RKK Mitarbeitermagazin Quartett Ausgabe 52

Aktuell erfahren Sie hier Berichte in und um das RKK Klinikum in Freiburg. Speziell für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Krankenhäuser, aber auch für alles Patientinnen und Patienten sowie für alle Interessierte. Aktuell erfahren Sie hier Berichte in und um das RKK Klinikum in Freiburg. Speziell für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Krankenhäuser, aber auch für alles Patientinnen und Patienten sowie für alle Interessierte.

johannesklatt1957
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17.12.2016 Aufrufe

Diese Veränderungen können individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, da Multimorbidität und Lebensweise eine noch größere Bedeutung als dem chronologischen Alter zukommt. Unter dem Geriatrischen Syndrom versteht man den altersbedingten Abbau von vorwiegend physischen, aber auch kognitiven Fähigkeiten. Dabei sind die sechs klassischen „I‘s“: Instabilität, Immobilität, Inkontinenz, Isolation, iatrogene Störung durch ärztliche Verschreibung mehrerer Arzneimittel und intellektueller Abbau von zentraler Bedeutung und werden ergänzt durch die Symptome Inappetenz (fehlender Appetit), Insomnie (Schlafarmut bis Schlaflosigkeit) , u.a. Für die Arzneimitteltherapie im Alter existieren mehrere internationale Listen und Empfehlungen, v.a. die „Beers“-Liste, START/STOPP-Kriterien, FORTA(„Fit for the aged“)-Liste sowie die PRISCUS (lat. altehrwürdig; „Prerequisites for a new health care model for elderly people with multi-morbidity“)-Liste. Die Folgen von Arzneimittel-Nebenwirkungen auf die körperliche Verfassung sei an einigen Beispielen schematisch skizziert (siehe Tabelle): Um dieser Situation richtig zu begegnen, ist unter anderem die vollständige Erfassung der Medikation einschließlich der Selbstmedikation und der potentiell aufgetretenen Nebenwirkungen notwendig. Hier trägt der Arzt und Apotheker eine besondere Verantwortung. Bei eingeschränkter Nierenfunktion sollten überwiegend über die Niere (renal) ausgeschiedene Arzneisto≠e gegen zumindest teilweise gegen nicht renal eliminierte Arzneisto≠e ausgetauscht werden. Wenn dies nicht möglich ist, so muss die Dosis an die individuelle Nierenfunktion des Patienten angepasst werden, wobei die Dosis reduziert und/oder das Einnahmeintervall verlängert werden kann. Bei chronischer Lebererkrankung muss häufig die Dosis angepasst werden. Für eine Therapieumstellung steht in den meisten Fällen eine adäquate Alternative zur Verfügung. Es gelten folgende Leitsätze geriatrischer Pharmakotherapie: Strenge Indikationsstellung Vollständige Medikamentenanamnese Kenntnis der Pharmakologie Niedrige Anfangsdosis, langsame Dosisanpassung („start low – go slow“) Multimedikation vermeiden Auslass- und Absetzversuche Monitoring auf unerwünschte Wirkungen und Wechselwirkungen Compliance durch angepasste Information und Hilfsmittel fördern und kontrollieren Unter Compliance versteht man das Befolgen ärztlicher Ratschläge, insbesondere bei chronischen Erkrankungen. Maßnahmen zur Complianceförderung sind gerade bei älteren Patienten von großer Bedeutung. Nicht weil, wie allgemein angenommen, die Compliance im Alter per se schlechter ist als in jüngeren Jahren, sondern weil sich mit zunehmendem Alter neue spezielle Probleme ergeben, die die ordnungsgemäße Einnahme der Arzneimittel behindern. Arzneimittel-Nebenwirkung Symptom Folge Mundtrockenheit Sprachprobleme, Appetit Depression, Mangelernährung Mydriasis Sehstörungen, Schwindel Stürze Vermindertes Schwitzen Temperatur Hyperthermie Schläfrigkeit Teilnahmslosigkeit Bewusstlosigkeit Die ganzheitliche Einschätzung des Patienten spielt gerade für die Arzneimittelversorgung eine entscheidende Rolle. Die Gesundheit alter Menschen befindet sich oft in einem labilen Gleichgewicht, das leicht störanfällig ist. 40 Quartett Nr. 52 | Dezember 2016

Das RKK Mitarbeitermagazin Eine Untersuchung von 1993 an 120 älteren Patienten ergab folgende Probleme beim Umgang mit Arzneimittelverpackungen: Behältnis/Funktion Unfähig zu ö≠nen (absolut) Schraubverschluss 10 8,3 Klappdeckel 17 14,2 Blisterverpackung 25 20,8 „Dosett“ 29 24,2 Folienverpackung 36 30,0 Kindersicherer 68 56,6 Verschluss Tablettenteilen 87 72,5 Unfähig zu ö≠nen (in %) Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Compliance zu fördern. Bei Patienten mit Sehschwäche ist ein übersichtlicher und gut leserlicher Einnahmeplan möglichst im DIN A4-Format hilfreich, mit dem Patienten schnell über Einnahmezeitpunkt, Art der Einnahme und Dosis des jeweiligen Arzneimittels informiert werden. Es gibt etliche Dosierungshilfen, die älteren Menschen die Arzneimittelanwendung erleichtern. Nicht selten kommt es vor, dass Patienten mit versteiften Fingergelenken Probleme haben, Tabletten aus den Blisterpackungen herauszudrücken, kleine Tabletten zu teilen oder Augentropfen richtig zu applizieren. Es können kindersichere gegen normale Verschlüsse getauscht werden nach Klärung der Sicherheitsfrage oder Skalenlupen für Insulinpens ausgegeben werden. Eine wichtige und belegte Funktion innerhalb der Geriatrie besteht darin, die Anzahl der Arzneimittel möglichst niedrig zu halten, besonders dann, wenn sie ein gewichtiges Potential an unerwünschten Wirkungen und Interaktionen aufweisen. Der Arzt und der Apotheker müssen fähig sein, „die Arzneimitteltherapie zu beurteilen und zu entscheiden, ob sie anzufangen, aufrechtzuerhalten, zu beenden oder zu vermeiden sei“ (American Association of Colleges of Pharmacy 2007). Dies führt zur Einhaltung der Grundregeln der Medikation und zu einer Qualitätsverbesserung der Therapie. R a l f G r ü n i n g e r C h e f a p o t h e k e r 41

Das <strong>RKK</strong> <strong>Mitarbeitermagazin</strong><br />

Eine Untersuchung von 1993 an 120<br />

älteren Patienten ergab folgende Probleme<br />

beim Umgang mit Arzneimittelverpackungen:<br />

Behältnis/Funktion<br />

Unfähig zu ö≠nen<br />

(absolut)<br />

Schraubverschluss 10 8,3<br />

Klappdeckel 17 14,2<br />

Blisterverpackung 25 20,8<br />

„Dosett“ 29 24,2<br />

Folienverpackung 36 30,0<br />

Kindersicherer<br />

68 56,6<br />

Verschluss<br />

Tablettenteilen 87 72,5<br />

Unfähig zu ö≠nen<br />

(in %)<br />

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die<br />

Compliance zu fördern.<br />

Bei Patienten mit Sehschwäche ist<br />

ein übersichtlicher und gut leserlicher<br />

Einnahmeplan möglichst im<br />

DIN A4-Format hilfreich, mit dem<br />

Patienten schnell über Einnahmezeitpunkt,<br />

Art der Einnahme und<br />

Dosis des jeweiligen Arzneimittels<br />

informiert werden. Es gibt etliche<br />

Dosierungshilfen, die älteren Menschen<br />

die Arzneimittelanwendung<br />

erleichtern. Nicht selten kommt es<br />

vor, dass Patienten mit versteiften<br />

Fingergelenken Probleme haben, Tabletten<br />

aus den Blisterpackungen<br />

herauszudrücken, kleine Tabletten<br />

zu teilen oder Augentropfen richtig<br />

zu applizieren. Es können kindersichere<br />

gegen normale Verschlüsse<br />

getauscht werden nach Klärung der<br />

Sicherheitsfrage oder Skalenlupen<br />

für Insulinpens ausgegeben werden.<br />

Eine wichtige und belegte Funktion<br />

innerhalb der Geriatrie besteht darin,<br />

die Anzahl der Arzneimittel möglichst<br />

niedrig zu halten, besonders<br />

dann, wenn sie ein gewichtiges Potential<br />

an unerwünschten Wirkungen<br />

und Interaktionen aufweisen.<br />

Der Arzt und der Apotheker müssen<br />

fähig sein, „die Arzneimitteltherapie<br />

zu beurteilen und zu entscheiden, ob<br />

sie anzufangen, aufrechtzuerhalten,<br />

zu beenden oder zu vermeiden sei“<br />

(American Association of Colleges of<br />

Pharmacy 2007).<br />

Dies führt zur Einhaltung der Grundregeln<br />

der Medikation und zu einer<br />

Qualitätsverbesserung der Therapie.<br />

R a l f G r ü n i n g e r<br />

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