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Magazinkatalog Sevilla

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Wo Carmen tanzte und Don Juan verführte<br />

Was haben Georges Bizets „Carmen“, Gioacchino Rossinis „Barbier von<br />

<strong>Sevilla</strong>“, Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“ und die „Hochzeit<br />

des Figaro“ gemeinsam? Jeder Opern-Fan kennt die Antwort: Alle diese<br />

Werke – genauso wie noch fast einhundert weitere – spielen in <strong>Sevilla</strong>,<br />

der Hauptstadt Andalusiens.<br />

Dass so viele Geschichten, die teilweise mehrfach in musikalischer Form<br />

verarbeitet wurden, in der viertgrößten Stadt Spaniens angesiedelt<br />

wurden, ist leicht zu erklären. Während der Großteil der europäischen<br />

Städte im 17. Jahrhundert im Zuge der industriellen Revolution, der<br />

Aufklärung und der Französischen Revolution sich kulturell und sozial<br />

grundlegend veränderte, schien der Süden Spaniens nach wie vor in einem<br />

Märchenschlaf zu liegen. Hier gab es nach wie vor exotische maurische<br />

Bauwerke, Stadtviertel mit verwinkelten Gässchen, altehrwürdige<br />

Herrenhäuser, verwunschene Gärten und Innenhöfe – eine herrliche<br />

Kulisse für die romantischen Vorstellungen vieler Komponisten und<br />

Musiker.<br />

Der Palast der Familie Mañara, deren Patriarch Don Miguel das Vorbild<br />

für die Figur des Don Juan Tenorio sein soll, liegt im Barrio Santa Cruz<br />

nahe den pompösen „Reales Alcázares“. Das Krankenhaus Hospital de<br />

la Caridad hinter dem „Teatro de la Maestranza“ wurde auf Betreiben<br />

dieses Adligen errichtet. Und an der Hostería del Laurel traf Don Juan<br />

mit Don Luis de Mejía zusammen. Ein Denkmal zu Ehren des romantischen<br />

Verführers findet man nur wenige Straßen weiter, an der Plaza de<br />

los Refinadores im Stadtteil Santa Cruz. Auch die Schauplätze<br />

des „Figaro“ und des<br />

„Barbiers von <strong>Sevilla</strong>“ sind leicht<br />

zu finden: Der Balkon<br />

der Rosina, auf den Figaro<br />

den Grafen von Almaviva hinaufkomplimentierte,<br />

um<br />

dessen Herzensdame<br />

zu erwei- chen, liegt im ehemaligen<br />

Judenviertel<br />

Santa Cruz an der Kreuzung der Calle Argote de Molina und Calle Segovia,<br />

nur einen Katzensprung von <strong>Sevilla</strong>s berühmtester Kathedrale mit<br />

dem Glockenturm Giralda entfernt.<br />

Vor allem die Figur der leidenschaftlichen, freiheitsliebenden „Carmen“,<br />

einer Flamenco tanzenden Zigeunerin, ist eng mit der Kulturgeschichte<br />

der Stadt <strong>Sevilla</strong> verwoben. Die Liebesaffäre zwischen der Zigeunerin<br />

und dem Soldaten Don José beginnt in einer Taverne im Viertel Triana;<br />

und hier trifft Carmen dann auch auf den Torero Escamillo, dem sie<br />

ihr Herz als nächstes schenkt. Wer heute eine der Flamenco-Bars in<br />

diesem alten Viertel auf der Isla de Cartuja besucht, der kann die knisternde<br />

Atmosphäre des zweiten Akts sicher gut nachvollziehen.<br />

Auf einem Stadtbummel von knapp vier Kilometern gelangt man auf<br />

den Spuren der Carmen-Geschichte vom Callejon del Agua und der<br />

Calle Candilejo, wo Carmen auf den Straßen tanzte, vorbei an der Universität<br />

von <strong>Sevilla</strong> im Gebäude der altehrwürdigen Zigarettenfabrik,<br />

wo Carmen gemeinsam mit 4.000 anderen Mädchen arbeitete, bis zur<br />

Stierkampfarena „Real Maestranza“ am Ufer des Rio Guadalquivir. An<br />

deren Haupteingang, der Puerta del Príncipe, wird Carmen im vierten<br />

Akt von Don José, ihrem verschmähten Geliebten, schließlich getötet.<br />

Das Carmen-Denkmal als Tribut an die schöne Freiheitslegende steht<br />

direkt vor der Arena, am Paseo de Cristóbal Colón. George Bizet konnte<br />

den Weltruhm seiner Oper nicht mehr erleben: Er starb nur drei Monate<br />

nach ihrer Uraufführung, die vom entrüsteten Publikum ausgebuht<br />

worden war.<br />

Wer noch tiefer in die Welt der romantischen Opern eintauchen möchte,<br />

der kann in <strong>Sevilla</strong> eine (oder mehrere) der Aufführungen besuchen.<br />

Das 1991 errichtete „Teatro de la Maestranza“ am Paseo de Cristóbal<br />

Colón, direkt am Ufer des Rio Guadalquivir, ist nicht nur Schauplatz<br />

klassischer Opern. Es beherbergt auch das Königliche Symphonie-Orchester<br />

von <strong>Sevilla</strong>, aktuell unter der Leitung des Amerikaners John Neal<br />

Axelrod. Hier spielen 130 Musiker aus 19 Ländern und sorgen für ein<br />

vielfältiges Repertoire an Opern und klassischen andalusischen Flamenco-Konzerten,<br />

den sogenannten „Zarzuelas“. Im „El Giradillo“, dem<br />

Veranstaltungskalender <strong>Sevilla</strong>s, der in vielen Bars und Restaurants<br />

kostenlos ausliegt, kann man sich aktuell über die anstehenden Aufführungstermine<br />

informieren.<br />

Das „Teatro de la Maestranza“ mag es in Sachen Glanz und<br />

Weltruhm nicht mit anderen Opernhäusern wie der Mailänder<br />

Scala oder der Sydney Opera aufnehmen können<br />

– die Stadt <strong>Sevilla</strong> selbst, in deren Straßen und<br />

Häusern der Geist der klassischen Opern lebt,<br />

kann es allemal.<br />

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