Magazinkatalog Sevilla

Weit schwingt ihr bodenlanger, gerüschter
Rock, so dass für Augenblicke ihre langen Beine
aufblitzen; die eisenbeschlagenen Absätze
ihrer hohen Schuhe stampfen einen trommelnden
„zapateado“ in den vibrierenden Holzbo-
vielen einzigartigen Techniken und der von
Allein das rasante Gitarrenspiel mit seinen
den, der den Rhythmus direkt ins Blut der rhythmischem Händeklatschen begleitete
Zuschauer überträgt. Ihr muskulöser Rücken Gesang erfordern jahrelanges Training.
bleibt kerzengerade aufgerichtet, biegt sich
dann unversehens nach hinten und zur Seite, Wer sich in Andalusien auf die Spuren des Flamenco
begeben will, kann die „Ruta de la Ba-
während die schlanken Arme weit über ihren
stolz erhobenen Kopf mit dem streng gebundenen
Knoten aus tiefschwarzem Haar gereckt gen. Sie führt von Algeciras ganz im Süden
jani“, die Route der Flamenco-Gitarre einschla-
sind. Die Kastagnetten zwischen ihren Fingern Andalusiens, der Geburtsstadt des Flamencoklappern
ein unglaublich schnelles Tremolo, Stars Paco de Lucía, an der Atlantikküste
und ihr durchdringender Blick bohrt sich entlang nach Jerez de la Frontera. Dort befinden
sich nicht nur das Andalusische Flamenco-
dem gebannten Publikum mitten ins Herz –
so scheint es, schaut man einer Flamenco- Zentrum und das Institut für Flamencologie,
Tänzerin dabei zu, wie sie das Lebensgefühl in den Bars der Stadtviertel Santiago und San
der Andalusier mit wenigen Bewegungen auf Miguel treffen sich die Meister dieser Kunst.
einen Punkt verdichtet.
Als Wiege des Flamenco gilt aber Triana,
ein Stadtviertel im Westen von Sevilla. In den
Der Flamenco gehört zu Sevilla wie der Tango Bars hört man Flamenco-Gesänge der unterschiedlichsten
Stilrichtungen, in der „Taverna
zu Argentinien. Die romantischen Lieder und
Tänze haben eine lange, weitgehend nur Tio José“ an der Plaza de Altozano sind hunderte
Fotografien von Sängern und Tänzern
mündlich überlieferte Geschichte, die bis ins
alte römische Reich zurückgeht.
zu bewundern.
Schon damals sollen Tänzerinnen aus Cádiz Einen Auftritt der ältesten existierenden
sinnliche, zuckende Bewegungen mit klappernden
Instrumenten verbunden haben. Die la Platería“, kann man in Granada erleben.
Flamenco-Gruppe Andalusiens, der „Peña de
jahrhundertelange Herrschaft der Mauren Dort sollte man auch den Höhlen von Sacromonte
im gleichnamigen Stadtviertel einen
schnitt Südspanien von der kulturellen Entwicklung
Europas ab, sodass sich hier ganz Besuch abstatten, um die Stimmung des klassischen
Flamenco nacherleben zu eigene, stark arabisch und nordafrikanisch
können.
geprägte Kulturformen entwickeln konnten. Die „duende“, eine hypnotische Besessenheit,
Nicht zu vergessen ist der starke Einfluss der ist das zentrale Gefühl des Flamenco. Wer ihn
Roma, des fahrenden Zigeunervolks in Südspanien.
Von ihrem Beschützer, dem flandri-
Kultur in sein Blut auf, der kann seine Zuhörer
singt oder tanzt, der nimmt die andalusische
schen König Karl I. von Spanien, bekamen sie und sich selbst in Trance versetzen. Private Flamenco-Feste
können die ganze Nacht dauern,
den Beinamen „die Flamen“, „los Flamencos“.
Spanischer Nationalstolz, Romantik und auch für jede Zeit sind spezielle Stile vorgesehen:
eine gewisse Angst vor der Moderne vermischen
sich zum typisch andalusischen Fla-
fröhliche und verzweifelte. Die schlichteste
ruhige und entspannte, wilde und ekstatische,
menco. Die Andalusier finden ihn so zentral Form ist gleichzeitig die älteste: Bei der „toná“
für ihre Kultur, dass er seit dem Jahr 2014 wird einfach nur gesungen, ohne Begleitung
zum offiziellen Lehrplan an Schulen gehört. durch Tanz oder Instrumente. Diese in tiefem
Die Beherrschung der streng vorgegebenen
Tanzschritte, der Lieder diverser Stil- wie ein gesprochenes Gebet
Ernst vorgetragenen Lieder klingen dann fast
richtungen und der typischen Begleitinstrumente
ist natürlich mit einer Unterrichtsstunde
pro Woche lange nicht erlernbar.
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