Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer ...

Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer ... Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer ...

tortenelemszak.elte.hu
von tortenelemszak.elte.hu Mehr von diesem Publisher
09.12.2012 Aufrufe

Tamás Goreczky: Graf István Burián, ein ungarischer Diplomat und gemeinsamer Minister im Dienste der Österreichisch–Ungarischen Monarchie Außenpolitik einwirkte, wie er. Und wiefern es sich „Aussicht auf etwas einbringliche Intervention” in diesem Amt versteckt, das illustriert die Krise im Juli 1914, als er nach dem Attentat von Sarajevo vom Herrscher beauftragt wurde, den ungarischen Ministerpräsidenten zur Aufgabe seines kriegsgegnerischen Standpunktes zu überreden. Obwohl er selbst im Grunde genommen auch kein Anhänger der kriegerischen Lösung war, nahm doch den Auftrag an, und mit seiner Tätigkeit trug er dazu bei, dass Stefan Tisza am Ende in das für Serbien stellende Ultimatum einwilligte. 92 Damit zusammen sollte er noch anderthalb Jahren darauf warten, bis er als Gemeinsamer Minister im Dienste der Monarchie zurückkehren konnte. Daran kam am 13. Januar 1913 die Reihe, als er vom Herrscher zum Nachfolger des Außenministers Leopold Berchtold ernannt wurde. Österreich‐Ungarn stand zu dieser Zeit schon seit sechs Monaten mit dem in doppelter Übermacht seienden Feinde im Kampf und verteidigte bei außerordentlich blutigem Kampf die Karpatenpässe von den sich erneuernden russischen Angriffen. In der sich verschlimmernden Lage fühlte sich Berchtold immer weniger für die Aufgabe geeignet und sah so, dass die Situation einen nervenstarken Mann verlangt, um „mit einer Art Leichtherzigkeit, eine solche Situation durchzuhalten” 93 Berchtold weihte Burián seit einiger Zeit schon vor seinem Abgang in allen Fragen ein, der als Minister um die Person Seiner Majestät regelmäßig an den Sitzungen des gemeinsamen Ministerrats teilnahm, bat um ständige Orientierung über die im Ministerium gehenden Angelegenheiten, vertrat entschieden den ungarischen Standpunkt und führte seine Meinung von den aktuellen Fragen der Außenpolitik aus. Nach der Meinung Berchtolds war Burián im Besitz voller Selbstvertrauen, was die Amtsführung in den Kriegszeiten überhaupt nicht entbehren kann. Neben den persönlichen Faktoren spielte bei der Absage Berchtolds das auch mit, dass sich der Außenminister immer mehr dazu neigte, dass er dem deutschen Druck nachgebend Trentino den Italienern übergibt, was aber für Franz Joseph unannehmbar war: Er verzichtet eher auf den Thron, als er eine einzige Provinz ohne Kampf aufgibt. 94 Burián war auch gegen alle territorialen Zugeständnisse für den ehemaligen Alliierten, da er genau wusste, dass sich die Italiener damit nicht begnügen würden: Wenn die Monarchie die Übergabe der Provinz akzeptieren würde, dann würden sie noch mehr fordern. Das war das brennendste Problem, worauf Burián als gemeinsamer Außenminister eine Lösung zu finden hatte. Wie schon sein Vorgänger, so hatte er auch keine leichte Arbeit. Die Deutschen forderten Zugeständnisse für das noch neutrale Italien und Rumänien. Nach der Meinung des Graf Anton Monts, dem deutschen Gesandten in Rom, fingen die Deutschen an dem Krieg müde zu werden, und wollten gerne diese zwei Länder mit österreichisch‐ungarischen Gebieten vom Krieg entfernt halten, sonst können sie – 92 RESS: 94. 93 Schickssalsjahre Österreichs, 1908–1918. Das politische Tagebuch Joseph Redlichs. Bd. II. Bearbeitet von Fritz Fellner. Graz‐Köln, 1985. 19. 94 Ebd. 20. 356

ÖT KONTINENS, az Új‐ és Jelenkori Egyetemes Történeti Tanszék közleményei, N o 2010, ELTE, BUDAPEST, 2011. mindestens war Monts dieser Meinung – den Krieg nicht gewinnen. 95 Italien war aber nicht bereit seine Gebietsforderungen zu konkretisieren, und als der deutsche Gesandte in Rom so dachte, dass sie eventuell mit Südtirol zufrieden werden, aber darin hat er sich gewaltig geirrt. Baron Sidney Sonnino, der italienische Außenminister war der Ansicht, dass „solange Österreich‐Ungarn nicht die Verhandlungsbasis von Gebietsabtretungen annehme, er nichts präzisieren noch ausschließen wolle, weder Trentino, noch Triest, Istrien oder anderes”. 96 Diese Forderungen kamen einer Erpressung gleich, besonders mit Rücksicht darauf, dass die Monarchie für ihren bloßen Fortbestand im Krieg kämpfte und in solcher Form waren sie für keinen Politiker der Monarchie akzeptabel. Das Habsburgerreich befand sich im Laufe seiner Geschichte wieder in der peinlichen Situation, dass es zwischen zwei Schlechten wählen sollte. Wenn das Reich die Forderungen des ehemaligen Alliierten ablehnt, kann es zum Krieg führen, wenn es aber sie annimmt, das Opfer kann sich für überflüssig erweisen, dazu die folgenschweren Konsequenzen, die zum Beispiel in Bezug auf Siebenbürgen einen Präzedenzfall schaffen können. 97 Schon nach dem Tag Buriáns Amtsantritt, am 16. Januar 1915 kam eine Delegation vom Hauptquartier in Wien an, mit der Absicht, dass sie den neuen Außenminister von der Notwendigkeit der Gebietsnachlässe überzeugen, aber ihre Anstrengungen blieben erfolglos. Burián dachte, dass solche Zugeständnisse „keinen Vorteil, hingegen schwere Nachteile” haben. 98 Mittlerweile setzte Italien die Kriegsvorbereitungen im Eiltempo fort, und am 27. Februar 1915 sandte es ein Verzeichnis nach Wien, in dem Italien anhand des letzten Vertrages von 1912 „absolutes Veto” gegen alle weiteren Aktionen in Serbien einlegte. 99 Die italienische Regierung gründete seinen Standpunkt auf den 7. Vertragsartikel, in dem im Falle der Veränderung des balkanischen Status quo für Italien Zugeständnisse in Aussicht gestellt wurden. Danach war es nur eine Frage der Zeit, wann der Krieg mit Italien ausbricht. 100 Burián hatte mehrmals die Gelegenheit mit den Deutschen Meinungen in der italienischen Frage auszutauschen, aber wegen seiner festen Überzeugung, dass mit der Übergabe Südtirols nichts erreicht werden kann, machten ihm die Deutschen immer die bittersten Vorwürfe. Am 7. Mai 1915 besuchte er den Kanzler Bethmann‐Hollweg in Teschen, dann am 25. Mai im in Pleß ausgerüsteten Hauptquartier, während er am 25. Juni seinen deutschen Partner in Wien bewirtete. Die Meinungen der zwei Politiker waren aber in der Frage der Gebietsübergabe wesentlich abweichend. Obwohl Burián in seinen Memoiren schrieb, dass diese Treffen „in vollem Einklang unserer Grundanschauungen” verliefen, und es sich nur in Teilfragen kleinere Meinungsverschiedenheiten 95 Ebd. 8. 96 BURIÁN, Graf Stephan: 26. 97 Ebd. 98 Ebd. 27. 99 Schickssalsjahre Österreichs, 1908–1918. Das politische Tagebuch Joseph Redlichs. Bd. II. 20. 100 SZABÓ: 223. 357

Tamás Goreczky: <strong>Graf</strong> <strong>István</strong> <strong>Burián</strong>, <strong>ein</strong> <strong>ungarischer</strong> <strong>Diplomat</strong> <strong>und</strong> gem<strong>ein</strong>samer Minister im Dienste der<br />

Österreichisch–Ungarischen Monarchie<br />

Außenpolitik <strong>ein</strong>wirkte, wie er. Und wiefern es sich „Aussicht auf etwas<br />

<strong>ein</strong>bringliche Intervention” in diesem Amt versteckt, das illustriert die Krise im Juli<br />

1914, als er nach dem Attentat von Sarajevo vom Herrscher beauftragt wurde, den<br />

ungarischen Ministerpräsidenten zur Aufgabe s<strong>ein</strong>es kriegsgegnerischen<br />

Standpunktes zu überreden. Obwohl er selbst im Gr<strong>und</strong>e genommen auch k<strong>ein</strong><br />

Anhänger der kriegerischen Lösung war, nahm doch den Auftrag an, <strong>und</strong> mit s<strong>ein</strong>er<br />

Tätigkeit trug er dazu bei, dass Stefan Tisza am Ende in das für Serbien stellende<br />

Ultimatum <strong>ein</strong>willigte. 92<br />

Damit zusammen sollte er noch anderthalb Jahren darauf warten, bis er als<br />

Gem<strong>ein</strong>samer Minister im Dienste der Monarchie zurückkehren konnte. Daran<br />

kam am 13. Januar 1913 die Reihe, als er vom Herrscher zum Nachfolger des<br />

Außenministers Leopold Berchtold ernannt wurde. Österreich‐Ungarn stand zu<br />

dieser Zeit schon seit sechs Monaten mit dem in doppelter Übermacht seienden<br />

F<strong>ein</strong>de im Kampf <strong>und</strong> verteidigte bei außerordentlich blutigem Kampf die<br />

Karpatenpässe von den sich erneuernden russischen Angriffen. In der sich<br />

verschlimmernden Lage fühlte sich Berchtold immer weniger für die Aufgabe<br />

geeignet <strong>und</strong> sah so, dass die Situation <strong>ein</strong>en nervenstarken Mann verlangt, um<br />

„mit <strong>ein</strong>er Art Leichtherzigkeit, <strong>ein</strong>e solche Situation durchzuhalten” 93 Berchtold<br />

weihte <strong>Burián</strong> seit <strong>ein</strong>iger Zeit schon vor s<strong>ein</strong>em Abgang in allen Fragen <strong>ein</strong>, der als<br />

Minister um die Person S<strong>ein</strong>er Majestät regelmäßig an den Sitzungen des<br />

gem<strong>ein</strong>samen Ministerrats teilnahm, bat um ständige Orientierung über die im<br />

Ministerium gehenden Angelegenheiten, vertrat entschieden den ungarischen<br />

Standpunkt <strong>und</strong> führte s<strong>ein</strong>e M<strong>ein</strong>ung von den aktuellen Fragen der Außenpolitik<br />

aus. Nach der M<strong>ein</strong>ung Berchtolds war <strong>Burián</strong> im Besitz voller Selbstvertrauen, was<br />

die Amtsführung in den Kriegszeiten überhaupt nicht entbehren kann. Neben den<br />

persönlichen Faktoren spielte bei der Absage Berchtolds das auch mit, dass sich<br />

der Außenminister immer mehr dazu neigte, dass er dem deutschen Druck<br />

nachgebend Trentino den Italienern übergibt, was aber für Franz Joseph<br />

unannehmbar war: Er verzichtet eher auf den Thron, als er <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>zige Provinz<br />

ohne Kampf aufgibt. 94<br />

<strong>Burián</strong> war auch gegen alle territorialen Zugeständnisse für den ehemaligen<br />

Alliierten, da er genau wusste, dass sich die Italiener damit nicht begnügen<br />

würden: Wenn die Monarchie die Übergabe der Provinz akzeptieren würde, dann<br />

würden sie noch mehr fordern. Das war das brennendste Problem, worauf <strong>Burián</strong><br />

als gem<strong>ein</strong>samer Außenminister <strong>ein</strong>e Lösung zu finden hatte. Wie schon s<strong>ein</strong><br />

Vorgänger, so hatte er auch k<strong>ein</strong>e leichte Arbeit. Die Deutschen forderten<br />

Zugeständnisse für das noch neutrale Italien <strong>und</strong> Rumänien. Nach der M<strong>ein</strong>ung<br />

des <strong>Graf</strong> Anton Monts, dem deutschen Gesandten in Rom, fingen die Deutschen<br />

an dem Krieg müde zu werden, <strong>und</strong> wollten gerne diese zwei Länder mit<br />

österreichisch‐ungarischen Gebieten vom Krieg entfernt halten, sonst können sie –<br />

92<br />

RESS: 94.<br />

93<br />

Schickssalsjahre Österreichs, 1908–1918. Das politische Tagebuch Joseph Redlichs. Bd. II.<br />

Bearbeitet von Fritz Fellner. Graz‐Köln, 1985. 19.<br />

94<br />

Ebd. 20.<br />

356

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!