Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer ...
Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer ... Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer ...
Tamás Goreczky: Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer Minister im Dienste der Österreichisch–Ungarischen Monarchie Die Budapester Blätter wandten keine besondere Aufmerksamkeit seiner Person und Beerdigung zu, woran im Wiener zentralen Friedhof die Reihe kam. Eine der zeitgenössischen Pester Zeitungen, die bürgerlich‐radikale Világ fasste seinen Nekrolog so zusammen: „Burián erwarb den Grafentitel, die größten Auszeichnungen, aber dadurch wurde seine Persönlichkeit nicht größer. Für die versäumten Gelegenheiten und Möglichkeiten lastet die Verantwortung nicht auf ihm, sonder auf diejenigen, die in den kritischen Zeiten sogar zweimal einen so gewissenhaften und grauen Bürokrat mit dem wichtigsten politischen Posten der Monarchie vertrauten”. 127 Stefan Burián war zweifellos ausdauernd, hatte große Leistungsfähigkeit, war ein klar denkender Beamter und Diplomat, mit Beobachtungs‐ und Analytikergabe. In seine Botschaftsberichte analysierte und bewertete er die Geschehnisse immer mit großer Genauigkeit, die Zusammenhänge sah er klar, seine Folgerungen waren auch zutreffend. Als er aber das Schicksal des Reiches grundlegend einfließende, wichtige Entscheidungspositionen erreichte, zunächst als Gemeinsamer Finanz‐ dann gemeinsamer Außenminister waren diese Fähigkeiten aber nicht mehr genügend. Auf diesem hohen Beschlussniveau wurden schon originelle Ideen, oft Intuition, schnelle Reaktionen und spontane Entscheidungen gebraucht, aber all dies waren nicht Burián Stärke. Diese Kritik ist gerecht, aber mindestens so zutreffend, wie für seinen amtlichen Vorgänger, Leopold Berchtold und wie für seinen Nachfolger, Ottokar Czernin. Besonders seine gemeinsame außenministeriale Tätigkeit wird oft von der Geschichtsschreibung kritisiert, dass Burián die Außenpolitik der Monarchie der Vorstellungen des Generalstabs unterordnete, er ließe sich von den Geschehnissen treiben und hoffte auf die Rettung der Monarchie alleine vom günstigen Verlauf des Kriegsglücks. Das trifft grundsätzlich zu, aber es sollte nicht vergessen werden, dass sich der Spielraum der Außenpolitik in Kriegszeiten bedeutend einengt, und die Soldaten das entscheidende Wort haben. 127 Burián István meghalt. Világ, 21. Oktober 1922. 2. 364
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Tamás Goreczky: <strong>Graf</strong> <strong>István</strong> <strong>Burián</strong>, <strong>ein</strong> <strong>ungarischer</strong> <strong>Diplomat</strong> <strong>und</strong> gem<strong>ein</strong>samer Minister im Dienste der<br />
Österreichisch–Ungarischen Monarchie<br />
Die Budapester Blätter wandten k<strong>ein</strong>e besondere Aufmerksamkeit s<strong>ein</strong>er<br />
Person <strong>und</strong> Beerdigung zu, woran im Wiener zentralen Friedhof die Reihe kam.<br />
Eine der zeitgenössischen Pester Zeitungen, die bürgerlich‐radikale Világ fasste<br />
s<strong>ein</strong>en Nekrolog so zusammen: „<strong>Burián</strong> erwarb den <strong>Graf</strong>entitel, die größten<br />
Auszeichnungen, aber dadurch wurde s<strong>ein</strong>e Persönlichkeit nicht größer. Für die<br />
versäumten Gelegenheiten <strong>und</strong> Möglichkeiten lastet die Verantwortung nicht auf<br />
ihm, sonder auf diejenigen, die in den kritischen Zeiten sogar zweimal <strong>ein</strong>en so<br />
gewissenhaften <strong>und</strong> grauen Bürokrat mit dem wichtigsten politischen Posten der<br />
Monarchie vertrauten”. 127<br />
Stefan <strong>Burián</strong> war zweifellos ausdauernd, hatte große Leistungsfähigkeit, war<br />
<strong>ein</strong> klar denkender Beamter <strong>und</strong> <strong>Diplomat</strong>, mit Beobachtungs‐ <strong>und</strong> Analytikergabe.<br />
In s<strong>ein</strong>e Botschaftsberichte analysierte <strong>und</strong> bewertete er die Geschehnisse immer<br />
mit großer Genauigkeit, die Zusammenhänge sah er klar, s<strong>ein</strong>e Folgerungen waren<br />
auch zutreffend. Als er aber das Schicksal des Reiches gr<strong>und</strong>legend <strong>ein</strong>fließende,<br />
wichtige Entscheidungspositionen erreichte, zunächst als Gem<strong>ein</strong>samer Finanz‐<br />
dann gem<strong>ein</strong>samer Außenminister waren diese Fähigkeiten aber nicht mehr<br />
genügend. Auf diesem hohen Beschlussniveau wurden schon originelle Ideen, oft<br />
Intuition, schnelle Reaktionen <strong>und</strong> spontane Entscheidungen gebraucht, aber all<br />
dies waren nicht <strong>Burián</strong> Stärke. Diese Kritik ist gerecht, aber mindestens so<br />
zutreffend, wie für s<strong>ein</strong>en amtlichen Vorgänger, Leopold Berchtold <strong>und</strong> wie für<br />
s<strong>ein</strong>en Nachfolger, Ottokar Czernin. Besonders s<strong>ein</strong>e gem<strong>ein</strong>same<br />
außenministeriale Tätigkeit wird oft von der Geschichtsschreibung kritisiert, dass<br />
<strong>Burián</strong> die Außenpolitik der Monarchie der Vorstellungen des Generalstabs<br />
unterordnete, er ließe sich von den Geschehnissen treiben <strong>und</strong> hoffte auf die<br />
Rettung der Monarchie all<strong>ein</strong>e vom günstigen Verlauf des Kriegsglücks. Das trifft<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich zu, aber es sollte nicht vergessen werden, dass sich der Spielraum<br />
der Außenpolitik in Kriegszeiten bedeutend <strong>ein</strong>engt, <strong>und</strong> die Soldaten das<br />
entscheidende Wort haben.<br />
127 <strong>Burián</strong> <strong>István</strong> meghalt. Világ, 21. Oktober 1922. 2.<br />
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