WOLL Magazin Winter 2016 für Brilon, Olsberg, Marsberg, Willingen und Diemelsee
Woll, sagt man im Sauerland. WOLL - Das Magazin aus dem Sauerland über Sauerländer Lebensart. WOLL wie Worte, Orte, Land und Leute. Woll, sagt man im Sauerland. WOLL - Das Magazin aus dem Sauerland über Sauerländer Lebensart. WOLL wie Worte, Orte, Land und Leute.
Winter auf dem Land ERINNERUNGEN AN DAS DORFLEBEN IM SAUERLAND VON SILVIA PADBERG Der Winter, so heißt es, war früher ganz anders, so sagen wir in der heutigen Zeit doch alle. War er wirklich kälter, beständiger und schneereicher? Und doch hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert. Über Nacht hat es früher so feste geschneit, und eine dicke Schicht umhüllte Bäume, Wege und Häuser. Eine Jahreszeit- viele Wochen mit meterhohem Schnee, klirrender Kälte und Dorfstraßen, die mit Schneepflügen zumindest einspurig wurden. In der Dämmerung saß Oma in der guten Stube am Ofen, strickte aus dicker Wolle Socken und Mützen, andere Verwandte fertigten Pullover aus Angorawolle an, immer gut eingemummelt für die Wintermonate. In der früh vor der Schule tranken wir warmen Kakao, die Milch kam direkt jeden Tag frisch vom Bauer. Ein Marmeladenbrot auf dem Brettchen, zog man sich dicke Winterstiefel an, die Wisst Ihr noch, damals? Wir waren alle Kinder der Natur, haben bei Schneegestöber im Freien unsere Abenteuer gefunden, und dieses haben wir auch am ganzen Körper gespürt. Unsere Schlafräume waren nicht beheizt, in der guten Stube wurde der Ofen mächtig angeheizt und wochenlang waren die Fensterscheiben mit Eisblumen verziert. Habt Ihr es auch so geliebt? Ein Loch in die Eisblumen hauchen, mit dem Zeigefinger darauf malen oder mit der Zunge daran lecken, fast wäre meine Zunge damals festgeklebt. Bevor wir ins Bett hüpften, füllten die Mütter mit kochendem Wasser eine Wärmflasche, umhüllt in einem Handtuch, damit das Bett kuschelig warm wurde. Bommelmütze über die Ohren, die alte Jacke von der großen Schwester, und es ging zur Schule und das natürlich zu Fuß, denn es gab früher in jedem Ort eine Volksschule und nicht jeder Haushalt besaß ein Auto. Die Straßen waren dann doch nicht so glatt, es wurde mit Asche und Sand gestreut. War die Schule endlich zu Ende, lief man nach Hause, das Mittagessen stand bereits auf dem Tisch, schnell essen und mit Karacho zur Haustür, durch das Gartentor hinaus, um das nächste Abenteuer mit Freunden zu finden. Oh je, die bekannten Schlittschuhe, nicht die modernen von heute. Wir mussten diese Hackreißer an die Schuhsohlen schrauben und ältere Menschen schnallten sich die Spikes um die Stiefel. 52 - WOLL Winter 2016
Wenn der Schneepflug kam, waren sämtliche Bürgersteige und Vorgärten meterhoch mit Schnee bedeckt. Mit unseren Schneeschaufeln bauten wir am Haus große Iglus oder ganz große Schneemänner, die wir tagelang bestaunen konnten, ohne dass er den Tag darauf hinwegschmolz. Jeder Wintertag war anders, mit Skiern auf der Schulter liefen wir zum Hang, brauchten eine gefühlte Ewigkeit, bis wir den Berg erklommen hatten, schnallten die Skier um die Stiefel, und ab ging es die Piste hinunter. Unten angekommen, mussten wir die Skier abschnallen, und es ging wieder den Berg hinauf, die Piste haben wir selbst platt bekommen, ohne Pistenjäger. Mit stumpfen Schlittschuh-Kufen ging es zum nächsten See, keine Angst, dass das Eis brach, und glitten mit Fröhlichkeit über das gefrorene Eis. Wir waren immer auf Achse, eine ganze Schlitten-Kolonne wurde mit Bändern zusammengefügt und ab ging es über selbst gebaute Sprungschanzen, um kurvige Begebenheiten, und wir hatten so viel Spaß dabei, wenn immer wieder ein Holzschlitten aus der Kurve flog, eine Kettenreaktion, wir lagen alle lang. Hatten wir dann doch einmal Frostbeulen an den Fingern und Zehen, stürmten wir mit blau gefrorenen Lippen, laufender Nase zur Dämmerungszeit ins Haus. Es gab wieder warmen Kakao, die Finger unter Wasser gehalten und die Füße am Ofenrohr, hätte man fast weinen können. Es brauchte so einige Minuten, bis der Schmerz des Erfrierens nachließ. Heute sagen wir alle:,,Wo bleibt der Schnee?“ Die letzten Jahre waren nicht wirklich Winter, nur Chaos, wenn es minimal geschneit hat. Unsere Fenster sind trotz Kälte nicht mit Fotos: AirStativ Ohne die selbstgestrickten Handschuhe, die nur störten, haben wir einen Wettstreit mit Schneeballschlachten, hier geht es um Schnelligkeit und Volltreffer, ausgefochten. Handschuhe störten nur, Weg mit den Dingern, wir wollten Eis und Schnee spüren! Mit einem Rückenfall in tief verwehte Schneelandschaften fuchtelten wir mit den Armen, um so einen Engel zu zaubern, und aus Jux rieben wir uns gegenseitig den Schnee ins Gesicht und Nacken. Überall an Häuser- und Scheunen fanden wir riesige Eiszapfen, versuchten diese von den Dachrinnen mit Schneebällen zum Fallen zu bringen und lutschten das kalte Eis gegen unseren aufkommenden Durst. Eisblumen versehen, jedes Zimmer im Haus ist beheizt, immer warmes Essen, warme Kleidung, und das Wasser aus der Leitung wird warm. Heute ist für uns eben alles selbstverständlich, und doch hoffen wir alle auf einen Winter mit viel Schnee. Für einige historische Wintermotive bedanken wir uns bei Herrn Helmut Hoffschildt im Westdeutschen Wintersport Museum e.V. in Winterberg-Neuastenberg. Und wer einmal in Winter erinne rungen schwelgen möchte, besucht das einmalige sehenswerte Museum. WOLL Winter 2016 - 53
- Seite 1 und 2: 13 . Winter 2016 SAUERLAND Magazin
- Seite 3 und 4: Magazin für Brilon, Olsberg, Marsb
- Seite 5 und 6: Editorial LIEBE WOLL-LESERINNEN UND
- Seite 7 und 8: Auch abenteuerliche Kindheit Franz-
- Seite 9 und 10: Schon dort gewesen? AUF DEM GIPFELK
- Seite 11 und 12: erstrahlen. So vergingen Jahrzehnte
- Seite 13 und 14: GESCHICHTEN UND GEDICHTE BÜCHER VE
- Seite 15 und 16: Anzeige DIE ERSTE BETRIEBSSTÄTTE W
- Seite 17 und 18: selbstverständlich sein, wie das B
- Seite 19 und 20: worden unter direkter Einbeziehung
- Seite 21 und 22: In dieser Falknerei sind die versch
- Seite 23 und 24: Garantie Sie haben wenig Zeit und m
- Seite 25 und 26: Figuren sind entweder gut oder bös
- Seite 27 und 28: Paderborner Weihbischöfe mit Sauer
- Seite 29 und 30: Weihbischof Dominicus recht: Es sie
- Seite 31 und 32: den Rückseiten der beiden Seitenfl
- Seite 33 und 34: Anzeige Becker Immobilien in Brilon
- Seite 35 und 36: Anzeige Immobilienverwaltung ist Ve
- Seite 37 und 38: Der damalige Organist wurde hellhö
- Seite 39 und 40: Schöpferische Kräfte wurden bei d
- Seite 41 und 42: Mäuseinvasion In diesem Jahr hatte
- Seite 43 und 44: DER T REND 2017: ZURÜCK IN DIE HEI
- Seite 45 und 46: Sauerländer Mundartarchiv gesorgt.
- Seite 47 und 48: WOLL Winter 2016 - 47
- Seite 49 und 50: Ombré Amarula Kekse WINTERLICHES G
- Seite 51: Teil der Ausrüstung war anfangs ei
- Seite 55 und 56: Fotos: Kolpingsfamilie Helmeringhau
- Seite 57 und 58: Förster. „Das hat zu Irritatione
- Seite 59 und 60: fernt er mit Akribie, um in einer G
- Seite 61 und 62: Unter der Baumrinde HEIMAT ODER KAR
- Seite 63 und 64: Becker Anzeige WOLL Winter 2016 - 6
<strong>Winter</strong> auf dem Land<br />
ERINNERUNGEN AN DAS DORFLEBEN IM SAUERLAND<br />
VON SILVIA PADBERG<br />
Der <strong>Winter</strong>, so heißt es, war früher ganz anders, so sagen wir in<br />
der heutigen Zeit doch alle. War er wirklich kälter, beständiger<br />
<strong>und</strong> schneereicher? Und doch hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />
viel verändert. Über Nacht hat es früher so feste geschneit, <strong>und</strong><br />
eine dicke Schicht umhüllte Bäume, Wege <strong>und</strong> Häuser. Eine<br />
Jahreszeit- viele Wochen mit meterhohem Schnee, klirrender<br />
Kälte <strong>und</strong> Dorfstraßen, die mit Schneepflügen zumindest einspurig<br />
wurden.<br />
In der Dämmerung saß Oma in der guten Stube am Ofen,<br />
strickte aus dicker Wolle Socken <strong>und</strong> Mützen, andere Verwandte<br />
fertigten Pullover aus Angorawolle an, immer gut eingemummelt<br />
<strong>für</strong> die <strong>Winter</strong>monate.<br />
In der früh vor der Schule tranken wir warmen Kakao, die Milch<br />
kam direkt jeden Tag frisch vom Bauer. Ein Marmeladenbrot auf<br />
dem Brettchen, zog man sich dicke <strong>Winter</strong>stiefel an, die<br />
Wisst Ihr noch, damals? Wir waren alle Kinder der Natur, haben<br />
bei Schneegestöber im Freien unsere Abenteuer gef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong><br />
dieses haben wir auch am ganzen Körper gespürt. Unsere<br />
Schlafräume waren nicht beheizt, in der guten Stube wurde der<br />
Ofen mächtig angeheizt <strong>und</strong> wochenlang waren die<br />
Fensterscheiben mit Eisblumen verziert. Habt Ihr es auch so<br />
geliebt? Ein Loch in die Eisblumen hauchen, mit dem Zeigefinger<br />
darauf malen oder mit der Zunge daran lecken, fast wäre meine<br />
Zunge damals festgeklebt. Bevor wir ins Bett hüpften, füllten die<br />
Mütter mit kochendem Wasser eine Wärmflasche, umhüllt in<br />
einem Handtuch, damit das Bett kuschelig warm wurde.<br />
Bommelmütze über die Ohren, die alte Jacke von der großen<br />
Schwester, <strong>und</strong> es ging zur Schule <strong>und</strong> das natürlich zu Fuß,<br />
denn es gab früher in jedem Ort eine Volksschule <strong>und</strong> nicht<br />
jeder Haushalt besaß ein Auto. Die Straßen waren dann doch<br />
nicht so glatt, es wurde mit Asche <strong>und</strong> Sand gestreut.<br />
War die Schule endlich zu Ende, lief man nach Hause, das<br />
Mittagessen stand bereits auf dem Tisch, schnell essen <strong>und</strong> mit<br />
Karacho zur Haustür, durch das Gartentor hinaus, um das nächste<br />
Abenteuer mit Fre<strong>und</strong>en zu finden. Oh je, die bekannten<br />
Schlittschuhe, nicht die modernen von heute. Wir mussten diese<br />
Hackreißer an die Schuhsohlen schrauben <strong>und</strong> ältere Menschen<br />
schnallten sich die Spikes um die Stiefel.<br />
52 - <strong>WOLL</strong> <strong>Winter</strong> <strong>2016</strong>