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WOLL Magazin Winter 2016 für Brilon, Olsberg, Marsberg, Willingen und Diemelsee

Woll, sagt man im Sauerland. WOLL - Das Magazin aus dem Sauerland über Sauerländer Lebensart. WOLL wie Worte, Orte, Land und Leute.

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Die ganze Gans<br />

EIN BELIEBTER BRATVOGEL<br />

VON VOLKER GEDASCHKE<br />

Besonders in der Weihnachtszeit werden gern die alten<br />

Traditionen gepflegt. Was wären diese Festtage ohne<br />

Weihnachtsstollen, Weihnachtsgebäck, Weihnachtsbaum <strong>und</strong><br />

„Stille Nacht“? Fehlen darf jetzt auch nicht die Martinsgans, der<br />

liebste <strong>Winter</strong>braten der Deutschen.<br />

Der Namensgeber<br />

Startschuss wird am 11.November gegeben, dem Festtag des<br />

Heiligen Martin von Tours (316 –397). Von ihm hat die populäre<br />

Form des Gänsebratens ihren<br />

Namen. Der Sohn eines römischen<br />

Rittmeisters ist<br />

Schutzpatron unter anderem der<br />

Hirten, Wirte, Bettler, Haustiere<br />

<strong>und</strong> Gänse. Bis heute unvergessen<br />

ist das Mantel –W<strong>und</strong>er. An<br />

einem kalten <strong>Winter</strong>tag flehte ein<br />

halbbekleideter Bettler um ein<br />

Almosen. Da nahm er sein<br />

Schwert <strong>und</strong> teilte seinen weiten<br />

Offiziersmantel in der Mitte <strong>und</strong> gab ihm die Hälfe. Eine weite-<br />

re Legende berichtet, dass er sich in einem Gänsestall versteckt<br />

haben soll, als man ihn 371 zum Bischof von Tours wählen<br />

wollte. Aber die Gänse konnten den Schnabel nicht halten,<br />

schnatterten, was das Zeug hielt <strong>und</strong> haben ihn so verraten.<br />

Daraufhin hat er die Gänse geschlachtet <strong>und</strong> gebraten. Der<br />

Martinstag war in früheren Zeiten zugleich ein Zins – <strong>und</strong><br />

Abgabetermin. In der Naturalwirtschaft galt die Gans als ein<br />

beliebtes Zahlungsmittel. An diesem Tag wurde der Gänsebraten<br />

gegessen <strong>und</strong> der dazu gehörende neue „Märtnswein“ getrunken,<br />

um sich <strong>für</strong> die bevorstehende vierzigtägige Fastenzeit bis<br />

Weihnachten zu stärken.<br />

Die Füllung<br />

Wird die Gans unter kulinarischem Aspekt betrachtet, so findet<br />

sich eine Fülle von Rezepten, ausgehend vom Mittelalter bis in<br />

unsere Gegenwart. Auch stellt sich die Frage nach der Füllung.<br />

Die bekannteste Einlage stammt aus der alten ostjüdisch –polnischen<br />

Küche, bestehend aus Äpfeln, geschälten Kastanien <strong>und</strong><br />

Beifuß.<br />

Deutsche Köchin <strong>und</strong> französischer Koch<br />

Hilfe bietet auch Henriette Davids (1801 –1876), die berühmteste<br />

Kochbuchautorin Deutschlands. Ihr „Praktisches<br />

Kochbuch“ entwickelte sich zum Bestseller des späten 19. <strong>und</strong><br />

frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Das Buch gehörte zur Gr<strong>und</strong>ausstattung<br />

vieler deutscher Haushalte. Paul Bocuse ist ein französischer<br />

Koch, Gastronom <strong>und</strong><br />

Kochbuchautor, der bekannteste<br />

<strong>und</strong> einer der besten Köche des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Er meint, dass<br />

Weihnachten ein außergewöhnliches<br />

Fest sei, deshalb sollte es<br />

schon etwas Besonderes geben. Er<br />

macht Lust auf etwas Neues <strong>und</strong><br />

entführt seine Gans nach Asien.<br />

Das Rezept der Großmutter<br />

Soll es aber bodenständig sein, so greifen viele zurück auf das<br />

Rezept der lieben Großmutter. Ihre Bratregeln lauten: Gans<br />

waschen, trocken tupfen, innen <strong>und</strong> außen salzen, Füllung nach<br />

Belieben. Haut mit Holzstäbchen einstechen. Den Bratvogel<br />

zuerst mit der Brust nach unten auf die Saftpfanne legen. Häufig<br />

mit Bratensaft oder heißem Wasser übergießen. Bei circa 4 kg<br />

Gewicht 170 –200 Grad Celsius etwa 3 ½ St<strong>und</strong>en braten. Die<br />

Großmutter dachte immer daran, die Gans vor dem Tranchieren<br />

wenigstens zehn Minuten ausruhen zu lassen, damit der Saft sich<br />

verteilen kann <strong>und</strong> nicht herausläuft.<br />

...oder doch lieber ins Restaurant<br />

Wird in der Weihnachtszeit ein Restaurant aufgesucht, so haben<br />

die Gäste heute die Möglichkeit, eine Gans <strong>für</strong> vier Personen mit<br />

Beilagen <strong>und</strong> inklusiv einer Flasche Rotwein zu einem Festpreis zu<br />

ordern. Es ist doch auch amüsant, wenn ein beflissener Ober diesen<br />

edlen Bratvogel offeriert <strong>und</strong> die existenzielle Frage, die aus<br />

drei Worten besteht, an die Gäste richtet: „Brust oder Keule?“<br />

32 - <strong>WOLL</strong> <strong>Winter</strong> <strong>2016</strong>

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