belastung<br />

entstehen, und an diesem Punkt setzt<br />

die „Breathworks“-Methode an Im Info-Service-Treffpunkt<br />

vom KWA-Stift Urbana an der<br />

Poststraße erläuterte die Breathworks-Trainerin<br />

und Diplom-Biologin Tanja Stevanovic<br />

das Frei-von-Stress-Konzept, das 2004 in<br />

Großbritannien entwickelt wurde Grundlage<br />

sind bewusste Wahrnehmung und Achtsamkeit<br />

im augenblicklichen Erleben Ziel ist es,<br />

Stress-Faktoren zu erkennen und besser mit<br />

ihnen umzugehen Dazu beitragen sollen<br />

unter anderem Atem- und Entspannungsübungen,<br />

sanfte Bewegungen und spezielle<br />

Meditationstechniken<br />

Tanja Stevanovic arbeitet in Gelsenkirchen<br />

und bietet Kurse und Workshops auch im<br />

<strong>Bottrop</strong>er Marienhospital an<br />

KONTAKT<br />

Tanja Stevanovic, Eulerstraße 14,<br />

45883 Gelsenkirchen,<br />

Telefon 02 09 / 275 75 47,<br />

E-Mail: breathworks@email.de<br />

www.breathworks.de<br />

Einen Zugang eröffnen: Mit diesem Bild, das Demenzberaterin<br />

Barbara Josfeld selbst gemalt hat,<br />

veranschaulicht sie die Wirkung des Gedächtnistrainings<br />

mit Dementen. Die Arbeit aktiviert die<br />

Erinnerung, öffnet (bildlich gesprochen) Reißverschlüsse<br />

– Blicke in die Vergangenheit.<br />

Foto: © Josfeld


59<br />

Innere Kraftquellen<br />

aufdecken<br />

Das „Insite-Zentrum“ bot während der Aktionswoche<br />

Gelegenheit, Achtsamkeit kennenzulernen:<br />

Der Begriff bezeichnet die Wahrnehmung<br />

des gegenwärtigen Augenblicks<br />

in einer Haltung der Freundlichkeit, auch den<br />

eigenen Grenzen gegenüber Meinungen,<br />

Urteile und Bewertungen werden dabei<br />

möglichst vermieden Kommunikations- und<br />

Körperübungen, Meditation und Gespräche<br />

sollen den Zugang zu inneren Kraftquellen<br />

aufdecken<br />

KONTAKT<br />

Monika Apfelhofer, Erzieherin und Altentherapeutin,<br />

und Dr. med. Karl-Georg Büscher,<br />

Arzt in eigener Praxis mit dem Schwerpunkt<br />

Präventivmedizin, Peterstraße 12,<br />

Telefon 0 20 41 / 372 97 58<br />

Zeit für ein Gespräch - denken Sie auch an sich!<br />

Betreuung und Pflege eines hilfsbedürftigen<br />

Menschen stellen den Alltag in der Familie<br />

auf den Kopf Oft werden Bedürfnisse und<br />

Wünsche der pflegenden Angehörigen in<br />

den Hintergrund gedrängt Silvia Elschner<br />

macht Mut, die eigenen Interessen und<br />

Ansprüche nicht aus den Augen zu verlieren:<br />

Ein offenes Ohr schenkte der „Sieben Freunde e. V.“<br />

Die Mitglieder des <strong>Bottrop</strong>er Vereins bringen<br />

Erfahrungen aus unterschiedlichen sozialen<br />

Berufen mit, <strong>wie</strong> Erzieherin, Diplom-Pädagogin<br />

und Seniorenbetreuerin Sie verstehen<br />

sich als Lotsen in einer Welt, deren Komplexität<br />

für viele Menschen immer schwerer<br />

zu durchschauen ist Als Aufgabengebiet<br />

betrachtet der Verein zunächst Probleme in<br />

Erziehung und Partnerschaft so<strong>wie</strong> familiäre<br />

Konflikte Nach einer Fortbildung 2011 wurde<br />

ein Angebot zur Demenzberatung aufgebaut,<br />

das Seniorenberaterin Heike Rex koordiniert<br />

Foto: © Fotolia<br />

„Das offene Ohr“ konnten Besucher während<br />

der Aktionswoche an unterschiedlichen<br />

Schauplätzen in der Stadt kennenlernen<br />

„Sieben Freunde e V “ bietet die Betreuung<br />

von Demenzpatienten in ihrem häuslichen<br />

Umfeld an, und dabei wollen die Helfer die<br />

Gesamtsituation - wenn möglich, auch die<br />

der Familie - in den Blick nehmen Individualität<br />

und Interessen des Demenzkranken seien<br />

wichtig, zu berücksichtigen sei aber auch<br />

die sch<strong>wie</strong>rige Aufgabe des Angehörigen,<br />

der in die Rechte und die Privatsphäre des<br />

Gut gesagt: Ein Gespräch hilft, den eigenen<br />

Standpunkt zu klären.<br />

„Nur wenn Sie gut für sich sorgen, können<br />

Sie auch für Ihren Angehörigen da sein“, stellt<br />

die Mitarbeiterin des KWA-Stifts Urbana fest<br />

Die Krankenschwester und psychologische<br />

Beraterin bot sich während der Aktionswoche<br />

im KWA-Info-Treff an der Poststraße 4 als<br />

Ansprechpartnerin für Fragen rund um die<br />

Pflege und als Zuhörerin an, wenn Besucher<br />

über ihre Sorgen reden und sie kurzfristig<br />

mit einem verständnisvollen Gegenüber<br />

„teilen“ wollten Silvia Elschner leitet darüber<br />

hinaus einen Gesprächskreis für pflegende<br />

Angehörige<br />

KONTAKT<br />

KWA-Stift Urbana, Info-Service-Treffpunkt,<br />

Poststraße 4, Telefon 0 20 41 / 77 19 08<br />

Kranken eingreife Die Kosten für Beratung<br />

und Betreuung übernimmt die Pflegekasse,<br />

erklärt der Verein, der bei Antragstellung und<br />

Auseinandesetzung mit dem Kostenträger<br />

behilflich ist<br />

KONTAKT<br />

Heike Rex, Telefon 0 28 58 / 83 21 48,<br />

E-Mail: heike.rex@sieben-freunde.com


GUTER RAT FÜR ANGEHÖRIGE 60<br />

Gutes Wohnen trotz Demenz<br />

Wohnberatung für Demenzkranke und<br />

ihre Angehörigen dient mehreren Zielen:<br />

Gefahrenquellen auszuschalten, räumliche<br />

und zeitliche Orientierung zu erleichtern,<br />

Maßnahmen gegen Unruhe und Verwirrtheit<br />

zu treffen Im Verlauf der Erkrankung<br />

sollte immer <strong>wie</strong>der überprüft werden, ob<br />

die Gestaltung der Wohnung noch optimal<br />

an die aktuellen Bedürfnisse des demenziell<br />

veränderten Bewohners angepasst sei, erklärt<br />

Ingo Scheuer, Wohnberater beim Arbeiter<br />

Samariter Bund (ASB) Im Möbelhaus Beyhoff<br />

Foto: © Grimpe<br />

Verwirrung: Ein dementer Mensch versucht, sich die nächsten Handlungsschritte zu merken – nach<br />

Hause, Tür zu, umziehen, Zähne putzen, ins Bett gehen.<br />

an der Gladbecker Straße stand er während<br />

der Aktionswoche für einen Vormittag als<br />

Ansprechpartner zur Verfügung<br />

Ingo Scheuer kommt auf Wunsch zu<br />

einer ausführlichen Beratung ins Haus und<br />

erläutert nach einem Rundgang durch die<br />

Wohnung, was aus seiner Sicht im Interesse<br />

von mehr Sicherheit und besserer Orientierung<br />

umgestaltet werden sollte Praktische<br />

Beispiele: Stolperkanten an Teppichen entfernen,<br />

Bewegungsraum durch das Entfernen<br />

von Möbeln schaffen, mit Piktogrammen<br />

an Schränken die Orientierung in der Küche<br />

erleichtern, Medikamente und Putzmittel aus<br />

dem Bad entfernen, Temperaturbegrenzer in<br />

den Armaturen installieren, um die Gefahr der<br />

Verbrühung zu reduzieren<br />

KONTAKT<br />

Ingo Scheuer, Wohnberatungsstelle <strong>Bottrop</strong>,<br />

An der Kommende 12 -14, 46238 <strong>Bottrop</strong>,<br />

Telefon 0 20 41 / 375 46 80,<br />

E-Mail: ischeuer@asb-ruhr.info


61<br />

Knappschaft brachte die grauen Zellen in Schwung<br />

Die Knappschaft ist in der vom Bergbau geprägten Stadt <strong>Bottrop</strong> eine der beiden mitgliederstärksten<br />

Krankenkassen. Daher wurde der mit Landesmitteln geförderte Pflegestützpunkt,<br />

der Versicherte aller Krankenkassen mit unabhängigen Informationen über<br />

Leistungen bei Pflegebedürftigkeit versorgen soll, in der Geschäftsstelle der Knappschaft<br />

an der Hochstraße 24 eingerichtet. Das Knappschaftskrankenhaus <strong>Bottrop</strong> ist eine feste<br />

Größe im medizinischen Versorgungsspektrum der Stadt.<br />

Vor diesem Hintergrund erwartete die Besucher<br />

am Info-Stand an der Hochstraße 24 ein<br />

täglich wechselndes Angebot an Informationen<br />

und praktischen Tipps, zu dem alle<br />

Knappschafts-Partner ihr Teil beitrugen Für<br />

Foto: © Danneberg<br />

Unterhaltung sorgte die Bergmannskapelle<br />

des Bergwerks Prosper Haniel mit einem Konzert<br />

- darüber hinaus brachten am Info-Stand<br />

spielerische Angebote die grauen Zellen der<br />

Besucher in Schwung<br />

Beratung vor der Haustür: Die Knappschaft bot<br />

vor dem Eingang zu ihrer Niederlassung an<br />

der Hochstraße vielfältige Informationen und<br />

Unterhaltung an.<br />

Mitarbeiter der neurologischen Klinik des<br />

Knappschaftskrankenhauses demonstrierten<br />

mit Pinsel und Farbe, <strong>wie</strong> Malen und Basteln<br />

über das Vergessen hinweg eine Brücke<br />

bauen kann zur noch intakten Erinnerung<br />

Demenzkranker, die als Anknüpfungspunkt<br />

dient für ein Gespräch Ergotherapeuten<br />

aus dem Reha-Zentrum stellten Ideen und<br />

Vorschläge für den Alltag mit Demenzkranken<br />

vor: Der Tag soll Anregungen bieten, darf<br />

aber nicht überfordern<br />

Die Pflegeberater des Pflegestützpunktes<br />

gaben Informationen zu speziellen Angeboten<br />

in der Region an Interessenten<br />

weiter, berieten persönlich oder vermittelten<br />

Ansprechpartner<br />

Marlen Lehrke, stellvertretende Küchenleiterin<br />

des Knappschaftskrankenhauses, beließ es<br />

beim Thema Ernährung nicht bei der Theorie<br />

Am Info-Stand griffen die Besucher gerne zu,<br />

wenn „Fingerfood“ angeboten wurde: leicht<br />

greifbare Happen, nicht größer als zwei Bissen,<br />

sprechen viele Demenzpatienten an, die<br />

von einer Mahlzeit am Tisch mit Messer und<br />

Gabel überfordert sind


DEMENZ UND MIGRATION 62<br />

Alt werden in der Fremde<br />

Foto: © Josfeld<br />

Demenz kennt keine ethnischen Grenzen. Mit einer Info-Veranstaltung in russischer und<br />

einer Filmdokumentation in türkischer Sprache mit Diskussion wandte sich die Arbeiterwohlfahrt<br />

(AWO) während der Aktionswoche an Besucher mit Migrationshintergrund.<br />

Welche Problematik sich hinter dem Thema „Demenz und Migration“ verbirgt, verdeutlichte<br />

Diplom-Sozialpädagogin Elena Maevskaya einem deutschsprachigen Publikum in ihrem<br />

Vortrag unter dem Titel „Demenz und Migration“. Sie ist Mitarbeiterin im Demenz-Servicezentrum<br />

für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Gelsenkirchen, das sich auf die<br />

praktische Arbeit mit Migranten konzentriert.<br />

Verständigung: Die Patenschaften junger<br />

Migrantinnen machten deutlich, <strong>wie</strong>viel Nähe<br />

möglich ist – auch über kulturelle Grenzen<br />

hinweg.<br />

Studien zur gesundheitlichen Versorgung<br />

von Patienten mit Migrationshintergrund<br />

sind der Referentin nicht bekannt, geschweige<br />

denn mit dem zusätzlichen Faktor<br />

Demenz Anzeichen deuteten darauf hin,<br />

dass der Alterungsprozess in dieser Bevölkerungsgruppe<br />

früher einsetze, denn Migration<br />

sei oft mit Stress und Belastung verbunden


63<br />

Die Referentin ver<strong>wie</strong>s in diesem Zusammenhang<br />

auf eigene Erfahrungen mit beruflicher<br />

Qualifikation: In der Bundesrepublik<br />

wurde ihr russischer Studienabschluss nicht<br />

anerkannt, weshalb sie in Deutschland ein<br />

zweites Studium absolvierte<br />

Nach den Erfahrungen der Sozialpädagogin<br />

bilden demenziell veränderte Migranten eine<br />

unterversorgte Gruppe mit besonderem Unterstützungsbedarf<br />

Für viele sei die Verständigung<br />

in deutscher Sprache ein ständiges<br />

Problem und die Kommunikationssch<strong>wie</strong>rigkeiten<br />

verschärften sich bei einsetzender<br />

Demenz: Denn krankheitsbedingt fallen die<br />

Erkrankten in ihre im Langzeitgedächtnis verankerte<br />

Muttersprache zurück und vergessen<br />

die jüngst erworbenen Deutschkenntnisse<br />

Damit sind sie aber oft unerreichbar für die<br />

Pfleger(innen) in deutschen Heimen Denn<br />

den meisten fehlen sowohl sprachliche<br />

als auch kulturelle Kompetenzen in Bezug<br />

auf die Heimatländer der demenzkranken<br />

Migranten Denen wäre am besten mit<br />

Personal geholfen, das die Muttersprache<br />

der Pflegebedürftigen spricht, folgert Elena<br />

Maevskaya<br />

Die größten Sch<strong>wie</strong>rigkeiten bereiten aus<br />

Sicht der Referentin Informationsdefizite bei<br />

den Zuwanderern, denen Unterstützungsangebote<br />

von Gesundheitswesen und Alten-<br />

Sozialpädagogin Elena Maevskaya:<br />

hilfe in Deutschland unbekannt seien Daher<br />

seien als praktische Hilfsmittel Übersetzungen<br />

des deutschsprachigen Materials sinnvoll<br />

Einer sprachlichen Hürde anderer Art begegnen<br />

Betroffene und Therapeuten in den<br />

bekannten Test- und Diagnoseverfahren Sie<br />

basierten in der Mehrzahl auf Sprache und<br />

seien daher für den Einsatz bei Migranten<br />

nicht geeignet<br />

Bei russischen Migranten stellt sich nach<br />

Darstellung der Referentin ein besonderes<br />

Problem: Begründet durch die historische<br />

Rolle der Psychiatrie in Russland begegnen<br />

russische Migranten dieser medizinischen<br />

Fachrichtung mit Misstrauen und diese Skepsis<br />

übertragen sie auf deutsche Einrichtungen<br />

und ihre Vertreter „Das Thema Demenz ist mit<br />

einem Tabu belegt“, stellte Elena Maevskaya<br />

fest „In Russland ist der Begriff nicht bekannt “<br />

Die Mitarbeiter in Gesundheitswesen und<br />

Altenhilfe sollten für das Thema „Demenz<br />

und Migration“ sensibilisiert, interkulturelle<br />

Öffnungsprozesse in den bestehenden Einrichtungen<br />

unterstützt werden<br />

Die Landesinitiative Demenz-Service NRW<br />

bietet mit über 2 000 Angeboten, Initiativen,<br />

Diensten und Einrichtungen in NRW<br />

Unterstützung bei Demenz für Betroffene<br />

und Angehörige Ihre zentralen Akteure sind<br />

„Das Thema Demenz ist mit einem Tabu belegt. In Russland ist der Begriff nicht bekannt.“<br />

12 Demenz-Servicezentren, die regional<br />

eingebunden sind Darüber hinaus wurde das<br />

Demenz-Servicezentrum für Menschen mit<br />

Zuwanderungsgeschichte in Gelsenkirchen<br />

eingerichtet Träger ist die AWO Das Servicezentrum<br />

widmet sich ausschließlich dem Themenspektrum<br />

„Demenz und Migration“, ist für<br />

ganz NRW zuständig und wird vom NRW-Ministerium<br />

für Gesundheit, Emanzipation, Pflege<br />

und Alter und den Landesverbänden der<br />

Pflegekassen gefördert Zu seinen Aufgaben<br />

gehören Information und Vermittlung von<br />

Unterstützung für demenzkranke Migranten<br />

und ihre Angehörigen so<strong>wie</strong> die Entwicklung<br />

muttersprachlicher Broschüren und Texte<br />

KONTAKT<br />

Demenz-Servicezentrum für Menschen mit<br />

Zuwanderungsgeschichte, Paulstraße 4,<br />

45889 Gelsenkirchen, Telefon 02 09 / 60 48 30,<br />

www.demenz-service-nrw.de


FACHLICHES<br />

Formen der Demenz und therapeutische Möglichkeiten<br />

Oberarzt Thomas Lunke gab bei zwei Vorträgen einen überblick über Demenzerkrankungen und aktuelle Therapieansätze<br />

Thomas Lunke, Facharzt für Neurologie und<br />

Oberarzt der neurologischen Klinik im Knappschaftskrankenhaus<br />

<strong>Bottrop</strong>.<br />

Vergesslichkeit ist unangenehm und eine<br />

häufige Begleiterscheinung des Alters, aber<br />

Demenz besitzt eine andere Qualität Thomas<br />

Lunke bezeichnet mit diesem Begriff eine<br />

seit mindestens sechs Monaten andauernde<br />

Störung des Gedächtnisses und des Denkvermögens,<br />

die so ausgeprägt ist, dass sie<br />

Alltagsaktivitäten beeinträchtigt<br />

In Deutschland leiden etwa 1,2 Millionen<br />

Menschen an einer Demenz, pro Jahr werden<br />

in der Bundesrepublik 200 000 Neuerkrankungen<br />

verzeichnet<br />

Bis 2050 ist von einer Verdoppelung der Patientenzahl<br />

auszugehen, bereits heute bildet<br />

Demenz die häufigste Ursache von Pflegebedürftigkeit<br />

Das bedeutet: Die Gesellschaft<br />

muss sich darauf einstellen, für die Versorgung<br />

von Demenzpatienten in steigendem<br />

Umfang Geld und Personal bereit zu stellen,<br />

betonte Lunke<br />

Die Medizin hat Kriterien <strong>wie</strong> sinkende<br />

Gedächtnisleistung, Abnahme weiterer<br />

kognitiver Fähigkeiten und verminderte<br />

Urteilsfähigkeit festgelegt, um die Diagnose<br />

Demenz zu sichern Wichtig sei bei der<br />

weiteren Diagnostik die Unterscheidung<br />

zu ähnlichen Krankheitsbildern, um vor<br />

allem andere behandelbare Krankheiten<br />

<strong>wie</strong> Stoffwechselstörungen, Hirntumoren,<br />

Störungen in der Hirnwasserzirkulation etc<br />

aufzudecken<br />

Zudem gibt es unterschiedliche Demenzformen<br />

Thomas Lunke nannte Beispiele:<br />

Die vaskuläre Demenz entsteht aufgrund<br />

von Durchblutungsstörungen im Gehirn<br />

oder infolge einer Reihe kleiner Hirninfarkte<br />

Degenerative Demenz wird ausgelöst durch<br />

den Abbau von Nervenzellen im Gehirn, <strong>wie</strong><br />

ihn die Alzheimer- oder Parkinson-Krankheit<br />

verursachen Welche Faktoren diesen<br />

Prozess in Gang setzen, ist noch nicht<br />

ausreichend bekannt Doch wurden bei<br />

Alzheimer-Patienten typische strukturelle<br />

Veränderungen festgestellt: Im Gehirn<br />

bilden sich Eiweiß-Ablagerungen außerhalb<br />

der Zelle, die Amyloid-Plaques In den Nervenzellen<br />

führen enzymatische Störungen<br />

zu einer Veränderung der Tau-Proteine, die<br />

innerhalb der Nervenzelle stützende Funktionen<br />

haben Dies scheint die physiologische<br />

Stabilisierungsfunktion für die Mikrotubuli<br />

zu beeinträchtigen, so dass verstärkte<br />

Bündelbildungen („Alzheimer-Fibrillen“) entstehen<br />

Die Folge: die Neurofibrillenbündel<br />

verklumpen, die Zellen sterben ab<br />

64<br />

Unter den unterschiedlichen Demenzformen<br />

ist die Alzheimer-Krankheit mit 60<br />

Prozent die häufigste, es folgen die vaskuläre<br />

Demenz und die Lewy-Body-Demenz<br />

Hinter Demenzerscheinungen können<br />

sich auch Alkoholmissbrauch, ein Hirntumor,<br />

Vitamin- oder Elektrolytmangel und<br />

vieles mehr verbergen; in diesen Fällen<br />

setzt die Therapie bei der Ursache an<br />

Durch Medikamente kann der Verlauf der<br />

Demenz verzögert werden Dabei gilt:<br />

Der Nutzen der Therapie ist umso größer,<br />

je früher die Behandlung beginnt Erfolg<br />

scheint eine noch experimentelle Therapie<br />

mit Immunglobulinen zu versprechen<br />

Das entsprechende Medikament hat im<br />

Versuch den Zustand von Alzheimer-Patienten<br />

über drei Jahre stabil gehalten,<br />

mithin den fortschreitenden Abbau der<br />

Gehirnzellen gestoppt Die Untersuchung<br />

wird mit einer größeren Teilnehmergruppe<br />

fortgesetzt Auf nicht-medikamentösem<br />

Gebiet können Therapieformen <strong>wie</strong> ein<br />

Realitäts-Orientierungs-Training oder kognitives<br />

Training positive Wirkungen zeigen<br />

Zum Abschluss seines Vortrags hielt<br />

Thomas Lunke den Zuhörern Verhaltensleitlinien<br />

im Umgang mit Dementen vor<br />

Augen Sie bräuchten keinesfalls Bevormundung,<br />

sondern vielmehr Unterstützung,<br />

Anregung und Orientierungshilfe<br />

Da haben <strong>Bottrop</strong>er den Vorteil, über den<br />

Mobilen Demenzservice Zugang zu den<br />

vielfältigen Angeboten wohnungsnah zu<br />

bekommen


65<br />

Lebensrisiko: Je älter wir werden, desto höher ist die Gefahr,<br />

an Demenz zu erkranken. In der Gruppe der über 90-Jährigen<br />

ist zur Zeit jeder zweite betroffen.<br />

Deutschland altert: Der Anteil der über 70-Jährigen bildet<br />

etwa ab dem Jahr 2030 einen Schwerpunkt in der Alterspyramide,<br />

die im Vergleich zu früheren Jahrzehnten auf dem<br />

Kopf steht.


VORBEUGUNG 66<br />

Balance finden zwischen Tun und Lassen<br />

Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist Prävention, die gezielt vor Demenzerkrankungen<br />

schützt, nicht möglich. Wohl aber Vorbeugung, die den gesamten Organismus stärkt<br />

und damit die Widerstandsfähigkeit des Gehirns erhöht. Es gibt Hinweise darauf, dass<br />

körperliche Aktivität und ein aktives geistiges und soziales Leben Schutzfaktoren gegen<br />

Demenz bilden. Sie sind ein wirksames Gegenmittel bei „Alterskrankheiten“ <strong>wie</strong> Passivität,<br />

Einsamkeit und Depression und steigern die Lebensfreude in jedem Alter. Anregungen für<br />

eine gesunde Lebengestaltung konnten vor allem zwei Zielgruppen aus der Aktionswoche<br />

mitnehmen: Senioren, die für ihre geistige oder körperliche Fitness aktiv werden wollen,<br />

und pflegende Angehörige auf der Suche nach Ausgleich für Alltagsbelastungen.<br />

Foto: © Fotolia.de<br />

Entspannung pur: Ohne gelegentliche Auszeiten<br />

und die Chance, die „Seele baumeln“ zu lassen,<br />

droht schnell eine Überforderung. Dies kann<br />

demenzielle Entwicklungen verstärken.


67<br />

Bei Gedächtnistraining und Rummikub - einer<br />

Variante des beliebten Kartenspiels Rommée<br />

- bewegen die Teilnehmer nur die grauen<br />

Zellen im Kopf Dieser Denkprozess kann<br />

heftige Adrenalinschübe auslösen, begleitet<br />

von hellem Gelächter und Aufregung, <strong>wie</strong> im<br />

Katholischen Stadthaus zu beobachten war<br />

Yoga so<strong>wie</strong> die chinesische Bewegungskunst<br />

und -meditation Taijiquan und die ebenfalls<br />

chinesische Bewegungs- und Meditationsform<br />

Qi Gong bauen auf das Zusammenspiel<br />

von Körper und Geist, streben Harmonie an<br />

Die Qi Gong-Demonstrationen auf dem St<br />

Cyriakus-Kirchplatz mit Maria Thon faszinierten<br />

das Publikum mit ihrem ruhigen Fluss der<br />

Bewegungen<br />

Immer <strong>wie</strong>der gerät Tanzen ins Blickfeld,<br />

wenn von Prävention die Rede ist Es muss<br />

ja nicht gleich das sportliche Tanz-Fit-<br />

Foto: © Josfeld<br />

ness-Programm sein, das unter dem Namen<br />

Zumba den Puls in die Höhe treibt Neben<br />

Schachspielen und Musizieren gilt Tanzen<br />

als hervorragend geeignet, um der Demenz<br />

vorzubeugen<br />

Foto: © Josfeld<br />

Spaß für Jung und Alt: Rummikub bringt die<br />

Gehirnzellen auf Trab. Die Regeln entsprechen<br />

dem Kartenspiel Rommée.<br />

Auf der Suche nach der Mitte: Taijiquan kombiniert<br />

Bewegungs- und Meditationselemente.


AUSBLICK<br />

Ein Kraftakt, der Perspektiven eröffnet<br />

Eine Aktionswoche zum Thema Demenz? Das Interesse der Öffentlichkeit auf eine Krankheit<br />

lenken, die Befangenheit und bei dem einen oder anderen Hilflosigkeit oder gar<br />

Schuldgefühle auslöst? Die Idee zu dieser Woche wirkte gleichermaßen faszinierend <strong>wie</strong><br />

ungewöhnlich. Beinahe unmöglich zu verwirklichen schien allerdings die Absicht, mit der<br />

Veranstaltungsreihe eine positive Einstellung zur Demenz zu vermitteln, die sich scheinbar<br />

zur Volkskrankheit entwickelt. Doch von diesen Bedenken ließen sich die beiden Initiatorinnen<br />

im städtischen Gesundheitsamt, Dr. Astrid Danneberg und Barbara Josfeld, nicht<br />

abschrecken. Im Gegenteil!<br />

Fotos: © Stadt <strong>Bottrop</strong> (2)<br />

Links: Dr. Antoinette Bunse (CDU), MdL, ist<br />

stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für<br />

Soziales, Gesundheit und Familie.<br />

Ratsfrau Renate Palberg (SPD) ist Vorsitzende<br />

des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und<br />

Familie.<br />

68<br />

Dieses überzeugende Engagement zeigte<br />

Wirkung, und darüber hinaus traf das<br />

Thema offenbar einen Nerv bei vielen<br />

<strong>Bottrop</strong>ern, die aus beruflicher <strong>wie</strong> persönlicher<br />

Betroffenheit um die Bedeutung der<br />

Krankheit wissen Denn die Resonanz unter<br />

den professionellen <strong>wie</strong> ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der<br />

Altenpflege und bei den Selbsthilfegruppen<br />

war enorm, als bei einem ersten Treffen das<br />

Projekt vorgestellt wurde Bemerkenswert ist<br />

ebenso, dass der Gedanke an eine Aktionswoche<br />

zum Thema Demenz auch außerhalb<br />

dieses Personenkreises aufgegriffen<br />

wurde <strong>Bottrop</strong>er Künstler, Tanzlehrer und<br />

Gastronomen brachten sich in das Projekt<br />

ein, Geschäftsleute stellten ihre Räume<br />

als Ausstellungs- und Aktionsflächen zur<br />

Verfügung An vielen Schauplätzen traten<br />

Schüler und Schülerinnen in Aktion, die<br />

beim Patenprojekt ihre alten Partnerinnen<br />

und Partner unterstützten Alle waren bereit,<br />

Zeit und Arbeit zu investieren<br />

Zum Start der Aktionswoche war durch<br />

vielfältige Vorarbeit der Boden bereitet: Die<br />

<strong>Bottrop</strong>er Bürger schauten nicht weg, sie<br />

blickten vielmehr interessiert hin, als sich<br />

Ungewöhnliches in ihrer Stadt tat Für einen<br />

begrenzten Zeitraum wurde der Umgang<br />

mit Demenz zu einer öffentlichen, selbstverständlichen<br />

Angelegenheit Das Projekt „<strong>Gedanken</strong><br />

<strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“ war ein Kraftakt,<br />

hat aber den Akteuren Selbstbewusstsein<br />

und gesellschaftliche Anerkennung vermittelt<br />

und bleibt als positives Gemeinschaftserlebnis<br />

in Erinnerung


69<br />

Die Aktionswoche hat in der Öffentlichkeit<br />

das Spektrum der Hilfs- und Beratungsangebote,<br />

hinter denen die Wohlfahrtsverbände,<br />

Kirchen, die Stadt und weitere Träger stehen,<br />

detailliert aufgefächert Die Veranstalter<br />

betraten auch Neuland mit ungewöhnlichen<br />

Aktionen für Demente und deren Familien<br />

Die Angehörigen konnten im unverbindlichen<br />

und zwanglosen Rahmen Neues kennenlernen,<br />

Anregungen ebenso <strong>wie</strong> kritische<br />

Denkanstöße mitnehmen<br />

Unabhängig von diesen unmittelbaren<br />

positiven Effekten stellt sich vor allem für das<br />

Gesundheitsamt die Frage nach Ergebnissen<br />

und Konsequenzen, die in die Zukunft<br />

weisen<br />

Einige Veranstaltungen wurden besonders<br />

gut angenommen Die Polonäse vergnügter<br />

Senioren, die beim Sommercafé mit Gesang<br />

und Musik durch den Overbeckshof zog,<br />

bleibt allen als heitere Episode im Gedächtnis<br />

Gleiches gilt für das temperamentvolle<br />

Tanzfest zum Abschluss der Aktionswoche<br />

auf dem Berliner Platz Diese erfolgreichen<br />

Veranstaltungen haben Ehrenamtler und<br />

Professionelle mit eigener Kraft auf die Beine<br />

gestellt, und in der lokalen Verankerung liegt<br />

ihre Zukunftsperspektive Diese Projekte sind<br />

ausbaufähig und bieten Anknüpfungspunkte<br />

für weitere Aktionen<br />

Bei der Vorbereitung der Aktionswoche<br />

haben sich alle Beteiligten über ein kommunikatives<br />

Netzwerk abgestimmt, dessen<br />

Fäden im Gesundheitsamt zusammenliefen<br />

Die Struktur für den weiteren Austausch ist<br />

daher vorbereitet, und der Gesprächsfaden<br />

wird sicherlich nicht abreißen Alle Akteure<br />

werden überlegen, was sie aus den „<strong>Gedanken</strong><br />

<strong>wie</strong> <strong>Seifenblasen</strong>“ in ihre tägliche Arbeit<br />

mitnehmen können, welche Anregungen bei<br />

einer Erprobung auf den Prüfstand gestellt<br />

und danach als regelmäßige Angebote in<br />

die tägliche Betreuungs- und Pflegepraxis<br />

übernommen werden können<br />

Einige Monate nach Abschluss der Aktionswoche zeichnet sich aber ab, dass sie den Anstoß<br />

für neue Ideen und Initiativen gegeben hat. Einige Beispiele:<br />

� Das Paten-Projekt, bei dem Schüler hilfsbedürftige und demente Senioren unterstützten,<br />

wird ausgewertet und fortgesetzt Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) will in Zusammen-<br />

arbeit mit dem städtischen Gesundheitsamt und der Ehrenamtagentur im nächsten Jahr<br />

Schüler eines neuen Jahrgangs an unterschiedlichen Schulformen für Ausbildung und<br />

Mitarbeit gewinnen<br />

� Der „Arbeitskreis Gerontopsychiatrie“ wird in der Öffentlichkeit die Diskussion anstoßen über<br />

ein GPS-Ortungssystem, mit dessen Unterstützung der Aufenthaltsort hilfsbedürftiger<br />

Senioren rasch ermittelt werden kann<br />

� Das „Kuratorium Wohnen im Alter“, Träger eines Seniorenstifts, hat im September in <strong>Bottrop</strong><br />

mit einer mehrwöchigen Schulung von Angehörigen Demenzkranker begonnen<br />

� Die Stadtbücherei hat ein Medienpaket in ihren Bestand aufgenommen, das auf die<br />

Bedürfnisse dementer Fernsehzuschauer zugschnitten ist Das Paket enthält Tierdoku-<br />

mentationen mit harmonischen Bildern und ruhigen Einstellungen: Ein Film war während<br />

der Demenzwoche in der Kirche St Cyriakus zu sehen<br />

� Das Trommel-Projekt, das am Eröffnungstag der Aktionswoche fröhliche Botschaften über<br />

den Berliner Platz schickte, erlebt eine Fortsetzung Die Konrad-Grundschule besucht<br />

einmal im Monat zwei Altenheime, um dort mit den Bewohnern zu trommeln und<br />

rhythmisch zu arbeiten<br />

Schließlich und endlich hoffen wir, dass die vorliegende Dokumentation auf dem Deutschen<br />

Städtetag 2013 in Berlin Impulse für einen vielseitigen <strong>Gedanken</strong>- und Erfahrungsaustausch<br />

gibt Denn diese wichtige Frage beschäftigt alle Kommunen: Welchen Beitrag kann eine Stadt<br />

zu einer verbesserten Lebensqualität der stetig wachsenden Anzahl älterer Bürgerinnen und<br />

Bürger und ihrer Angehörigen leisten?<br />

Renate Palberg, Dr. Antoinette Bunse


DANKSAGUNG<br />

Alzheimer-Gesellschaft<br />

Apfelhofer, Monika<br />

Arbeiter-Samariter-Bund<br />

Arbeiterwohlfahrt <strong>Bottrop</strong>/Gelsenkirchen<br />

Bajrami, Käsetheke<br />

Bergmannskapelle Prosper Haniel<br />

Berufskolleg <strong>Bottrop</strong><br />

Beughold, Bernadette<br />

Blanik Garten Landschaft Freiraum<br />

<strong>Bottrop</strong>er Selbsthilfegruppen<br />

Angehörige Demenzkranker<br />

breathworks<br />

„Breeze“, Seniorenband<br />

Bürgerladen Ebel<br />

Büscher, Dr Georg<br />

Caritas Fachseminar für Altenpflege Dorsten<br />

Caritas Verband <strong>Bottrop</strong><br />

Demenz-Servicezentrum für Menschen<br />

mit Zuwanderungsgeschichte<br />

Demenz-Servicezentrum Westliches<br />

Ruhrgebiet<br />

Der Farbklecks<br />

Diakonisches Werk Gladbeck <strong>Bottrop</strong> Dorsten<br />

Dirkhoff, Carola<br />

Dorf-Apotheke Kirchhellen<br />

Deutsches Rotes Kreuz <strong>Bottrop</strong><br />

Ehrenamtagentur<br />

Elefanten Apotheke<br />

Erlenkämper, Buchhandlung<br />

Euronics Formella<br />

Filmforum<br />

Flamencogruppe, Tanzschule Türk<br />

Foto Lelgemann, Inh T Hill e K<br />

Franci, Paolo<br />

Gesellschaft für Bauen und Wohnen<br />

<strong>Bottrop</strong> mbH<br />

Gesellschaft für Stadtmarketing <strong>Bottrop</strong><br />

Gnadenkirche<br />

Grasedieck, Dieter<br />

Harst, Beate<br />

Hauptschule Welheim<br />

Heinrich-Heine-Gymnasium<br />

Historische Gesellschaft<br />

Hofmann, Guido<br />

Holtbernd, Thomas<br />

Holte, Cordula<br />

Holthaus, Doris<br />

Humboldt Buchhandlung<br />

Ilses weite Welt<br />

Institut für Berufliche Bildung<br />

Josef-Albers-Gymnasium<br />

Kaprol, Michael<br />

Karstadt<br />

Katholische Familienbildungsstätte<br />

Katholische Frauengemeinschaft <strong>Bottrop</strong><br />

Katholische Kliniken Emscher Lippe<br />

KJ Funsport<br />

Klauenberg, Catrin<br />

Köhne, Regina<br />

Konradschule<br />

Kremerskothen Reisen GmbH<br />

KWA-Stift Urbana<br />

„Lebendige Bibliothek“<br />

Löber, Pia<br />

Lützenburg, Bernhardine<br />

LWL Industriemuseum<br />

„MalTa“-Tagestreff<br />

Marie-Curie-Realschule<br />

Marienhospital <strong>Bottrop</strong><br />

Marktapotheke<br />

maxQ -Fachseminar für Altenpflege <strong>Bottrop</strong><br />

Mensing GmbH<br />

Moscheeverein Prosperstraße<br />

Musikforum<br />

Musikschule <strong>Bottrop</strong><br />

Neumann, Paul, Propst<br />

Nikolaus-Groß-Schule<br />

Novartis Pharma GmbH<br />

Overbeckshof<br />

Pawliczek, Peter<br />

Pfadfinder St Pius<br />

„Pflege heute“<br />

Pflege „Roicke“<br />

Pflegestützpunkt<br />

Preuthen, Erika<br />

70


71<br />

Prospernetz<br />

Regniet, Ulrike<br />

Schindler, Martin<br />

Schmand, Marie-Luise<br />

Schmuchal, Hartmut<br />

Schulte im Walde, Marie<br />

Seniorenbeirat<br />

Seniorenstift Haus Berge<br />

� Sparkasse.<br />

Gut für <strong>Bottrop</strong>.<br />

Sieben Freunde e V<br />

„Spätblüte“, Seniorentheater der<br />

Kulturwerkstatt<br />

Spielmobil des Jugendamtes <strong>Bottrop</strong><br />

St Cyriakus-Kirchengemeinde<br />

Stadtwald Apotheke<br />

Stratmann, Dr Ludger<br />

Tagespflege Darel<br />

Tanzschule Frank<br />

Thon, Maria<br />

Traeder, Bärbel<br />

Wieczorek, Reinhard<br />

Willi-Brandt-Gesamtschule<br />

Yamaha Music Europe GmbH<br />

Zauberer „LIAR“<br />

Unser besonderer Dank gilt allen Ungenannten, die zum Gelingen der Woche beigetragen haben.


IMPRESSUM<br />

Herausgeber: Gesundheitsamt der Stadt <strong>Bottrop</strong> in Zusammenarbeit mit<br />

dem Fachbereich Kommunale Verfassungsangelegenheiten und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Redaktion: Marie-Luise Schmand<br />

Fotografie: Michael Kaprol, Andreas Pläsken, Astrid Danneberg, Barbara Josfeld,<br />

Wolfgang Plönnigs, Heike Taut-Franci, Bärbel Traeder, Stadt <strong>Bottrop</strong>, Fotolia<br />

Gestaltung: Nina Golischewski<br />

Lektorat: Andreas Pläsken<br />

Oktober 2012<br />

72


73<br />

Foto Rückseite: © Kaprol<br />

Gemeinsam unterwegs: Heike Taut-Franci und<br />

ihr dementer Ehemann Paolo genießen den abschließenden<br />

Gang durch das Lichter-Labyrinth<br />

auf dem Berliner Platz, das durch Pfadfinder<br />

aufgebaut wurde. Paolo Franci hat der Demenz-<br />

Aktionswoche sein Gesicht gegeben.

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