Sachwert Magazin Ausgabe 49

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29.11.2016 Aufrufe

Politik CETA ist da. Was uns nun unter dem neuen kanadisch-europäischen Handelsabkommen erwartet. Von Martina Schäfer Nachdem nun auch die Belgier am 28. Oktober 2016 zugestimmt haben, steht nun die Vorlage vor dem EU-Parlament an. Stimmt dieses zu, können vorläufig große Teile des Vertrags angewandt werden, bis alle 28 nationalen und 14 regionalen Parlamente CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ratifiziert haben und es voll in Kraft tritt. Zu diesen vorläufig anwendbaren Teilen gehören alle Bereiche, die im alleinigen Zuständigkeitsbereich der EU liegen. TTIP ade, scheiden tut gar nicht weh... schließlich steht CETA ja schon in den Startlöchern und Gegner befürchten, es könnte den zähen TTIP-Verhandlungen neuen Schwung geben. Diese Sorge konnte Handelskommissarin Cecilia Malström mit den Worten „Wir brauchen mehr Zeit“, vorläufig entkräften. Trotzdem steht die Angst im Raum, das berüchtigtve US-amerikanische Chlorhühnchen könnte nun statt durchs TTIP-Hauptportal einfach durch die kanadische Hintertür in unsere Küchen flattern. Tatsächlich wird CETA als Vorbild für weitere zukünftige Freihandelsabkommen sehr wohl Anwendung finden und die Latte für TTIP um einiges höher legen. Noch dazu wird das Abkommen EU-Produkte auf dem kanadischen Markt konkurrenzfähiger gegenüber Produkten aus dem NAFTA Bereich (Kanada, USA, Mexiko) machen. Der Inhalt von CETA Um was geht es denn nun bei CETA? Zuerst einmal sollen viele Handelsbarrieren, wie etwa 99 Prozent der Zölle, wegfallen. Nichttarifäre Handelshemmnisse, also Normen und Vorschriften, sollen gegenseitig anerkannt und angeglichen werden. In Zukunft dürfen sich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge europäische Unternehmen in Kanada bewerben - auf allen Verwaltungsebenen. Was den Arbeitsmarkt betrifft, so sollen berufliche Qualifikationen gegenseitig anerkannt werden und die vorübergehende Versetzung von Angestellten innerhalb der Partnerschaft wird vereinfacht. Bei aller Wirtschaftsförderung sollen unter dem Stichpunkt „Nachhaltige Entwicklung“ die Umwelt- und Sozialrechte Berücksichtigung finden. Den CETA-Kritikern kam man mit der Garantie entgegen, dass Sozial- und Umweltstandards nicht gesenkt werden dürfen. Der Schutz von Patenten, Marken, Mustern, Modellen und Urheberrecht steht besonders im Fokus des Abkommens, mit einem scharfen Blick auf den Schutz von geographischen Herkunftsbezeichnungen von Lebensmitteln. Auch der optimierte Schutz von Arzneimittelrechten in Kanada fand hier Eingang. Nach Streit um aus dem abgelehnten ACTA-Abkommen kopierte Passagen wurden diese Regelungen komplett aus der aktuellen Version getilgt. Hormonrind nun in Deutschland? Dass beinahe alle Zölle auf landwirtschaftliche Produkte wegfallen, dürfte vor allem die EU freuen, die mit Exporten von jährlich etwa 2,9 Milliarden Euro weit mehr nach Kanada exportiert als von dort importiert. In Kanada sind Weine und Spirituosen aus der EU sehr gefragt und sollen in Zukunft vermehrt dort vermarktet werden. Im Gegenzug soll kanadischem Fisch der Weg in EU-Supermärkte erleichtert werden, unter der Prämisse verbesserter Kontrollen in der Fischerei. Die EU möchte den Export von Milchprodukten in den Nordamerikanischen Kontinent aufstocken. Im Gegenzug sollen von dort Schweine- und Rindfleisch nach Europa exportiert werden. Allerdings sorgen die unterschiedlichen Herstellungsstandards und Regulierungen für ein verbissenes Tauziehen; schließlich möchten beide Seiten ihre Landwirte schützen. Die europäische Öffentlichkeit schielt hier besonders misstrauisch auf die in Kanada zugelassene Hormonbehand- Bild Hände: Depositphotos, Pressmaster; Fotomontage: Martina Schäfer. Bild Demo: Die Linke

Politik Ob CETA, TTIP oder TiSA, die Pläne für große Handelsabkommen stoßen nicht überall auf Zustimmung. Die Angst, zu den Verlierern unter den Auswirkungen der Verträge zu gehören, sitzt tief. Ob diese Ängste berechtigt sind, wird die Zukunft zeigen. lung von Rindern, mit der Befürchtung, dass das Fleisch dieser Tiere bald auf europäischen Tellern landen könnte. Bittere Pille Investitionsschutz Natürlich möchten sowohl EU als auch Kanada ausländische Investitionen nach Möglichkeit erleichtern und fördern. Um dies zu erreichen, enthält CETA Investitionsschutzverpflichtungen. So sollen öffentlich legitimierte Schiedsgerichte mit nicht-staatlichen Richtern besetzt werden. Deren Entscheidungen werden den beklagten Staat bindend zu Schadensersatzzahlungen verpflichten können. Nachdem im Falle von TTIP eine ähnliche Klausel nahe an den Verhandlungsstillstand geführt hat, haben die CETA-Verhandelnden einige Hürden zur Verhinderung von Missbrauch in ihre Version des Investitionsschutzes eingebaut. Zuerst müssen die Tatbestände, die einen Gaststaat schadensersatzpflichtig machen können, absolut präzise definiert werden. Der Marktzugang kann nicht eingeklagt werden. Reine Briefkastenfirmen sind nicht als Kläger zugelassen. Konzerne sollen unliebsame Gesetze nicht verhindern dürfen oder Gemeinden beispielweise zwingen können, die Wasserversorgung zu privatisieren. Die Schiedsrichter sind an einen verbindlichen Verhaltenskodex gebunden. Die Verfahren müssen unter „uneingeschränkte Transparenz“ nach den UN- CITRAL-Transparenzregeln durchgeführt werden. Die verbindliche Auslegung des Abkommens durch die Vertragspartner ist möglich. Diese Maßnahmen gingen dem DGB nicht weit genug, da die Schiedsrichter die Transparenz des Verfahrens noch immer ganz oder in Teilen einschränken können. Weder sind Interessenskonflikte der Schiedsrichter effektiv ausgeschlossen, noch die Definition einer Investition, noch die anwendbaren Schutzstandards eindeutig eingegrenzt. Nach der Überarbeitung wird es unter CETA einen mit 15 von Kanada und der EU ernanwwnten Mitgliedern besetzten, ständigen internationalen Gerichtshof inklusive Berufungsinstanz geben, sowie öffentliche Verfahren. Bisher schlichteten nichtöffentliche Schiedsgerichte mit von den jeweiligen Streitparteien benannten Schiedsrichtern aufkommende Streitfälle. Aus Sicht der NGO Power Shift sind die Ansätze der überarbeiteten CETA-Version zwar positiv. Leider sind die Korrekturen des bestehenden ISDS-Systems eher kosmetischer Natur. Gerade wegen der heiklen Natur der Schiedsgerichte werden diese nicht zu den vorläufig in Kraft tretenden Regelungen gehören. Warum spaltet CETA die Lager? Die Beseitigung von Zöllen, gleiche Standards, die Öffnung von Ausschreibungen für ausländische Investitionen, der Schutz von ausländischen Investitionen - das Freihandelsabkommen bindet alle diese Teilpunkte in ein Paket. Das Problem ist nun, dass es nur das komplette Paket gibt, egal, ob die Vereinbarungen für die einzelnen Teilbereiche nun alle oder nur zum Teil Zuspruch finden. Übersichtlich ist das schon lange nicht mehr und die endgültigen Auswirkungen des Abkommens lassen sich nicht absehen. Natürlich hätten die Punkte auch einzeln verhandelt werden können, doch im Paket ist der Aufwand für alle Beteiligten geringer. Es gibt nur einen großen Verhandlungsprozess, eine Unterzeichnung, eine Runde der Ratifizierung. Sieben Jahre Verhandlung und nun die Entscheidung: Alles? Oder nichts. +49(0)841 981601320

Politik<br />

Ob CETA, TTIP oder<br />

TiSA, die Pläne<br />

für große Handelsabkommen<br />

stoßen<br />

nicht überall<br />

auf Zustimmung.<br />

Die Angst, zu den<br />

Verlierern unter den<br />

Auswirkungen der<br />

Verträge zu gehören,<br />

sitzt tief. Ob diese<br />

Ängste berechtigt<br />

sind, wird die Zukunft<br />

zeigen.<br />

lung von Rindern, mit der Befürchtung,<br />

dass das Fleisch dieser Tiere bald auf europäischen<br />

Tellern landen könnte.<br />

Bittere Pille Investitionsschutz<br />

Natürlich möchten sowohl EU als auch<br />

Kanada ausländische Investitionen nach<br />

Möglichkeit erleichtern und fördern. Um<br />

dies zu erreichen, enthält CETA Investitionsschutzverpflichtungen.<br />

So sollen öffentlich<br />

legitimierte Schiedsgerichte mit<br />

nicht-staatlichen Richtern besetzt werden.<br />

Deren Entscheidungen werden den beklagten<br />

Staat bindend zu Schadensersatzzahlungen<br />

verpflichten können. Nachdem<br />

im Falle von TTIP eine ähnliche Klausel<br />

nahe an den Verhandlungsstillstand geführt<br />

hat, haben die CETA-Verhandelnden<br />

einige Hürden zur Verhinderung von<br />

Missbrauch in ihre Version des Investitionsschutzes<br />

eingebaut. Zuerst müssen die<br />

Tatbestände, die einen Gaststaat schadensersatzpflichtig<br />

machen können, absolut<br />

präzise definiert werden. Der Marktzugang<br />

kann nicht eingeklagt werden.<br />

Reine Briefkastenfirmen sind nicht als<br />

Kläger zugelassen. Konzerne sollen unliebsame<br />

Gesetze nicht verhindern dürfen<br />

oder Gemeinden beispielweise zwingen<br />

können, die Wasserversorgung zu privatisieren.<br />

Die Schiedsrichter sind an einen<br />

verbindlichen Verhaltenskodex gebunden.<br />

Die Verfahren müssen unter „uneingeschränkte<br />

Transparenz“ nach den UN-<br />

CITRAL-Transparenzregeln durchgeführt<br />

werden. Die verbindliche Auslegung des<br />

Abkommens durch die Vertragspartner ist<br />

möglich.<br />

Diese Maßnahmen gingen dem DGB nicht<br />

weit genug, da die Schiedsrichter die<br />

Transparenz des Verfahrens noch immer<br />

ganz oder in Teilen einschränken können.<br />

Weder sind Interessenskonflikte der<br />

Schiedsrichter effektiv ausgeschlossen,<br />

noch die Definition einer Investition, noch<br />

die anwendbaren Schutzstandards eindeutig<br />

eingegrenzt. Nach der Überarbeitung<br />

wird es unter CETA einen mit 15 von<br />

Kanada und der EU ernanwwnten Mitgliedern<br />

besetzten, ständigen internationalen<br />

Gerichtshof inklusive Berufungsinstanz<br />

geben, sowie öffentliche Verfahren.<br />

Bisher schlichteten nichtöffentliche<br />

Schiedsgerichte mit von den jeweiligen<br />

Streitparteien benannten Schiedsrichtern<br />

aufkommende Streitfälle. Aus Sicht der<br />

NGO Power Shift sind die Ansätze der<br />

überarbeiteten CETA-Version zwar positiv.<br />

Leider sind die Korrekturen des bestehenden<br />

ISDS-Systems eher kosmetischer<br />

Natur. Gerade wegen der heiklen Natur<br />

der Schiedsgerichte werden diese nicht<br />

zu den vorläufig in Kraft tretenden Regelungen<br />

gehören.<br />

Warum spaltet CETA die Lager?<br />

Die Beseitigung von Zöllen, gleiche Standards,<br />

die Öffnung von Ausschreibungen<br />

für ausländische Investitionen, der Schutz<br />

von ausländischen Investitionen - das<br />

Freihandelsabkommen bindet alle diese<br />

Teilpunkte in ein Paket. Das Problem ist<br />

nun, dass es nur das komplette Paket gibt,<br />

egal, ob die Vereinbarungen für die einzelnen<br />

Teilbereiche nun alle oder nur zum<br />

Teil Zuspruch finden. Übersichtlich ist das<br />

schon lange nicht mehr und die endgültigen<br />

Auswirkungen des Abkommens lassen<br />

sich nicht absehen. Natürlich hätten<br />

die Punkte auch einzeln verhandelt werden<br />

können, doch im Paket ist der Aufwand<br />

für alle Beteiligten geringer. Es gibt<br />

nur einen großen Verhandlungsprozess,<br />

eine Unterzeichnung, eine Runde der Ratifizierung.<br />

Sieben Jahre Verhandlung und<br />

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