Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Seifensieder, Dichter und Stadtchronist<br />
Wie schon Michael Lehmann wurde auch Egler nachgesagt, mit sei-<br />
nen Talenten gewuchert zu haben. Ludwig Egler (24.8.1828 -<br />
2.8.1898) war und ist in der Bevölkerung im Raum Hechingen<br />
hoch angesehen, was vor allem auf seine Verdienste als erster <strong>Heimat</strong>forscher<br />
und Volkskundler zurück zu führen ist. Egler war gelernter<br />
Seifensieder wider Willen. Er übernahm den väterlichen<br />
Handwerkbetriebs 1854 und hatte darüber hinaus stets zusätzliche<br />
Einnahmequellen, etwa als Waschmittelverkäufer, Versicherungsund<br />
Auswanderungsagent sowie später als Zeitungsredakteur. Ludwig<br />
Egler ist der Historiograph der Stadt Hechingen und war Dichter,<br />
Schriftsteller, Kommunalpolitiker, Märchen- und Sagensammler<br />
sowie Geschichtsforscher. Er war Mitglied im Verwaltungsrat<br />
der höheren Töchterschule und der Frauenarbeitsschule sowie im<br />
Kuratorium der königlichen Realschule, um nur einige zu nennen.<br />
Zudem war Egler Mitglied und zum Teil Vorstandsmitglied vieler<br />
Vereine, etwa dem Landwirtschaftlichen Verein, dem Gewerbeverein,<br />
dem Abendverein und dem Verschönerungsverein. Er war im<br />
<strong>Hohenzollerische</strong>n Altertums- und <strong>Geschichtsverein</strong> ebenso wie im<br />
Musikverein über Jahrzehnte Mitglied oder im Vorstand tätig.<br />
Freunde ...<br />
Dass sich Ludwig Egler und Michael Lehmann in der rund 2500<br />
Einwohnern zählenden Kleinstadt Hechingen kennen lernen mussten,<br />
hegt auf der Hand. Beide wurden als Gesellschafter beschrieben<br />
und waren Autodidakten mit gleichen Interessensgebieten,<br />
wie Geschichte, Geographie, Literatur und auch Musik (Ludwig<br />
Egler hatte im sogenannten „Orpheischen Hechingen" als begeisterter<br />
Sänger an Oratorienaufführungen teilgenommen). Im Sommer<br />
1851 hatte Egler seine Wanderjahre beendet und kam endgültig<br />
in seine <strong>Heimat</strong>stadt zurück. Der junge Lehrer Michael Lehmann<br />
kam im November 1853 an die Hechinger Stadtschule und<br />
konnte bereits auf Erfahrungen als Redaktionsleiter (Magazin für<br />
Pädagogik) und Verfasser von Aufsätzen zurückweisen. Sein Debüt<br />
als Schriftsteller datiert mit „Ein Vielgeprüfter" auf das Jahr 1854.<br />
Als Egler 1857 sein Erstlingswerk veröffentlichte, war Lehmann mit<br />
acht Büchern, teils in zweiter Auflage, schon ein recht erfolgreicher<br />
Autor. Es ist vorstellbar, das der um ein Jahr ältere Lehmann<br />
der Freund Eglers war und sich beide gegenseitig ergänzten.<br />
Ein weiterer Hinweis auf ein zumindest freundschaftliches Verhältnis<br />
ist die Tatsache, dass beide lange Jahre und zu gleicher Zeit die<br />
Geschicke des Musikvereins in leitender Funktion beeinflusst haben.<br />
Michael Lehmann wurde bereits 1853 Beigeordneter, bis er<br />
1855 zur Schriftführerfunktion wechselte und dann 1856 die musikalische<br />
Leitung übernahm. In einer Zeit, als der Musikverein<br />
„den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in der Stadt Hechingen"<br />
darstellte, wie die Hohenzolleraschen Blätter 1911 angeben.<br />
Er blieb bis 1874 Dirigent. Ludwig Egler war von 1855 bis<br />
1856 zunächst Beigeordneter, dann von 1856 bis 1859 und von<br />
1862 bis 1870 Schriftführer, 1860 und 1872 noch mal Beigeordneter<br />
im Vorstand und schlussendlich von 1873 bis 1883 Vereinsvorsteher.<br />
Vorgänger von Lehmann als Dirigent des Musikvereins<br />
waren für jeweils einige Jahre Ruff, Wichtl jun., Seifriz/Klotz, Täglichsbeck<br />
und Wichtl. Mit Max Seifriz war Egler in jungen Jahren<br />
befreundet. Seifriz arbeitete nach der Märzrevolution mit Richard<br />
Wagner in dessen Züricher Exil zusammen und wurde von ihm beeinflusst.<br />
Das hatte später Auswirkungen auf das Orchesters des<br />
abgedankten Fürsten Friedrich Wilhelm Constantin von Hohenzollern-Hechingen<br />
im schlesischen Löwenberg. Seifriz hatte sich nämlich<br />
zum Avantgardisten gewandelt und wurde Nachfolger von Tho-<br />
25<br />
mas Täglichsbeck als Kapellmeister in Löwenberg. Wenige Jahre<br />
später erwarb sich das Orchester den Ruf, das beste in ganz<br />
Deutschland zu sein, und Löwenberg wurde zum Zentrum der sogenannten<br />
„Neudeutschen Schule".<br />
August Evelt, Reproduktion Willy Beyer<br />
Einige Jahre nach dem Weggang der Hechinger Hofkapelle nach<br />
Löwenberg wurde in Hechingen der Musikverein mit den noch vorhandenen<br />
Musikkräften neuorganisiert. Etwa zur gleichen Zeit, als<br />
Seifriz Kapellmeister in Löwenberg wurde, übernahm Michael Lehmann<br />
die Leitung des Musikvereins, den er in den folgenden Jahren<br />
- auf Hechingen bezogen - ebenfalls in eine glanzvolle Epoche<br />
führte. 18 Jahre lang war er Dirigent (Männerchor, gemischter<br />
Chor und Orchester) und damit auch bis 1873 dem Sänger Ludwig<br />
Egler vorgesetzt, der dann, als Vereinsvorsitzender zum Chef von<br />
Michael Lehmann wurde. Die Polemik zwischen den beiden hohenzollerischen<br />
Zeitungen lief zu diesem Zeitpunkt bereits an und<br />
hatte 1874 ihren Höhepunkt. So ist nachvollziehbar, warum Lehmann<br />
1874 als Dirigent des Musikvereins ausschied und es zum<br />
endgültigen Bruch mit Egler kam. Ob ein vereinsinternes Zerwürfnis<br />
eine Rolle spielte ist unklar. Anzumerken ist jedoch, das auch<br />
Lehmanns größter politischer Gegner einst Mitglied im Musikverein<br />
war: August Evelt, ein Jahr jünger als Lehmann, und von 1864<br />
bis 1866 ebenfalls im Vorstand. Er war wohl in 1874 aktives Mitglied,<br />
als er bereits liberaler Abgeordneter im preußischen Landtag<br />
und Reichstag, Direktor des Kreisgerichts Hechingen und nebenbei<br />
freier Mitarbeiter der Hohenzollernschen Blätter war. Und<br />
gerade in diesem Jahr, der heißen Phase des Kulturkampfs, ergingen<br />
etliche Verurteilungen gegen Michael Lehmann, auch zu Gefängnisstrafen.<br />
Somit war der Dirigent des Musikvereins 1874 ein<br />
Vorbestrafter.<br />
Für die einstigen Freunde, die ihre letzte Ruhestätte auf dem Hechinger<br />
Heiligkreuzfriedhof fanden, soll im Frühling 2006 Ludwig<br />
Eglers Gedicht als später Gruß verstanden werden: