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FILM<br />
PATRICE<br />
„Einfach das<br />
Ende der Welt“<br />
FOTOS: SHAYNE LAVERDIÈRE, SONS OF MANUAL<br />
Interview<br />
XAVIER DOLAN<br />
Selten dürfte ein Regisseur so jung eine<br />
so steile Entwicklung hingelegt haben<br />
wie Xavier Dolan. Nach einer erfolgreichen<br />
Karriere als Kinderdarsteller und<br />
Synchronsprecher (u. a. lieh er Ron<br />
Weasley in der québec-französischen<br />
Version der „Harry Potter“-Filme seine<br />
Stimme) inszenierte er als 19-Jähriger<br />
seinen ersten Film „Ich habe meine<br />
Mutter getötet“, der prompt beim Filmfestival<br />
in Cannes lief.<br />
Seither folgten mit „Herzensbrecher“,<br />
„Laurence Anyways“, „Sag nicht, wer du<br />
bist!“ und „Mommy“ vier weitere Filme,<br />
außerdem führte der offen schwule Kanadier<br />
beim sensationell erfolgreichen Video<br />
zu Adeles „Hello“ Regie. Jetzt kommt am<br />
29.12. mit „Einfach das Ende der Welt“<br />
Dolans sechster Spielfilm in die Kinos. Wir<br />
trafen den 27-Jährigen aus diesem Anlass<br />
zum Interview, bei dem die Stimmung<br />
angespannt war, denn: Zwar gewann der<br />
Film in Cannes den Großen Preis der Jury,<br />
doch die Kritiken fielen so (unverdient!)<br />
negativ aus wie nie.<br />
XAVIER, DIE KRITIKEN WAREN ZUR WELT-<br />
PREMIERE DEINES NEUEN FILMS „EIN-<br />
FACH DAS ENDE DER WELT“ TEILWEISE<br />
RECHT HARSCH. BEKOMMST DU SO<br />
ETWAS ÜBERHAUPT MIT?<br />
Was für eine Frage. Natürlich! Mir wurde<br />
zwar schon am Anfang meiner Karriere<br />
von ganz vielen Leuten dauernd gesagt:<br />
„Lies bloß nicht die Kritiken“, aber mich<br />
hat immer interessiert, was die Leute über<br />
meine Arbeit sagen. Ich finde es notwendig,<br />
ja sogar fast eine Pflicht, mich damit<br />
auseinanderzusetzen. Das kann durchaus<br />
hilfreich sein, denn manchmal finde ich in<br />
den Besprechungen meiner Filme Antworten<br />
auf Fragen, die ich selber hatte. Und<br />
wenn ich überall lese, dass zum Beispiel<br />
die Kritiker Weiß sehen, wo ich aber<br />
Schwarz im Sinn hatte, dann sollte mir das<br />
zu denken geben. Was ich in diesem Jahr<br />
in Cannes erlebt habe, war aber etwas<br />
anderes.<br />
NÄMLICH?<br />
In den sieben Jahren, die ich schon zu<br />
diesem Festival komme, haben sich der<br />
Tonfall und die Atmosphäre verändert.<br />
Plötzlich liegen Angst und Hass und Verachtung<br />
in der Luft und zwischen den Zeilen.<br />
Social Media haben vieles verändert,<br />
plötzlich ist ein eiliger Tweet wichtiger als<br />
eine lange, durchdachte Kritik. Natürlich<br />
gehört es immer zu Festival, dass Filme<br />
das Publikum spalten. Man wird von manchen<br />
gefeiert und von anderen abgelehnt.<br />
Aber mir gefällt nicht, wie sich da gerade<br />
die Grenzen verschieben.<br />
ABER KANN MAN SOLCHE TEXTE UND<br />
TWEETS NICHT EINFACH IGNORIEREN?<br />
GESCHMÄCKER SIND NUN EINMAL<br />
VERSCHIEDEN ...<br />
Ich weiß aber einfach nicht, wie ich<br />
Kritiken nicht persönlich nehmen soll. Wer<br />
meine Filme nicht mag, der mag mich<br />
nicht. Es steckt so viel von mir und meiner<br />
Persönlichkeit in meiner Arbeit, das lässt<br />
sich nicht trennen. Das da auf der Leinwand<br />
– das ist ein Teil von mir.<br />
DANN MUSST DU DIR VIELLEICHT EIN-<br />
FACH SAGEN, DASS GEWISSE LEUTE DEN<br />
FILM NICHT VERSTANDEN HABEN.<br />
Bislang habe ich mich immer geweigert,<br />
Unverständnis als Ausrede zu nehmen.<br />
Ich fand, dass das eine Beleidigung ist,<br />
denn damit unterstelle ich den Kritikern,